Arzneimittel und Therapie

Möglicher neuer Therapieansatz bei Entzündungen

Auf einen potenziell schädlichen äußeren Reiz reagiert der Körper mit dem Ziel, diesen zu beseitigen, seine Ausbreitung zu unterbinden oder eingetretene Schäden zu reparieren. Eine Entzündung ist das manifeste Ergebnis der Aktivitäten, die vorwiegend vom Immunsystem gesteuert werden. Diese Abwehr kann jedoch zu erheblichen übersteigerten Reaktionen führen, die einer Therapie schwer zugänglich sind. Einen neuartigen Therapieansatz, der auf eine Steuerung des Immunsystems durch "Lenkmoleküle" zielt, zeigen Wissenschaftler der Berliner Charité auf.
Foto: Wyeth Pharma GmbH
Chronische und immunologische Entzündungen Ein neuer Therapieansatz richtet sich auf "Lenkmoleküle", die die körpereigene Immunabwehr reduzieren und eine übermäßige und schädliche Entzündung verhindern können.

Bei Entzündungen kommt es zu charakteristischen Veränderungen auf molekularer Ebene. In verschiedenen zellulären Signalwegen führen die auslösenden Reize zu Änderungen der Aktivität wichtiger regulatorischer Faktoren mit der Folge spezifischer Änderungen des Genexpressionsmusters. So kann die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB durch verschiedene Antigene und Noxen die Genexpression in betroffenen Zellen schnell und gezielt ändern. Die sich unmittelbar anschließende Expression von Zytokinen und Zelladhäsionsmolekülen führt dann zu einer Verbreitung der Entzündung auf andere Zellen.

Lenkmoleküle steuern Entzündungsreaktion

Diese natürliche und grundsätzlich sinnvolle Abwehrreaktion des Körpers kann jedoch zu einer "Überreaktion" des Immunsystems und damit zur Verschlimmerung der Entzündungsreaktionen führen. Chronische und immunologische Entzündungen sind die Folge. Die Therapie solcher Erkrankungen gestaltet sich häufig schwierig, und eine konventionelle Behandlung mit Entzündungshemmern zeigt vielfach erhebliche negative Wirkungen.

Der grundsätzlich neue Therapieansatz, den Wissenschaftler vom Berlin-Brandenburger Centrum für Regenerative Therapien (BCRT) jetzt gezeigt haben, hat seinen Ursprung in Ergebnissen, die bei neurologischen Forschungsarbeiten gewonnen wurden. Hier wurden zwei unterschiedliche Lenkmoleküle mit anziehender bzw. abstoßender Wirkung nachgewiesen, die das Wachstum von Nervenzellen zum eigentlichen Ziel dirigieren. Das abstoßende Lenkmolekül RGM-A (neuronal repulsive guidance molecule-A) hat darüber hinaus eine weitere, bislang nicht bekannte Funktion in der Immunabwehr. Der endogene Inhibitor wird im Epithel und in den Leukozyten exprimiert und hemmt über den Rezeptor Neogenin die Wanderung der Leukozyten. Ein Modellversuch, bei dem eine Peritonitis durch Zymosan A induziert wurde, führte zu einer Unterdrückung der Entzündungsreaktion. Umgekehrt konnte diese Wirkung bei Mäusen mit einer Mutation im neo1-Genort, der den Rezeptor Neogenin codiert, nicht beobachtet werden.

Die Berliner Wissenschaftler sind überzeugt, einen neuen, spezifischen Therapieansatz gegen Entzündungen unterschiedlicher Art gefunden zu haben, der im Vergleich zu konventionellen Therapien auch mit weniger Nebenwirkungen verbunden sein könnte. Als mögliche Anwendungsfelder werden Therapien bei Entzündungsreaktionen wie Blutvergiftungen, aber auch bei chronischen und immunologischen Entzündungen wie Rheuma und Organabstoßungen genannt.


Quelle

Mirakaj, V.: et al.: Repulsive guidance molecule-A (RGM-A) inhibits leukocyte migration and mitigates inflammation. Proc. Natl. Amer. Sci. doi: 10.1073/ pnas. 1015605108 vom 5. April 2011.

BCRT-Forscher finden neuartigen Therapieansatz bei Entzündungsbekämpfung. Mitteilung vom 8. April 2011, bcrt.charite.de


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 16, S. 39

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