Feuilleton

Die Welt der Palmen

In "Die Welt der Palmen" führt eine Sonderausstellung des Botanischen Gartens und des Botanischen Museums Berlin-Dahlem. Im Botanischen Garten führt ein Palmenpfad zu 21 verschiedenen Arten. Im Museum wird das Thema unter biologischen, kultur- und kunsthistorischen, ethnografischen und wirtschaftlichen Aspekten dargestellt.
Foto: Frank Olaf Ritter
Die Kanarische Dattelpalme (Phoenix canariensis, vorn und an den ­Bildrändern) ist auf den Kanarischen Inseln heimisch und wird wegen ihrer guten Anpassungsfähigkeit weltweit am häufigsten in Parks und Gärten kultiviert – bei uns in Kübeln, weil sie im Winter ins Kalthaus muss. Früher wurde durch Anritzen ihres Vegetationskegels "Palmhonig" gewonnen.

Gartencenter und Discountmärkte offerieren neuerdings "winterharte Palmen". Die Werbung klingt zwar wie ein Aprilscherz, ist aber nicht zu dick aufgetragen: Größere Exemplare der Chinesischen Hanfpalme (Trachycarpus fortunei) können mitteleuropäische Winter durchaus unbeschadet überstehen, wenn sie ausreichend vor strengen Frösten und Wind geschützt sind, wie zahlreiche Exemplare in Botanischen Gärten und auch Privatgärten zeigen. Wie viele der jetzt massenhaft verkauften Hanfpalmen den nötigen Winterschutz erhalten und das nächste Frühjahr erleben, bleibt abzuwarten.

Als der bayerische Arzt, Naturforscher, Ethnologe und Botaniker Philipp Franz Balthasar von Siebold (1796 – 1866) 1830 erstmals Samen der vom Himalaja bis nach Thailand und China heimischen Hanfpalme in Mitteleuropa einführte, wäre hier eine ganzjährige Freilandkultur noch nicht möglich gewesen. Erst infolge des Klimawandels in den letzten Jahrzehnten konnte sie sich allmählich in gemäßigten Klimazonen etablieren und ist nun von acht Trachycarpus-Arten weltweit die am häufigsten kultivierte Spezies.

Bereits in den späten 1970er Jahren wurden in den Wäldern des Kantons Tessin erstmals wildwachsende Populationen als weltweit nördlichstes Vorkommen gesichtet. Inzwischen beobachten Wissenschaftler, dass auch nördlich der Alpen ausgebrachte Trachycarpus-Samen zumindest sporadisch keimen. Werden sich Hanfpalmen bald ähnlich wie andere Neophyten (z. B. die aus der Neuen Welt stammende Goldrute Solidago virgaurea vor 250 Jahren) in ganz Mitteleuropa einbürgern? Eine kühne, aber nicht realitätsferne Vision, die sicherlich vielen Menschen gefällt. In den gemäßigten Klimazonen der Erde gelten Palmen seit jeher als Inbegriff von Tropen, Urlaub und Fernweh.


Garten und Museum


Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem

Königin-Luise-Str. 6 – 8, 14195 Berlin

Tel. (0 30) 8 38-5 01 00, Fax 8 38-5 01 86

www.bgbm.org

Öffnungszeiten: Garten im Oktober 9 – 18 Uhr, November und Dezember 9 – 16 Uhr;

Museum täglich 10 – 18 Uhr (geschlossen nur am 24. 12.)

Katalog: Die Welt der Palmen – The World of Palms. 84 Seiten, viele Abb. ISBN 978-3-921800-69-0


Die Zwergpalme (Chamaerops humilis) ist eine von zwei in Europa endemischen Palmenarten. Die Römer verglichen ihre fächerartigen Blätter mit der gespreizten Hand (lat. palma). Die zweite europäische Palmenart ist die an nur wenigen Standorten auf Kreta und an der türkischen Südwestküste vorkommende ­Phoenix theophrasti. Foto: Frank Olaf Ritter

Große, vielseitige Familie

Fossilien belegen, dass es seit mindestens 89 Millionen Jahren Palmen (Arecaceae) gibt. Mit etwa 2400 rezenten Arten in 183 Gattungen sind sie eine der größten und zugleich vielfältigsten Pflanzenfamilien. Sie sind auf allen fünf Kontinenten zwischen dem 44. Grad nördlicher Breite (Chamaerops humilis in Südfrankreich) und dem 44. Grad südlicher Breite (Rhopalostylis sapida auf den Chatham Islands nahe Neuseeland) verbreitet. Dabei ist ihre Diversität regional sehr unterschiedlich: Zwischen der Malaiischen Halbinsel und Neuguinea wachsen fast 1000 Arten endemisch, in der Neuen Welt etwa 730 Arten und in Afrika nur 65 Spezies. Es werden immer noch neue Arten entdeckt. So wurden im vorigen Jahr 14 auf Madagaskar entdeckte Spezies erstmals wissenschaftlich beschrieben.

