Arzneimittel und Therapie

Hoffnung auf völlig neue Therapieansätze

Noch unbefriedigend sind die Behandlungsmöglichkeiten bei der pulmonalen Hypertonie. Derzeit wird dabei auf verschiedenen Ebenen versucht, neue Therapieansätze zu entwickeln, wobei zunehmend auch die Veränderungen im Bereich des rechten Herzens in den Fokus rücken und die Möglichkeiten, über die Regulation des endogenen Vasodilatators NO direkt Einfluss auf die Pathogenese zu nehmen.
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Die pulmonale Hypertonie umfasst verschiedene Formen eines Lungengefäßhochdruckes.Die Ätiologie ist unbekannt. Durch eine zunehmende Verengungder Lungenstrombahn kommt es zu einer progredienten Belastungdes rechten Herzens, die schlussendlich in einem Rechtsherzversagen resultierenkann.

Bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie (PH) das Krankheitsbild stabilisieren und die Progression hemmen zu können, ist trotz der inzwischen verbesserten Therapiemöglichkeiten weiterhin ein Traum der Mediziner. Allerdings gibt es Fortschritte beim Krankheitsverständnis und damit neue Hoffnungen, doch in absehbarer Zukunft neue Therapieoptionen entwickeln und in die zugrunde liegenden Pathomechanismen der Erkrankung und ihrer Progression eingreifen zu können. Es wird nach Prof. Dr. Ralph Schermuly, Gießen, auf verschiedenen Ebenen versucht, neue Therapieprinzipien zu etablieren, um die Behandlungsmöglichkeiten bei der pulmonalen Hypertonie zu verbessern. Als Beispiel nannte der Mediziner im Rahmen des Kongress der European Respiratory Society (ERS) in Amsterdam beim von Bayer HealthCare veranstalteten Symposium "Pulmonary hypertension: new targets, new goals, new therapies” die Suche nach innovativen Vasodilatatoren mit gegenüber den herkömmlichen Substanzen verbessertem Wirkprofil.


Stand der Entwicklung


Das oral einzunehmende Riociguat gehört zur neuen Wirkstoffklasse der Stimulatoren des Enzyms lösliche Guanylatcyclase (sGC). Deren Aktivität wird über die körpereigene gefäßerweiternde Substanz Stickstoffmonoxid moduliert. Riociguat soll über einen zweifachen Mechanismus wirken: Einerseits soll es das Enzym für das körpereigene Stickstoffmonoxid (NO) sensibilisieren und andererseits die lösliche Guanylatcyclase direkt und unabhängig von Stickstoffmonoxid stimulieren. Dies ist bedeutsam, da die NO-Konzentration im Lungenkreislauf bei Patienten mit Lungenhochdruck vermindert ist. Im Moment wird in Phase-III-Studien die Wirksamkeit und Sicherheit von Riociguat bei der Behandlung von zwei Formen der pulmonalen Hypertonie, der chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie, sowie der pulmonalarteriellen Hypertonie (PAH) untersucht. Zwei Phase-II-Studien mit Riociguat zur Therapie der pulmonalen Hypertonie bei COPD und bei interstitiellen Lungenerkrankungen konnten bereits mit positiven Ergebnissen beendet werden.

Das Remodelling stoppen

Forciert wird aber auch nach Substanzen gesucht, die die Remodelling-Prozesse bei der pulmonalen Hypertonie unterbinden. Eine zentrale Rolle bei den proliferativen Signalketten spielen Tyrosinkinasen und es zeichnet sich bereits ab, dass Tyrosinkinasehemmern wie dem Imatinib, die aus der Behandlung von Tumorerkrankungen bekannt sind, auch bei der pulmonalen Hypertonie therapeutische Bedeutung zukommen könnten. Erste Studien belegen beispielsweise für Imatinib eine Reduktion des pulmonalen Hochdrucks und eine Verbesserung der Sechs-Minuten-Gehstrecke der Patienten. "Aus der Onkologie kommen Hinweise auf weitere Tyrosinkinasehemmer, die möglicherweise auch bei der Pulmonalen Hypertonie therapeutisch genutzt werden können", berichtete Schermuly in Amsterdam.

