Gesundheitspolitik

Gleich lange Spieße

Als im Jahr 2004 der Arzneimittelversand legalisiert wurde, waren "gleich lange Spieße" das Zauberwort der Politik. Das Versprechen eines fairen Wettbewerbs zwischen den Versorgungswegen sollte die deutschen Apotheker mit der neuen ausländischen Konkurrenz versöhnen. Gleich lange Spieße klingen gut, doch das Versprechen wurde sofort gebrochen. Als ausländische Wettbewerber das deutsche Preisrecht ignorierten, versagte die Politik eine gesetzliche Klärung und verwies auf die Gerichte. Doch das Bundessozialgericht interessierte sich nicht für faire Marktbedingungen. Erst nach mehr als acht Jahren leitete eine neue Regierung die gesetzliche Korrektur ein. Jetzt erkannte endlich auch der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte, was die Politik den Apothekern schon 2004 als selbstverständlich verkauft hatte: Gleich lange Spieße sind rechtens. Das mag den deutschen Apothekern eine späte Genugtuung bringen, aber die hilft ihnen wenig. Der Wettbewerb wurde jahrelang verzerrt, die deutschen Apotheken haben Umsatz verloren, zu manchem Apothekenruin mag auch dies seinen Teil beigetragen haben. Die deutschen Apotheken insgesamt haben einen Imageschaden erlitten. Gegenüber den preisaktiven Ausländern standen sie als Besitzstandswahrer da, die sich an eine scheinbar überkommene Ordnungspolitik klammerten. Eine Bestätigung ihrer Position nach fast neun Jahren ist erfreulich, aber die Schäden wird niemand ausgleichen. Effektiver Rechtsschutz in schnelllebigen Zeiten sieht anders aus.

Eine andere Fehlentwicklung der Reform von 2004 harrt noch immer einer Korrektur. Eine Preisbildung mit Festaufschlag ist nur zukunftsfähig, wenn sie mit einer fairen Anpassungsregel verbunden wird. Gnädige Almosen in Abhängigkeit von Kassenlage und politischer Stimmung sind keine tragfähige Perspektive für einen Zukunftsberuf. Weniger als drei Prozent nach neun Jahren sind ein Hohn. Der Festaufschlag braucht endlich eine klare Regel für faire Anpassungen – damit auch die Preisverordnung ein gleich langer Spieß gegen Inflation und neue Kostentreiber wird.


Thomas Müller-Bohn



AZ 2012, Nr. 35, S. 1

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