Feuilleton

Kaffee – ein globaler Erfolg

Von der Kolonialware zum Allerweltsgetränk

BERLIN (wyl) | Die historischen, wirtschaftlichen, biologischen und ökologischen Aspekte rund um den Kaffee thematisiert bis zum 23. Februar 2014 eine Sonderausstellung im Botanischen Museum Berlin-Dahlem. Im benachbarten Botanischen Garten führt ein Kaffeepfad zu lebenden Kaffeesträuchern und zu Pflanzen, die als Surrogat für Kaffee genutzt wurden.

Kaffee wird heute in vielen Varianten zu mannigfachen Gelegenheiten getrunken. Der weltweite Tageskonsum des populärsten alkoholfreien Getränks beträgt 1,6 Milliarden Tassen. Nur wenigen Genießern ist wohl aber die Bedeutung der Kaffeekultur als Wirtschaftsfaktor bewusst. Für viele Entwicklungsländer sind Kaffeebohnen das wichtigste agrarische Exportprodukt. Weltweit arbeiten etwa 25 Millionen Menschen im Anbau, in der Verarbeitung und im Vertrieb von Kaffee. So bietet die Kaffeebranche etwa 100 Millionen Menschen eine Existenzgrundlage. Das natürliche Verbreitungsgebiet der mehr als 100 Arten zählenden Gattung Coffea reicht vom tropischen Afrika über Madagaskar bis La Réunion und Mauritius. Sie gehört zur Familie der Rötegewächse (Rubiaceae; über 600 Gattungen) und ist u.a. mit dem Chinarindenbaum und der Ipecacuanha, aber auch mit dem Waldmeister und dem Echten Labkraut verwandt. Der wichtigste Lieferant der Kaffeebohnen ist die stark variierende, aus Kaffa im südwest-äthiopischen Hochland stammende und dort noch heute wild wachsende Spezies Coffea arabica (Arabica-Kaffee). Ein Drittel der Welternte stammt von der im Tiefland des tropischen Westafrika bis nach Angola und Tansania heimischen Coffea canephora (Robusta-Kaffee).

Fotos: Frank-Olaf Ritter
Blüten und Früchte an Zweigen von Coffea arabica.

Die Anfänge in Äthiopien

Der aus dem Orient stammende, in Rom lehrende Mönch Antonio Fausto Naironi (1635–1707) behauptete in seinem Werk „De saluberrima potione cahve“ (1671), dass in Äthiopien um 850 n.Chr. erstmals Kaffee getrunken wurde: Ein Hirt hatte beobachtet, dass seine Ziegen ungewöhnlich lebhaft wurden, nachdem sie von einem Strauch die leuchtend roten Früchte gefressen hatten. Er kostete selbst davon und fühlte sich daraufhin überaus angeregt. Ein Abt, dem der Hirt über sein Erlebnis berichtete, vermutete ein „Teufelswerk“ und warf die Früchte ins Feuer. Daraufhin breitete sich im Kloster ein köstlicher Duft aus, der die Mönche anlockte. Sie holten die gerösteten „Bohnen“ aus der Asche und legten sie in einen Topf mit heißem Wasser. Fortan tranken sie täglich von dem Aufguss, um für die Nachtgebete wach zu bleiben.

Der heimische Waldmeister (Galium odoratum) ist mit dem Kaffeestrauch verwandt; beide gehören zu den Rötegewächsen (Rubiaceae).

Ausbreitung im Orient

Spätestens im 13. Jahrhundert wurde der Kaffee im Jemen bekannt. Dort schätzten islamische Mönche (Sufis) ihn ebenfalls als Muntermacher für die Nachtgebete. In den 1540er Jahren begannen die Bauern im jemenitischen Hochland, Coffea arabica äthiopischer Herkunft zu kultivieren. Da diese Art (als einzige Coffea-Art) autogam ist, reichte wenig Saatgut aus, um binnen kurzer Zeit größere Bestände heranzuziehen. Der Mangel der genetischen Diversität wurde durch Selektion ausgeglichen. Die jemenitischen Kaffeebauern hüteten ihr Monopol, indem sie das wertvolle Handelsgut vor dem Vertrieb mit heißem Wasser keimunfähig machten. Die Ausfuhr erfolgte über die Hafenstadt Mokka am Roten Meer.

Allmählich verbreitete sich der „Wein des Islam“ über die Handels- und Pilgerwege im gesamten islamischen Kulturkreis. Dem osmanischen Geschichtsschreibers Ibrahim Peçevi (1574–1649) zufolge eröffneten bereits um 1550 zwei aus Syrien stammende Männer im Istanbuler Stadtteil Tahtakale ein großes Kaffeegeschäft. Der Augsburger Arzt Leonhart Rauwolf (1535–1596) machte 1574 in Aleppo Bekanntschaft mit einem „gut getränck, welches sie hoch halten, chaube (Kaffee) von ihnen genennet, das ist gar nahe wie Dinten (Tinte) so schwartz“, wie er in seiner 1582 publizierten Reisebeschreibung berichtete.

Ein weiterer Europäer, der früh den Kaffee kennenlernte, war der italienische Arzt und Botaniker Prospero Alpini (1553–1617). Nach der Rückkehr von einem dreijährigen Aufenthalt in Ägypten schilderte er in „De medicina Aegyptiorum“ (1591) nicht nur der Ägypter „leidenschaftliche Begeisterung vom Kaffee“ und „dass sie sich ihm mit Freude hingeben“. Sein Werk ist auch das erste in Europa, in dem ein Kaffeestrauch abgebildet ist.

