Schleswig-Holsteinischer Apothekertag

Atemwege – viele Krankheiten, große Probleme und neue Chancen

Fortbildung auf dem Schleswig-Holsteinischen Apothekertag

Bericht von Thomas Müller-Bohn

Husten ist einer der häufigsten Gründe für den Besuch in der Allgemeinarztpraxis. Die ambulant erworbene Pneumonie ist der häufigste Grund für eine Krankenhauseinweisung. Das Lungenkarzinom ist die häufigste Krebsart. Asthma und COPD erfordern oft eine jahrzehntelange Behandlung und bieten sich als Aufgabengebiet für die pharmazeutische Betreuung an. So gibt es viele Gründe, Atemwegserkrankungen näher zu betrachten. Diese Erkrankungen waren das Thema des Fortbildungsprogramms beim Schleswig-Holsteinischen Apothekertag am 12. und 13. März im Ostseebad Damp. Die Veranstaltung wurde von Prof. Dr. Walter Raasch, Lübeck, organisiert und moderiert.
(Bericht über den berufspolitischen Teil in DAZ Nr. 11, S. 72)
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Prof. Dr. Walter Raasch, Lübeck, war Organisator und Moderator der Fortbildungsveranstaltung in Damp. 

Husten – ein Symptom und viele Ursachen

Aus der Perspektive des Allgemeinmediziners machte Dr. Claudia Levin, München, deutlich, wie vielfältig die Ursachen für das Symptom Husten sein können. Husten ist eine Reaktion auf einen Reiz innerhalb der Atemwege, auf eine äußere Einwirkung oder auf ein Geschehen in einem anderen Organsystem, z. B. Nebenhöhlen, äußerer Gehörgang, Rippenfell oder Magen. Sehr häufige Ursachen für Husten sind Erkältung oder Bronchitis. Darüber hinaus sind abhängig vom Lebensalter weitere Ursachen verbreitet.

Bei Säuglingen liegen verstopfte Nase, Pertussis, Reflux und Otitis nahe. Besonders gefährlich sind Pneumonie, Fremdkörper, Apnoe bei Pertussis und nicht erkannte Herzfehler.

Wichtige Ursachen für Husten bei Kleinkindern sind Sinusitis, Otitis media und externa, Pertussis, Asthma, Fremdkörper, Pseudokrupp und Mukoviszidose bei nicht getesteten Migrantenkindern.

Insbesondere bei Schulkindern und jungen Erwachsenen ist an eine Mykoplasmenpneumonie zu denken, die auch ohne weitere Erkältungssymptome auftreten kann. Zur Therapie bieten sich bei Heranwachsenden Makrolide an. Als weitere mögliche Hustenursachen bei Schulkindern kommen Asthma, Pneumothorax, Tuberkulose und Würmer in Betracht, der Husten kann aber auch psychogen sein.

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Dr. Clau­dia Levin 

Wichtige Hustenursachen im Erwachsenenalter sind Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD; besonders bei Rauchern), hyperreagible Bronchien nach überstandener Infektion, Sinusitis, Pneumonie, Tuberkulose, Reflux aus dem Verdauungstrakt und Karzinome mit Lungenmetastasen. Ein akuter infektionsbedingter Husten bei Erwachsenen verläuft allerdings meist selbstlimitierend. Sofern keine Pneumonie vorliegt, verkürzen Antibiotika den Krankheitsverlauf meist nur geringfügig, sie können aber zu Pilzbesiedlungen oder zu Resistenzen führen, erklärte Levin. Gründe für den Antibiotikaeinsatz bei Erwachsenen sind aus ihrer Sicht plötzliche Verschlechterung, Wiederauftreten von Fieber oder Husten über mehr als drei Wochen.

Bei älteren Patienten steigt die Häufigkeit von COPD, Pneumonie und Karzinomen als Hustenursache. Wichtige Ursachen sind dann auch Arzneimittelnebenwirkungen, insbesondere von ACE-Hemmern, Herzinsuffizienz und Embolien. Letztere können plötzlich zu einem ungewöhnlichen Reizhusten führen. Den Ratschlag, bei Husten viel zu trinken, sieht Levin bei älteren Patienten kritisch, weil dadurch eine Herzinsuffizienz entstehen könnte.


