Wirtschaft

Erbrechts-Reform: Eine "unbekannte" Neuerung

Kinder, die die Eltern pflegen, können "Vorab-Obolus" verlangen

(bü). In zahlreichen Familien ist es Ehrensache, einen pflegebedürftigen Angehörigen in der eigenen Wohnung zu betreuen und zu pflegen – notfalls bis ans Lebensende. Dies dann, wenn auch "Pflegepersonal" vorhanden ist, etwa der Ehepartner – aber auch die Tochter oder der Sohn. Welchen "Lohn" können insbesondere Kinder, aber auch Enkel für solche Pflegeleistungen erwarten? Eine mit der Erbrechtsreform 2010 eingeführte Neuerung scheint noch weithin unbekannt zu sein.

Wenn sie für ihren aufopferungsvollen Dienst nicht ohnehin im Testament oder einem Vermächtnis bedacht wurden, so konnten sie bis vor etwa eineinhalb Jahren quasi einen Vorab-Obolus aus dem Nachlass verlangen. Unter der Bedingung, dass sie "unter Verzicht auf ein Erwerbseinkommen" die Pflege übernommen hatten. Das musste nicht unbedingt die komplette Aufgabe eines Arbeitsverhältnisses sein; aber der Nachweis einer Einbuße war erforderlich.

Mit der Erbschaftsteuerreform zum Jahresbeginn 2010 wurde diese Regelung geändert – aus Sicht der Bundesregierung verbessert. Diese Änderung sollte ursprünglich auch die Ausweitung des begünstigten Personenkreises umfassen. Doch blieb dieses Vorhaben auf der Strecke. Geblieben ist, dass nach wie vor nur "Abkömmlinge" – also betreuende Kinder und Enkel – aus dem Nachlass einer verstorbenen pflegebedürftigen Person bevorzugt belohnt werden sollten. Neu wurde immerhin geregelt, dass es nicht mehr erforderlich ist, einen Einkommensverzicht nachzuweisen. (Bisher hatte die Tochter, die als Hausfrau und familiäres Oberhaupt ihrer Lieben keinen Einkommensverlust zu beklagen hatte, keinen Vorteil, wenn sie die Mama oder der Papa aufopferungsvoll pflegte.) Nunmehr würde auch sie aus dem Erbe zusätzlich honoriert, da sie ja nicht mehr nachweisen muss, wegen ihrer Pflegetätigkeit weniger verdient zu haben.

Geblieben ist aber, dass pflegende Ehepartner, Schwestern oder Brüder – auch Schwiegerkinder – für ihre Pflegeleistungen nicht honoriert werden – jedenfalls von Gesetzes wegen nicht. Natürlich bleibt es der betreuten Person unbenommen, aus dem Nachlass einen bestimmten Betrag (oder bestimmte Gegenstände) als Vermächtnis zukommen zu lassen.

Ausgleich ohne Testament

Wie sieht eine solche Bevorzugung von Pflegekräften (beschränkt auf Kinder und Enkel) aus? Beispiel: Eine Tochter hat ihre Mutter gepflegt. Die Mutter hat kein Testament, aber ein Erbe von 100.000 Euro hinterlassen. Die Pflegeleistungen der Tochter werden mit 20.000 Euro angesetzt. Tochter und Bruder beerben die Mutter je zur Hälfte. Die Schwester (Tochter) kann einen Ausgleich für ihre Pflegeleistung verlangen. Vor dem Nachlass wird zu ihren Gunsten der Ausgleichsbetrag abgezogen und der Rest nach der Erbquote verteilt. Das ergibt 100.000 Euro minus 20.000 = 80.000 Euro. Davon erhalten beide die Hälfte. Im Ergebnis bekommt die Schwester (Tochter) 40.000 + 20.000 = 60.000 Euro, der Bruder (Sohn) 40.000 Euro.

Die Höhe des Ausgleichs richtet sich nach der Dauer und dem Umfang der erbrachten Pflegeleistungen. Wie diese Pflegetätigkeit zu bewerten ist, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Sinnvoll erscheint es, dafür die Beiträge vorzusehen, die vom Gesetzgeber als "beitragspflichtiges Entgelt" für die Pflegetätigkeit in den einzelnen Pflegestufen vorgesehen sind.

Und die sehen in den Pflegestufen I, II und III unterschiedlich hohe Beträge als fiktive Einnahmen pro Monat vor. So zum Beispiel in der Pflegestufe I (bei einer Mindestpflege pro Woche von 14 Stunden) rund 682 Euro. Dieser Betrag kann sich in den höheren Pflegestufen bis zum Dreifachen erhöhen. Je nach der Dauer der absolvierten Pflege und der Pflegestufen lässt sich somit ein fiktiver "Verdienst" errechnen, der der Berechnung des Vorabausgleichs aus dem Erbe zugrunde gelegt werden könnte. Natürlich könnten andere Berechnungsmethoden ebenfalls akzeptabel sein.



AZ 2011, Nr. 26, S. 4

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