Als weitere Option, die derzeit intensiv untersucht wird, nannte er Micro-RNA, also endogene RNA-Moleküle, die die Genexpression steuern und das Genexpressionsprofil modulieren können und damit möglicherweise ebenfalls Einfluss auf die Entwicklung der PH nehmen. Es gibt bereits erste Kandidaten, die als Antagonisten fungieren, die Micro-RNA-Expression unterdrücken und in experimentellen Settings die pulmonale Hämodynamik verbessern können.

NO – Dreh- und Angelpunkt beim Gefäßtonus

Unabhängig von solchen Forschungsansätzen richtet sich das Augenmerk der Wissenschaftler vor allem auf die Rechtsherzinsuffizienz und die Rechtsherzhypertrophie, die nach Prof. Dr. Aaron B. Waxman, Boston, in entscheidendem Maße die Prognose der Patienten bestimmt. Hoffnungen, in die Pathogenese eingreifen zu können, verbinden sich auf dieser Ebene vor allem mit dem Wirkstoff Riociguat, einem Stimulator des Enzyms lösliche Guanylatcyclase (sGC), das an der Regulation des Gefäßtonus beteiligt ist.

Defizite der NO-Regulation bedingen Herzinsuffizienz

Denn die Rechtsherzinsuffizienz ist laut Waxman maßgeblich durch eine endotheliale Dysfunktion und Defizite bei der NO-Regulation bedingt. Es kommt als Folge der veränderten NO-Freisetzung zu einem Remodelling im rechten Ventrikel, was nach Ansicht des Wissenschaftlers bislang aber noch zu wenig beachtet wurde: "Es resultieren aber ausgeprägte funktionelle und auch strukturelle Anpassungsprozesse an den hohen Druck im Lungenkreislauf, die auch deutliche Veränderungen am rechten Herzen nach sich ziehen", betonte der Mediziner. Doch nicht zuletzt das Schlagvolumen und die Auswurfleistung des rechten Herzens sind nach seinen Worten dafür verantwortlich, wie ausgeprägt sich die Symptomatik bei der pulmonalen Hypertonie darstellt. Kommt es zu einer Rechtsherz-Hypertrophie, so ändert sich zudem die Reizleitung und es drohen den Patienten zusätzlich Herzrhythmusstörungen. Die Veränderungen bedingen außerdem Störungen des normalen Stoffwechsels der Zellen und bahnen Ischämien den Weg, so dass sich die Progression der Erkrankung wie in einem Teufelskreis fortsetzt. "Diesen durch die Entwicklung neuer Therapieansätze durchbrechen zu können, ist ein zentrales Anliegen der aktuellen Forschungsaktivitäten bei der PH", so Waxman.

Die Mediziner setzen dabei auch auf Riociguat, das über die sGC-Stimulation die Bildung des endogenen Vasodilatators Stickoxid (NO) ankurbeln kann. "Das NO-System ist von zentraler Bedeutung für die Regulation des Gefäßtonus sowohl in den pulmonalen wie auch den systemischen Gefäßen. Fehlt NO, so wird nur noch eingeschränkt der Mediator cyclisches GMP (CGMP) gebildet. Es kommt dadurch zu einer forcierten Vasokonstriktion, zur Inflammation und auch zu proliferativen Prozessen und einem Remodelling im Gefäßbereich. Wird andererseits die cGMP-Bildung gesteigert, wie dies durch Riociguat möglich ist, so resultiert nach Waxman eine verminderte Vasokonstriktion und es ist von einer Rückbildung der adaptiven Prozesse, also konkret des Remodellings und der Proliferation auszugehen.

Die Ergebnisse aus tierexperimentellen Untersuchungen belegen für den sGC-Stimulator eine signifikante Reduktion der Rechtsherz-Hypertrophie und es wurden bei nephrektomierten Ratten auch protektive Effekte an Herz und Nieren dokumentiert. Der Wirkstoff wird derzeit hinsichtlich seiner klinischen Wirksamkeit und Sicherheit in kontrollierten Studien geprüft.


Medizinjournalistin Christine Vetter



DAZ 2011, Nr. 42, S. 51

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