Der Chirurg, Botaniker und Ethnograph Carl Friedrich Philipp von Martius (1794 – 1868) machte sich mit seinem Werk "Historia Naturalis Palmarum" (1823 – 1853 zusammen mit Hugo von Mohl und F. J. A. N. Unger; Neuauflage 1856 – 57 unter dem Titel "Genera et species Palmarum") einen Namen als "Vater der Palmen". Bis heute sind mindestens acht weitere Klassifikationen der Palmen veröffentlicht worden; die jüngste erschien erst vor drei Jahren; aufgrund von DNA-Untersuchungen gliedert sie die Familie in fünf Unterfamilien und rekonstruiert auch die Evolution der Palmen.

Die meisten Palmen wachsen baum- oder strauchförmig. Es gibt aber auch Ausnahmen. Die im Südosten der USA in sommergrünen Laubwäldern endemische Zwergpalmettopalme (Sabal minor) zum Beispiel hat in der Regel einen kurzen unterirdischen Stamm. Deshalb erweckt sie den Anschein, dass ihre fächerförmigen Blätter direkt aus dem Erdboden sprießen. Die in tropischen Wäldern der Alten Welt verbreiteten Rattanpalmen (Calamus spp.) klettern an den Stämmen von "Wirtsbäumen" empor bis in die Kronen.

Die Dumpalme (Hyphaene thebaica) ist die einzige Palme, deren Stamm sich verzweigt. Hier wächst sie am Katarakt des Nils bei Assuan. Aus: Carl Friedrich Philipp von Martius, Historia naturalis palmarum, Leipzig 1837 – 1853, Bd. 3, Tab. 131.

Die erst 1993 in madegassischen Wäldern entdeckte Ravenea musicalis hat sich perfekt an das Leben auf während der Regenzeit monatelang überflutetem Terrain angepasst. Ihre Keimlinge bilden dünne Schwimmblätter aus, mit deren Hilfe sie einige Jahre unter Wasser überleben können. Erst danach wächst der Stamm über den Wasserspiegel hinaus und wird schließlich bis zu 20 Meter hoch.

Die ebenfalls auf Madagaskar heimische, vom Aussterben bedrohte Marojejya insignis fängt in ihrem Blattschopf herabfallende organische Abfälle auf, die die Palme mit Nährstoffen versorgen. Nicht selten siedeln sich dort auch Epiphyten an.

Nutzpflanzen

Viele Palmenarten werden seit Menschengedenken als Nutzpflanzen verwertet und einige sogar als Kulturpflanzen angebaut. Stämme und Wedel älterer Exemplare können als Baumaterialien verwendet werden. Die schlanken elastischen Stämme von Rattanpalmen sind hervorragend für die Herstellung von Möbeln geeignet. Matten, Seile und viele andere Gebrauchstextilien werden heute noch aus Palmfasern hergestellt.

Noch größere Bedeutung haben Palmen für die Ernährung der Weltbevölkerung. Die ursprünglich in den westafrikanischen Regenwäldern heimische Ölpalme (Elaeis guineensis) wird heute auch in der Neuen Welt und Asien angebaut. Das Öl ihrer Früchte ist sowohl Speiseöl als auch Rohstoff für Seife und neuerdings für die Herstellung von Biodiesel. Die Weltproduktion hat sich seit 1995 mehr als verdoppelt.

Foto: Frank Olaf Ritter
Die Chinesische Hanfpalme (Trachycarpus fortunei) ist sehr robust. Sie ist die einzige Palme, die in Mitteleuropa ganzjährig im Freiland wachsen kann (anfangs nur mit Winterschutz!).

Die im indomalaiischen Raum verbreitete Sagopalme (Metroxylon sagu) ist nicht nur für die dortige Bevölkerung ein wichtiger Lieferant für Kohlenhydrate, sondern wird in den Küchen der Welt insbesondere als Quellmittel verwendet. Wenn "Palmherzen" auf der Speisekarte stehen, schlagen die Herzen von Gourmets höher. Die nussartig schmeckende Delikatesse wird aus den Vegetationskegeln der in niederschlagreichen Regionen Südamerikas heimischen, bis zu 40 m hohen Euterpe edulis zubereitet.

Die Kokospalme (Cocos nucifera) wird im gesamten Tropengürtel kultiviert. Ihr Ursprung liegt vermutlich in Melanesien. Weil Salzwasser der Keimfähigkeit ihrer "Nüsse" (aus botanischer Sicht: Steinfrüchte) nicht schadet, hat sie sich offenbar schon auf natürlichem Wege über die Meere verbreitet, bevor der Mensch sie in Kultur nahm.

Für die Bewohner der regenwasserarmen Südsee-Atolle war das in unreifen Früchten reichlich vorhandene Kokoswasser überlebenswichtig. Heute ist das getrocknete Fruchtfleisch (Kopra) ökonomisch am wichtigsten. Weitere Produkte sind Kokosöl und -milch sowie der aus den Blütenständen gewonnene Palmnektar, der zu Palmwein, Palmhonig und Palmessig verarbeitet wird.