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Prof. Dr. Klaus Dalhoff

Pneumonie – lebensbedrohliche Infektion

Über die ambulant erworbene Pneumonie berichtete Prof. Dr. Klaus Dalhoff, Lübeck. Die Erkrankung ist in den Industrieländern eine der häufigsten ernsten Infektionen. In jeder Wintersaison erkranken bis zu drei Prozent der Älteren. Wenn eine Krankenhauseinweisung erforderlich ist, enden acht Prozent der Pneumonien tödlich, bei Älteren sogar 20 Prozent. Nach überstandener Erkrankung bleibt die Mortalität für ein Jahr erhöht. Bei nicht lungenkranken Patienten sind Luftnot und atmungsabhängige Schmerzen Kriterien zur Abgrenzung zwischen Bronchitis und Pneumonie.

Die wichtigsten Auslöser der ambulant erworbenen Pneumonie sind Pneumokokken (etwa 30 bis 50%). Die Pneumokokken-Impfung der Kinder ist eine sinnvolle Prävention, auch als Schutz für erwachsene Kontaktpersonen. Für Erwachsene ist eine Polysaccharid-Impfung verfügbar, die nur begrenzten Schutz vermittelt. Entgegen früheren Empfehlungen sollte diese Impfung nur einmal erfolgen, riet Dalhoff. Weitere häufige Auslöser einer Pneumonie sind atypische Erreger wie Mykoplasmen, Chlamydien, aber auch Viren.

Bettruhe wird nur bei hohem Fieber oder Kreislaufproblemen angeraten. Die Empfehlung, viel zu trinken, sollte nur bei Exsikkose gegeben werden. Antitussiva sollten sparsam, vorzugsweise nachts eingesetzt werden. Das Antibiotikum der ersten Wahl ist Amoxicillin. Pneumokokken sprechen meist schnell auf Beta-Lactam-Antibiotika an. Bei starkem Verdacht auf atypische Erreger bieten sich Makrolide an, in leichten Fällen auch Tetracycline.

Nach Einschätzung von Dalhoff kommt es beim Einsatz oraler Cephalosporine später eher zu Krankenhauseinweisungen, weil verschiedene Erreger sehr unterschiedlich auf diese Antibiotika ansprechen und ihre Bioverfügbarkeit unterschiedlich ist. Gründe für die Hospitalisierung sind insbesondere Verwirrtheit, hohe Atemfrequenz, systolischer Blutdruck unter 90 mmHg und schwere Begleiterkrankungen. Unter Intensivbedingungen werden insbesondere Cephalosporine der dritten Generation mit Makroliden kombiniert, weil Letztere auch antiinflammatorisch wirken.

Bei der seit 2009 verbreiteten Influenza vom Typ H1N1 ("Schweinegrippe") sind insbesondere bei Jugendlichen vergleichsweise häufig die tiefen Atemwege betroffen. Etwa 39 bis 50 Prozent der Patienten, die wegen dieser Influenza ins Krankenhaus eingeliefert werden, haben eine Pneumonie. Dann sollte bereits auf Verdacht Oseltamivir gegeben werden.


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Priv.-Doz. Dr. Martin Reck

Lungenkarzinom – schlechte Prognose

Die Entstehung von Lungenkarzinomen beruht zu etwa 85 Prozent auf dem Rauchen. Verzicht auf das Rauchen ist daher die entscheidende Präventionsmaßnahme. Das Staging, die adäquate feingewebliche Charakterisierung und das genetische Tumorprofil sind inzwischen sehr wichtige Kriterien für die Auswahl der Therapie geworden, wie Priv.-Doz. Dr. Martin Reck, Großhansdorf, erläuterte.