Nasspräparat von Coffea liberica, die nur geringe wirtschaftliche Bedeutung hat. Es stammt aus dem botanischen Garten Buitenzorg in Bogor, Java.

Der Kaffee kommt nach Europa

Anders als in der muslimischen Welt verfehlte der Kaffee zunächst den europäischen Geschmacksnerv. Als einer der ersten Europäer freundete sich Papst Clemens VIII. (1536–1605) mit dem neuen Getränk an; er soll das Ansinnen, Kaffee als Teufelswerk zu verurteilen, abgelehnt und ihn stattdessen „getauft“ haben.

Auch Gelehrte befassten sich zusehends mit den „braunen Bohnen“ und ihren möglichen medizinischen Eigenschaften, so der englische Philosoph Francis Bacon (1561–1626) in seinem Werk „Sylva sylvarum or A natural history in ten centuries“. Ihr wichtigster Inhaltsstoff, das anregend wirkende Alkaloid Coffein, wurde allerdings erst 1820 isoliert, nämlich durch den Apotheker und Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge (1794–1867), nachdem er, einer Anregung Joh. Wolfgang Goethes (1749–1832) folgend, Kaffeebohnen in seinem Laboratorium destilliert hatte.

Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde in den großen europäischen Hafenstädten immer mehr Rohkaffee gelöscht, und dort wurden auch die ersten Kaffeehäuser eröffnet, so 1645 in Venedig, 1663 in Amsterdam und 1671 in Marseille.

Karriere als Kolonialware

Ab Ende des 17. Jahrhunderts versuchten die Niederländer, die seit 1620 eine Handelsniederlassung in Mokka unterhielten und auf unbekannte Weise in den Besitz von keimfähigem Samen gekommen waren, selbst Kaffee anzubauen; sie pflanzten Kaffeesträucher sowohl im Gewächshaus des botanischen Gartens von Amsterdam als auch in ihren Besitzungen an der südwestindischen Malabarküste und auf Java (etwas später auch auf Ceylon = Sri Lanka und Ambon, Molukken).

Etwa zur gleichen Zeit soll der indische Mekkapilger Baba Budan keimfähigen Kaffeesamen aus dem Jemen geschmuggelt und die Setzlinge erfolgreich in dem heute nach ihm benannten Bergland (in Karnataka) ausgepflanzt haben.Den größten Erfolg erzielten die Niederländer im Bergland bei Batavia (Jakarta, Java). Im Jahr 1712 kam von dort der erste Kolonialkaffee in die Niederlande – damit war das Kaffeemonopol des Jemen gebrochen. Im selben Jahr etablierten die Niederländer den Kaffeeanbau in der Neuen Welt, nämlich in ihrer Kolonie Surinam. Ihre Absicht, dort ein neues Monopol zu errichten, scheiterte allerdings, denn schon bald legten auch Spanier, Franzosen, Portugiesen und Engländer Kaffeeplantagen in ihren amerikanischen Kolonien an.

Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem

Königin-Luise-Straße 6–8, 14195 Berlin

Tel. (030) 83 85 01 00, Fax 83 85 01 86

www.bgbm.org

Täglich geöffnet: Museum von 10 bis 18 Uhr, Botanischer Garten von 9 Uhr bis Abenddämmerung

Katalog „Kaffee – ein globaler Erfolg“: 182 Seiten, 10,20 Euro, ISBN 978-3-921800-87-4

Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Wildbestände

Heute wird Kaffee in mehr als 80 tropischen und subtropischen Ländern angebaut. Wurden die Sträucher früher ihrem natürlichen Umfeld entsprechend im Schatten großer Bäume kultiviert, so legt man heute auf gerodeten Flächen große, unbeschattete Monokulturen an, um die Reifezeit der Früchte zu verkürzen und das Land effektiv zu nutzen. Die Folgen sind nicht unbeträchtlich: Zugvögel finden keinen Unterschlupf mehr, Schädlinge können sich in den Plantagen überproportional vermehren. Der Einsatz der chemischen Keule schädigt wiederum die Umwelt und wirkt sich nachteilig auf die Biodiversität aus. Nach Erkenntnissen des World Wide Fund for Nature (WWF) wurden allein zwischen 1990 und 1995 in den 25 wichtigsten Kaffee-Exportländern jährlich 70.000 m2 Fläche zugunsten des „Sonnenkaffees“ entwaldet. Der WWF fordert daher Kultivierungsmethoden, die im Einklang mit der Umwelt stehen und trotzdem wirtschaftlich vertretbar sind.

Um den Kaffee in seiner breiten genetischen Vielfalt und somit auch die Kaffeekultur für die Zukunft zu bewahren, hat das Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn in Partnerschaft mit äthiopischen Forschungsinstituten vor rund zehn Jahren ein Projekt zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung wilder Kaffeesträucher in den Bergregenwäldern Äthiopiens (CoCE) ins Leben gerufen. Mittlerweile wurde dort zur Erhaltung der Biodiversität ein Unesco-Biosphärenreservat ausgewiesen.

Reinhard Wylegalla

 

Karen Nieber,

Schwarz und stark

Wie Kaffee die Gesundheit fördert

144 Seiten, 46 Abbildungen, 8 Tabellen. 19,80 Euro

S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2013,

ISBN 978-3-7776-2161-6

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