Wirtschaft

Erbrecht und Pflege

Kinder, die Eltern pflegen, können "Vorab-Obolus" verlangen

(bü). In zahlreichen Familien ist es Ehrensache, einen pflegebedürftigen Angehörigen in seiner oder der eigenen Wohnung zu betreuen und zu pflegen – notfalls bis ans Lebensende. Dies dann, wenn auch "Pflegepersonal" vorhanden ist, etwa der Ehepartner – aber auch die Tochter oder der Sohn. Welchen "Lohn" können insbesondere Kinder, aber auch Enkel für solche Pflegeleistungen erwarten? Eine mit der Erbrechtsreform 2010 eingeführte Neuerung scheint noch weithin unbekannt zu sein.

Mit der Reform wurde zwar der Grundsatz nicht aufgegeben, dass pflegende Ehegatten, Schwestern oder Brüder – auch Schwiegerkinder – für ihre Pflegeleistungen nicht honoriert werden; jedenfalls vom Staat nicht. Natürlich bleibt es der betreuten Person unbenommen, der familiären "Pflegekraft" aus seinem Nachlass einen Betrag (oder bestimmte Gegenstände) als Vermächtnis zukommen zu lassen.

Doch solche Pflegepersonen (beschränkt auf Kinder und Enkel) haben andere Möglichkeiten, ihre Arbeit "entlohnt" zu bekommen.

Dauer und Umfang der Pflege zählen

Beispiel: Eine Tochter hat ihre Mutter gepflegt. Die Mutter hat kein Testament, aber ein Erbe von 100.000 Euro hinterlassen. Die Pflegeleistungen der Tochter werden mit 20.000 Euro angesetzt. Tochter und Bruder beerben die Mutter je zur Hälfte. Die Schwester (Tochter) kann einen Ausgleich für ihre Pflegeleistung verlangen. Vor dem Nachlass wird zu ihren Gunsten der Ausgleichsbetrag abgezogen und der Rest nach der Erbquote verteilt. Das ergibt 100.000 Euro minus 20.000 Euro = 80.000 Euro. Davon erhalten beide die Hälfte. Im Ergebnis bekommt die Schwester (Tochter) 40.000 Euro + 20.000 Euro = 60.000 Euro, der Bruder (Sohn) 40.000 Euro.

Die Höhe des Ausgleichs richtet sich nach der Dauer und dem Umfang der erbrachten Pflegeleistungen. Wie diese Pflegetätigkeit zu bewerten ist, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Sinnvoll erscheint es, dafür die Beiträge anzusetzen, die vom Gesetzgeber als "beitragspflichtiges Entgelt" für die Pflegetätigkeit in den einzelnen Pflegestufen festgelegt worden sind.

Und die sehen in den Pflegestufen I, II und III unterschiedlich hohe Beträge als fiktive Einnahmen pro Monat vor. So zum Beispiel in der Pflegestufe I (bei einer Mindestpflege pro Woche von 14 Stunden) rund 700 Euro. Dieser Betrag kann sich in den höheren Pflegestufen bis auf 2100 Euro erhöhen. Je nach der Dauer der absolvierten Pflege und der Pflegestufen lässt sich somit ein fiktiver "Verdienst" errechnen, der der Berechnung des Vorabausgleichs aus dem Erbe zugrunde gelegt werden könnte. Natürlich könnten andere Berechnungsmethoden ebenfalls akzeptabel sein.



AZ 2012, Nr. 47, S. 5

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