Bei begrenztem Tumor besteht die Therapie in der Resektion und einer anschließenden Chemotherapie. Doch bis zu drei Viertel der Diagnosen werden erst gestellt, wenn der Tumor bereits größer oder metastasiert ist. Dann ist nur noch eine palliative Behandlung möglich. Die Standardchemotherapie ist eine Kombination aus einem Platinderivat und einem Zytostatikum der dritten Generation wie Gemcitabin. Damit überleben die Patienten durchschnittlich nur acht bis zehn Monate, nur etwa 33 bis 43 Prozent leben noch nach einem Jahr.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die neuen gezielteren Therapien als beachtliche Verbesserungen. So bietet die Kombination aus Cisplatin und Pemetrexed bei Adenokarzinomen Vorteile durch längeres Überleben und besonders durch deutlich bessere Verträglichkeit.

Einen speziellen Therapieansatz bietet die Hemmung der Tumorangiogenese, insbesondere mit dem Wachstumsfaktor VEGF als Target. Bevacizumab wirkt dort als direkter Hemmstoff. Es verbessert die Remissionsrate, verlängert das progressionsfreie Überleben und hat in einer Studie auch das Gesamtüberleben deutlich verlängert, erläuterte Reck. Bevacizumab ist bei Plattenepithelkarzinomen und bei Tumoren, die mit zentralen Blutgefäßen verwachsen sind, kontraindiziert. Bei Tumoren, die eine spezielle Mutation des EGFR-Gens aufweisen, ist eine gezielte Behandlung mit den Tyrosinkinase-Inhibitoren Gefitinib oder Erlotinib möglich. Dies betrifft in Europa etwa zehn Prozent der Patienten. In einer Studie stieg das durchschnittliche Überleben der Patienten mit dieser gezielten Therapie von 4,6 auf 13,1 Monate an.

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Wenn der Lungenkrebs diagnostiziert wird, ist es für eine lebens­rettende Behandlung meistens schon zu spät.

Ein recht neues Beispiel für eine gezielte Therapie ist Crizotinib, das die c-Met-Tyrosinkinase hemmt. Die genetische Tumorvariante, bei der dieser Ansatz wirksam ist, wurde erst vor vier Jahren beschrieben. In diesem Fall konnte bei angeblich austherapierten Patienten eine Ansprechrate von über 50 Prozent erzielt werden.

Reck machte deutlich, dass es heute nicht mehr gerechtfertigt ist, alle Patienten mit gezielten Therapien zu behandeln, von denen nur wenige profitieren. Allerdings lassen sich weiterhin die geeigneten Patienten oft erst nachträglich identifizieren, weil die theoretischen Ansätze nicht unbedingt zu den erwarteten Ergebnissen führen. Doch gezielte Therapien sind nicht der einzige Weg für die Betroffenen. Dazu verwies Reck auf eine neue Studie, in der gezeigt werden konnte, dass frühzeitige intensive palliative Betreuung das Überleben signifikant verlängert, auch wenn die Patienten nicht mehr Therapeutika als die normal versorgten Vergleichspatienten anwenden.

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Dr. Tim Greulich

COPD – fortschreitende Obstruktion

Dr. Tim Greulich, Marburg, stellte die COPD vor, die typischerweise bei Rauchern auftritt. Die COPD ist eine Obstruktion der Atemwege, die – im Unterschied zu Asthma – nicht voll reversibel ist. Sie ist mit einer abnormen Entzündungsreaktion verbunden, verläuft progredient und kann durch die Therapie nur gemildert werden. Grundlage der Therapie ist die Rauchentwöhnung.

Die Schweregrade der COPD werden anhand des innerhalb einer Sekunde ausgeatmeten Volumens eingeteilt. Im ersten Stadium werden bei Bedarf kurzwirksame Bronchodilatatoren eingesetzt. Eine Pneumokokken-Impfung kann helfen, die Exazerbationsrate zu senken. Im zweiten Stadium kommen langwirksame Bronchodilatatoren zum Einsatz. Langwirksame Anticholinergika (wie Tiotropiumbromid) und β2-Sympathomimetika (wie Salmeterol und Formoterol) können den Krankheitsverlauf verlangsamen, doch zeigen Studien nur geringe Effekte auf die kurzfristig wahrgenommene Lebensqualität, erklärte Greulich. Das ultralang wirksame β2-Sympathomimetikum Indacaterol, das nur einmal täglich angewendet werden muss, betrachtet er als vorteilhafte Weiterentwicklung. Es sei gut verträglich, führe aber oft zu einem kräftigen Hustenreiz nach der Anwendung, der die Compliance beeinträchtigen kann.

