DAZ Feuilleton

Kamelie – Comeback eines exotischen Zierstrauchs

Wenn in den Schaugewächshäusern der botanischen Gärten und Gärtnereien die Kamelien ihren exotischen Flor entfalten, steht für wenige Wochen eine beinahe vergessene Pflanzengattung wieder im Mittelpunkt des Interesses. Im 19. Jahrhundert als "Kultblumen" geschätzt und begehrt, sind die ostasiatischen Schönheiten heute Raritäten und werden nur noch von wenigen Berufsgärtnern und Liebhabern kultiviert.

Die etwa 250 immergrünen Arten der Gattung Camellia (Theaceae) sind von Nepal über den Süden Chinas bis Vietnam, Korea und Japan vor allem in feuchten Bergwäldern heimisch und können sich nicht an das Raumklima in modernen Wohnungen anpassen. Längst hat sich aber herausgestellt, dass auch in Mitteleuropa etliche Sorten und Hybriden erfolgreich im Freiland überwintert werden können. Am besten gedeihen sie an kühlen, absonnigen Standorten mit guter Luftzirkulation. Insbesondere einige Sorten und Hybriden der Camellia japonica, aber auch die herbstblühende Camellia sasanqua tolerieren Frost, sofern sie mindestens fünf Jahre alt sind und ihre spezifischen Anforderungen an Standort und Mikroklima erfüllt werden. Das ermöglicht den einst so populären Zierpflanzen ein Comeback.

Eine Art – 30.000 Sorten

Schon in frühgeschichtlicher Zeit wurden in China die Blätter von Camellia sinensis, der Teepflanze, als Nahrungs- und Genussmittel verwendet. Die älteste japanische Überlieferung über die Aufbereitung von Teeblättern stammt aus dem Jahr 729.

Vor über tausend Jahren fand Camellia japonica Eingang in chinesische und japanische Ziergärten. Aus der relativ unscheinbar blühenden Urform wurden zahlreiche Sorten mit gefüllten, gefransten und gestreiften Blüten gezüchtet, die unter anderem bei Hof- und Teezeremonien eine wichtige Rolle spielten. Heute gibt es etwa 30.000 Kamelien-Sorten und -Hybriden mit aufrechtem, strauchförmigem oder hängendem Habitus. Das Farbspektrum der Blüten reicht von Weiß über Rosa und Lachsrot bis Dunkelrot.

Im Reich der Mitte symbolisierten Kamelien mit einfachen Blüten Freundschaft, Eleganz und Harmonie. Weil die (roten) Blütenblätter einzeln wie Blutstropfen in den Schnee fallen, steht die Kamelienblüte in Japan für Tod und Vergänglichkeit. Als erster europäischer Autor beschrieb George Meister 1692 in seinem Reisebericht "Der Orientalisch-Indianische Kunst- und Lust-Gärtner" die japanischen Kamelien: "Arbor Zuwacky oder Sasanqua auf Chinesisch. Ist ein kleiner Baum, 6 bis 8 Fuß hoch, hat dicke, steife rundum gekerbte Blätter wie Birn-Baum-Blätter. Seine Blumen sind rot wie Malva hortensis, einfach und duppelt. Wenn sie sechs Tage geblühet, fallen sie ab und bringen einen schwarzen Samen, wie Tee-Samen, herfür. Die Zweige sind asch-grau, ausbreitend von ihrer Wurzel. Von dem getrockneten Samen schlagen sie ein Öl ab, mit welchem, wegen guten Geruchs, japonische Frauenzimmer ihre langen schwarzen Haare schmieren."

Ein Apotheker stand Pate

Bereits im 16. Jahrhundert hatten portugiesische Seefahrer aus Macao die ersten Kamelien in ihrer Heimat eingeführt, die aber nicht weiter kultiviert wurden. 1735 beschrieb Carl von Linné aufgrund von Literaturberichten die Gattung und nannte sie Camellia, zu Ehren des Jesuiten Georg Joseph Kamel (1661 – 1706), der in Manila als Apotheker und Arzt gewirkt und die dortige Flora erforscht hatte. Da Kamel jedoch keine Kamelie beschrieben hat, ist anzunehmen, dass er selbst die posthum nach ihm benannte Pflanze nie gesehen hat.

1739 wurde über die ungefüllte rot blühende Camellia japonica im Garten eines englischen Adeligen berichtet. Gut fünf Jahrzehnte später entfaltete erstmals in Europa eine Camellia japonica 'Alba Plena' ihren Flor. Weil damals insbesondere an den Höfen das Sammeln von Ostasiatika im Trend lag, gewannen auch Kamelien rasch zahlreiche Liebhaber. Die Ziersträucher wurden in fürstlichen Gärten kultiviert, Damen mit Rang und Namen schmückten sich mit den exotischen Blüten. Alexandre Dumas' "Kameliendame", die Giuseppe Verdi als Stoff für "La Traviata" diente, ist das bekannteste Beispiel dafür, dass die Sträucher aus dem Fernen Osten auch Literaten und Komponisten inspirierten.

Kamelienzucht in Sachsen

Die älteste Kamelie Europas wächst im Pillnitzer Park, unweit von Dresden; sie wurde aus Japan importiert, gelangt über England nach Sachsen und ist etwa 220 Jahre alt. Sachsen gilt darüber hinaus als Wiege der gewerblichen Kamelienzucht in Europa. Jacob Friedrich Seidel, Sohn des Dresdner Hofgärtners Johann Heinrich Seidel, hatte als Gärtnergehilfe im Pariser "Jardin des Plantes" beobachtet, dass Kamelien ausgerechnet in der blütenarmen Jahreszeit ihren prächtigen Flor entfalten. Bei seiner Heimkehr, 1812, nahm er sich einige Stecklinge mit und gründete ein Jahr darauf mit einem Bruder in Dresden eine Gärtnerei, die sich zusehends auf die Zucht und Vermehrung von Kamelien spezialisierte. Während sie 1824 neunzehn Sorten kultivierte, umfasste das Sortiment knapp zwanzig Jahre später bereits 1100 Züchtungen.

Nachdem auch andere Gärtner Sachsens den Trend der Zeit erkannt hatten, wurden von Dresden aus Kamelien an Kunden in ganz Europa geliefert. Das Erbe des ersten deutschen Kamelienzüchters, die kleine, aber historisch und genetisch bedeutsame Kameliensammlung in Pirna, wurde 1993 unter Denkmalschutz gestellt und befindet sich seitdem im Eigentum des Freistaats Sachsen. Reinhard Wylegalla

Internet

Deutsche Kameliengesellschaft e. V., Stahlbühlring 96, 68526 Ladenburg, Tel. (0 62 03) 1 31 98, Fax (0 62 03) 92 24 54, www.kamelien-online.de International Camellia Society, Rolf Tiefenbach, Am Mühlenbach 12, 27711 Osterholz-Scharmbeck, Tel. (0 47 91) 5 76 69, www.camellia-ics.org Die Pillnitzer Kamelie www.pillnitz.com/kamelie.html

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