DAZ aktuell

Innovationen aus der Bayer-Forschung

LEVERKUSEN (hb). Der Bayer-Konzern will seine Ressourcen insgesamt noch konsequenter in das Wachstum und die Innovationskraft des Unternehmens investieren, wie beim Presseforum "Bayer Innovations-Perspektive 2010" von Vorstandsvertretern des Konzerns bekundet wurde. Laut Dr. Wolfgang Plischke, im Vorstand der Bayer AG auch für die Bereiche Innovation, Technologie und Umwelt verantwortlich, werden die Aufwendungen des Konzerns für Forschung und Entwicklung im Jahr 2010 voraussichtlich auf einen Rekordwert von 3,1 Mrd. Euro steigen.
Dr. Wolfgang Plischke, Vorstandsmitglied der Bayer AG, gab auf einer Veranstaltung einen Überblick über die derzeitige Forschung des Konzerns. Foto: Bayer AG

Dabei hat der Bereich HealthCare mit 2,1 Mrd. Euro (67%) neben Crop Science und Material-Science den größten Anteil an den geplanten Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. Im Jahr 2009 konnte Bayer in diesem Bereich mit 200 Patentanmeldungen aufwarten. Die Arzneimittel-Entwicklungspipeline des multinationalen Konzerns ist mit 53 innovativen Projekten in den klinischen Phasen I bis III gut gefüllt, wobei der Fokus auf Krankheiten mit hohem Innovationsbedarf liegt.

Gerinnungshemmer Rivaroxaban

Zu den laut Plischke "herausragenden" Bayer-Entwicklungen im Bereich HealthCare gehört der Gerinnungshemmer Rivaroxaban (Xarelto®), der derzeit am intensivsten untersuchte Faktor-Xa-Hemmer in der klinischen Entwicklung. Mehr als 65.000 Patienten sollen an dem klinischen Entwicklungsprogramm für Rivaroxaban teilnehmen. Das Arzneimittel ist bereits in mehr als 100 Ländern zur Prophylaxe venöser Thromboembolien nach geplanten Hüft- oder Kniegelenkimplantationen bei erwachsenen Patienten zugelassen.

Darüber hinaus hat die kürzlich ausgewertete ROCKET-AF-Studie zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern gezeigt, dass die Behandlung mit Rivaroxaban hinsichtlich der Verringerung des Risikos für Schlaganfälle wirksamer als die Standard-Therapie mit Warfarin ist. Plischke ordnet Rivaroxaban ein jährliches Spitzenumsatzpotenzial von mehr als 2 Mrd. Euro zu.


Rivaroxaban ist der derzeit am intensivsten untersuchte Faktor-Xa-Hemmer in der klinischen Entwicklung.

Riociguat bei pulmonaler arterieller Hypertonie

Als weiterer vielversprechender Wirkstoff aus der Herz-Kreislauf-Forschung von Bayer wird derzeit Riociguat zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH) und der chronischen thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH) in Phase-III-Studien untersucht. Das oral einzunehmende Riociguat gehört zu der neuartigen Wirkstoffklasse der Stimulatoren des Enzyms lösliche Guanylatcyclase. Deren Aktivität wird über die körpereigene gefäßerweiternde Substanz Stickstoffmonoxid moduliert. Riociguat soll über einen zweifachen Mechanismus wirken: Einerseits soll es das Enzym für das körpereigene Stickstoffmonoxid (NO) sensibilisieren und andererseits die lösliche Guanylatcyclase direkt und unabhängig von Stickstoffmonoxid stimulieren. Dies ist bedeutsam, da die NO-Konzentration im Lungenkreislauf bei Patienten mit Lungenhochdruck vermindert ist.

Auch zwei Phase-II-Studien mit Riociguat zur Therapie der PH bei COPD und bei interstitiellen Lungenerkrankungen konnten bereits mit positiven Ergebnissen beendet werden.

Neue Kandidaten aus der Onkologie

Fortschritte vermeldet Bayer auch in der Indikation Krebs. Neben dem bereits zur Therapie von Nieren- und Leberkrebs zugelassenen Sorafenib (Nexavar®), das sich derzeit in mehr als 200 klinischen Studien gegen verschiedene Tumorarten befindet, werden laut Plischke aktuell die Wirkstoffe Alpharadin zur Therapie von Knochenmetastasen bei Hormon-refraktärem Prostata-Karzinom und Regorafenib zur Behandlung von Darmkrebs in klinischen Phase-III-Studien untersucht.