Ein anderer Therapieansatz ist die Hemmung der Phosphodiesterase-4 mit Roflumilast. Es verbessert die Lungenfunktion signifikant und senkt die Exazerbationshäufigkeit, aber der Effekt ist für die Betroffenen kurzfristig kaum spürbar. Wichtige mögliche Nebenwirkungen sind Übelkeit, Durchfall und Gewichtsverlust.

Das lange etablierte Theophyllin wirkt als schwacher und unspezifischer Phosphodiesterase-Inhibitor. Es kann zu Herzrhythmusstörungen und schlimmstenfalls zum plötzlichen Herztod führen. Bei Patienten, die Theophyllin lange erfolgreich anwenden, ändert Greulich diese Medikation nicht, aber neuen Patienten verordnet er es nicht.

In weit fortgeschrittenen Krankheitsstadien kommen zusätzlich zur Pharmakotherapie pseudochirurgische Verfahren zur Beeinflussung der Lungenventilation in Betracht.

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Priv.-Doz. Dr. Hans-Peter Hauber

Asthma – dynamische Therapie gefragt

Asthma bronchiale ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege. Sie ruft eine variable Atemwegsobstruktion hervor, die spontan oder nach Behandlung – im Gegensatz zur COPD – zumindest teilweise reversibel ist. Dabei nimmt das innerhalb einer Sekunde ausgeatmete Volumen um mindestens 20 Prozent zu. Priv.-Doz. Dr. Hans-Peter Hauber, Borstel, stellte die Erkrankung vor.

Es werden extrinsisches und intrinsisches Asthma sowie zahlreiche Misch- und Sonderformen unterschieden. Die zehn Prozent am schwersten betroffenen Patienten verursachen 90 Prozent der Kosten. Umgekehrt sind jedoch 90 Prozent der Patienten gut einstellbar und können dann voll leistungsfähig sein, wie die Beispiele vieler Sportler zeigen. In Deutschland sind etwa zehn Prozent der Kinder und fünf Prozent der Erwachsenen betroffen, die Tendenz ist steigend.

Typische Symptome sind anfallsartige, oft nächtliche Atemnot, Engegefühl in der Brust, Husten mit oder ohne Auswurf und das typische "Giemen", ein pfeifendes Atemgeräusch. Die wesentliche Ursache ist die Entzündung der Bronchialschleimhaut. In Verbindung mit Schleim werden die Bronchien eng. Beim allergischen Asthma stehen die Th2-Zellen im Mittelpunkt der Pathogenese. Über die Freisetzung diverser Botenstoffe lösen sie mehrere Pathomechanismen aus. Weitere Pathomechanismen werden über Leukotriene vermittelt.

Für eine erfolgreiche Therapie ist viel Eigenverantwortung der Patienten erforderlich. Diese sollten ihre jeweilige Lungenfunktion messen, vorzugsweise mit einem Peak-Flow-Meter, um die Therapie dynamisch anzupassen. Die Einteilung in Stadien ist dynamisch zu verstehen. Nach erfolgreicher Behandlung kann eine intensive Therapie auch wieder reduziert werden, zumal Asthma über viele Jahrzehnte behandelt wird und die sehr langfristigen Folgen moderner Arzneimittel nicht bekannt sein können. Bei der Therapie werden Controller für die Dauermedikation und Reliever als Bedarfsmedikation unterschieden. In den leichtesten Fällen reichen Reliever allein aus.

Zur Entzündungshemmung dienen inhalative Steroide. Aufgrund der deutlichen Unterschiede zwischen Haut und Schleimhäuten muss an der Lungenschleimhaut keine Atrophie durch die Dauertherapie befürchtet werden.

Foto: AOK Mediendienst
Bei Asthma und COPD gibt das Ein-Sekunden-Volumen Aufschluss über die Schwere der Erkrankung.