Datteln versüßen den Mitteleuropäern die Adventszeit. In den Wüsten Arabiens und Nordafrikas zählen die Früchte von Phoenix dactylifera aufgrund ihres hohen Gehalts an leichtverdaulichen Zuckern, Proteinen, Mineralsalzen und Vitaminen traditionell zu den wichtigsten Nahrungsmitteln von Mensch und Vieh. Ihre Kulturgeschichte lässt sich etwa 6000 Jahre zurückverfolgen. Laut Homer sah Odysseus auf der Insel Delos am Heiligtum des Sonnengottes Apoll eine Palme und benannte sie nach ihrer angeblichen Heimat Phönizien. Die Legende erzählt, dass sie zwischen Euphrat und Tigris aus himmlischem Feuer und irdischem Wasser geboren wurde.


Literaturtipp

Geschichte der Dattelpalme


Die erste Monografie über die Dattelpalme aus botanischer und ökonomischer Sicht publizierte der Arzt Engelbert Kaempfer im Jahr 1712. Er hatte sich jahrelang im Iran aufgehalten und den Baum, der damals in europäischen Gewächshäusern noch nicht anzutreffen war, gründlich studiert und seinen landwirtschaftlichen Anbau beschrieben. Der lateinische Text liegt auch in deutscher Übersetzung vor und ist im Antiquariat erhältlich:

Engelbert Kaempfer: Phoenix persicus – Die Geschichte der Dattelpalme. 227 Seiten, Marburg 1987. ISBN 978-3925347030.


Die Kentiapalme (Howea forsteriana) von der Lord-Howe-Insel (Australien) ist mit ihren filigran gefiederten Wedeln ein Schmuckstück tropischer Gärten; sie wird bis 20 m hoch. Foto: Frank Olaf Ritter

"Betelnüsse"

Die einzige Palme mit psychoaktiven Substanzen ist die aus Südostasien stammende Betelpalme (Areca catechu). Ihre Samen, die sogenannten "Betelnüsse", enthalten Alkaloide, insbesondere Arecolin, und stehen nach Coffein, Nicotin und Alkohol an vierter Stelle in der weltweiten Rauschmittelstatistik. Sie werden zusammen mit Blättern oder Blüten des Betelpfeffers (Piper betle) und Kalk gekaut und wirken stimulierend und appetitzügelnd. Bei starkem Konsum begünstigen sie die Entstehung von Mundhöhlenkarzinomen.


Reinhard Wylegalla



Seit fünf Jahren wird im ­Botanischen Garten Berlin-Dahlem ein "lebendes Fossil" kultiviert: Wollemia nobilis. Foto: Frank Olaf Ritter

Australiengewächshaus


Wollemia – ein "lebendes Fossil"

Als der australische Parkranger David Noble 1994 zufällig in einer schwer zugänglichen Schlucht des Wollemi-Nationalparks ein ihm unbekanntes Gehölz mit koniferenartigem Habitus entdeckte, ahnte er nicht, dass es sich um ein "lebendes Fossil" handelte. Botaniker fanden den Fund sensationell und benannten die neue Art dem Ranger zu Ehren Wollemia nobilis.

Wollemia ist neben Araucaria und Agathis die dritte Gattung in der Familie der Araukariengewächse und war vorher nur durch Fossilien in 65 bis 90 Millionen Jahre alten Gesteinen bekannt.

Wollemia nobilis erreicht eine Höhe von bis zu 40 Metern. Im fortschreitenden Alter entwickelt sie eine blasige Rinde, die an blubbernde Schokolade erinnert. Ihre Nadeln ähneln den Nadeln der Eibe, sind aber deutlich heller. Der Baum ist monözisch: Er trägt sowohl männliche als auch weibliche Zapfen; die letzteren werden zur Samenreife zusammen mit den Zweigen, an denen sie hängen, abgeworfen.

Molekularbiologische Untersuchungen ergaben, dass das Erbgut der Bäume eine extrem geringe Diversität aufweist; die Ursache ist, dass sie sich seit längerer Zeit nur vegetativ vermehrt haben. Deswegen wird die Frage diskutiert, wie Wollemia nobilis bis in die Gegenwart überleben konnte. Derzeit ist sie an ihrem natürlichen Standort durch den aus Südostasien eingeschleppten Pilz Phytophthora cinnamoni stark gefährdet.

Schon bald nach der Entdeckung des "lebenden Fossils" wurde in Australien unter der Federführung des Botanischen Gartens in Sydney eine Aktion zu seiner Vermehrung initiiert. Die Firma Wollemi Australia hat Tausende Jungpflanzen vegetativ herangezogen und weltweit verbreitet. Seit 2006 werden Wollemien auch in Deutschland kommerziell angeboten. Im selben Jahr erhielt der Botanische Garten Berlin-Dahlem ein Exemplar, das mittlerweile drei Meter hoch ist und im Australiengewächshaus (Haus M) zu bewundern ist.

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