  • Alpharadin ist ein neuartiges Radiopharmazeutikum, das auf der Wirkung von Alpha-Strahlung basiert. Es lagert sich, ähnlich wie Calcium, bevorzugt in neugebildetem Knochen ein und kann deshalb dort gezielt auf die Metastasen wirken. In Phase-II-Studien konnte unter der Behandlung mit Alpharadin eine statistisch signifikante Verlängerung der allgemeinen Überlebensrate, Linderung der Schmerzen sowie ein positives Nebenwirkungsprofil nachgewiesen werden.

  • Regorafenib ist ein oraler Multi-Kinase-Inhibitor, der Signalwege des Tumorwachstums hemmt, und zwar besonders angiogene, stromale und onkogene Rezeptor-Tyrosinkinasen. So soll das Wachstum von Tumorzellen und die Blutversorgung des Tumors verhindert werden.

VEGF-Trap Eye bei Netzhauterkrankungen

VEGF-Trap Eye, ein komplett humanes, lösliches Rezeptorbindungsprotein des Wachstumsfaktors VEGF (vascular endothelial growth factor), ist eine neuartige Substanz, die zur Therapie von Netzhauterkrankungen am Auge entwickelt wird.

Fortschritte vermeldet Bayer in der Indikation Krebs. Foto: Bayer AG

Erst kürzlich hat Bayer erfreuliche Ergebnisse aus der klinischen Phase III zur Therapie der feuchten altersbedingten Makula-Degeneration mit VEGF-Trap Eye erhalten.

Das Präparat erreichte in allen Teilstudien den primären Endpunkt, der als Erhalt oder Verbesserung der Sehkraft definiert war. Die Einreichung des Zulassungsantrags für VEGF-Trap Eye ist für das erste Halbjahr 2011 geplant. Plischke beziffert das Spitzenumsatzpotenzial auf 250 bis 500 Mio. Euro jährlich.

Abschließend führte er noch zwei junge Wirkstoffe zur Therapie der Anämie bei chronischen Nierenkrankheiten bzw. der chronischen Herzinsuffizienz mit Nierenschädigung oder Diabetes an:

  • Als Alternative zu dem derzeit eingesetzten biotechnologisch hergestellten Erythropoetin (EPO) arbeitet Bayer an einem Wirkstoff, der die Produktion von EPO im Körper selbst, sogar in bereits geschädigten Nieren, wieder angeregen kann, und zwar durch eine Hemmung des Sensors HIF-PH. Ein ideales Therapeutikum wäre oral verfügbar und hätte ein geringeres Risiko für Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System. Der potenzielle Wirkstoffkandidat BAY 85-3934 hat in der Präklinik diesbezüglich ein vielversprechendes Profil gezeigt und wird seit Kurzem in einer Phase-I-Studie untersucht.

  • Bei sich verschlechternder chronischer Herzinsuffizienz mit Nierenschädigung oder Diabetes gibt es bisher nur unzureichende Behandlungsmöglichkeiten. Die Standard-Therapie kann zu Verschiebungen im Elektrolythaushalt mit gefährlichen Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System des Patienten führen und ist oft nicht effizient genug. Ein neuartiger Hemmstoff des Mineralocorticoid-Rezeptors mit dem Substanz-Code BAY-94-8862 wird bei Bayer seit dem vergangenen Jahr in Phase-I-Studien untersucht, nachdem in der Präklinik eine ausgezeichnete Selektivität und Effizienz beobachtet worden waren.

Vernetzung der Forschung durch "Grants4Targets"

Rund 22% des Forschungsbudgets investiert Bayer nach Plischkes Ausführungen in ein Netzwerk zur Ergänzung der eigenen Kompetenzen. Hierzu wurde bei Bayer HealthCare eine offene Initiative zur Grundlagenforschung mit dem Namen "Grants4Targets” ins Leben gerufen. Innerhalb dieser Initiative stellt Bayer Geld für die Weiterentwicklung vielversprechender pharmazeutischer Targets zur Verfügung und erhofft sich hierdurch innovative Ideen von akademischen Partnern. Seit Beginn des Programms im Mai 2009 sind bereits rund 280 Vorschläge aus Europa, Amerika und Asien eingegangen, von denen bisher mehr als 40 akzeptiert wurden.



DAZ 2011, Nr. 1, S. 36

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.