Als Bronchodilatatoren werden Anticholinergika (wie Ipratropiumbromid und Tiotropiumbromid) sowie β2-Sympathomimetika eingesetzt. Letztere werden nach ihrer Wirkungsdauer unterschieden. Als kurzwirksame Reliever dienen z. B. Salbutamol, Fenoterol und Terbutalin. Länger wirken z. B. Salmeterol und Formoterol, die auch bei COPD eingesetzt werden, noch länger wirkt Indacaterol. Hinweise auf eine erhöhte Mortalität unter langwirksamen β2-Sympathomimetika bezogen sich nur auf Anwendungen ohne Kombination mit Steroiden. Doch beim Asthma muss immer auch die Entzündung behandelt werden, im Unterschied zur COPD, wie Hauber erläuterte. Bei mittelgradigem oder schwerem Asthma werden Steroide mit einem langwirksamen β2-Sympathomimetikum kombiniert. Einen weiteren Ansatz bietet der Leukotrien-Antagonist Montelukast als alternative oder zusätzliche Therapiekomponente bei mittelgradigem Asthma. Bei schwerem allergischem Asthma kommt Omalizumab, ein monoklonaler Antikörper gegen IgE, als Kombinationspartner in Betracht.

Stärker individualisierte Therapeutika haben bisher keine Vorteile gebracht. Cromoglicinsäure empfiehlt Hauber nur noch bei Kindern, bei denen Steroide zurückhaltend eingesetzt werden.


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Dr. Ilsabé Behrens

Aufgabe für Apotheker

Nach Einschätzung der Apothekerin Dr. Ilsabé Behrens, Hamburg, ist Asthma ein besonders geeignetes Betätigungsfeld und ein guter Start für die pharmazeutische Betreuung. Übergeordnetes Ziel jeder pharmazeutischen Betreuung sollte die Verbesserung der Lebensqualität des Patienten sein. Anstelle der Compliance – im Sinne von Fügsamkeit – strebt Behrens die Adhärenz (Adherence) an, bei der der Patient einhält, was er als sinnvoll anerkannt hat.

Inhalte der pharmazeutischen Betreuung sind die Erfassung aller angewendeten Arzneimittel, die Beratung zu deren Anwendung und Wirkung, die Schulung der Patienten sowie das Erkennen von Fehlgebrauch, Non-Adhärenz und arzneimittelbezogenen Problemen. Dies aus den Aussagen des Patienten herauszuhören, ist eine wesentliche Herausforderung, erklärte Behrens. Weitere Aspekte sind die Beratung über die Erkrankung und die Identifizierung von Patienten, denen ein Gang zum Arzt empfohlen werden muss.

Die Asthmapatienten sollten bei jedem Apothekenbesuch zur Entzündung, den sonstigen Asthmasymptomen und den Anfällen befragt werden. Das Ziel der Behandlung ist, für stabile Atemwege zu sorgen. Außerdem sollte den Patienten erklärt werden, dass Steroide erst nach zwei Wochen wirken können. Die Patienten sollten geschult und zur Selbstkontrolle ermutigt werden. Schlecht eingestellte Patienten sollten an den Arzt verwiesen werden. Außerdem sollten individuelle Ziele für den jeweiligen Patienten formuliert und deren Erreichen auch überprüft werden.

Asthmatiker erhalten typischerweise beim Arzt eine sogenannte NASA-Schulung (Nationales Asthma-Schulungsprogramm für erwachsene Asthmatiker) nach dem Konzept der Deutschen Atemwegsliga. Auch Apotheker können sich als NASA-Trainer ausbilden lassen. Analog dazu besteht ein COBRA-Programm für COPD. Laut Behrens sollten Apotheker gemeinsam mit Ärzten Patientenschulungen vornehmen, um das Vertrauen der Patienten zu gewinnen.

Behrens ermunterte die Apotheker, mit der pharmazeutischen Betreuung zu beginnen. Noch sei diese Leistung nicht in der Grundversorgung etabliert, auch nicht in den Köpfen der Ärzte. Doch sollten die Apotheker aufwendige Betreuungsleistungen, die der Patient wünscht, nicht kostenlos erbringen, riet Behrens. Sie habe gute Erfahrungen damit gemacht, bei besonderem Betreuungsbedarf Termine zu vereinbaren und diese auf 15 Minuten zu begrenzen. Apotheker leisten dann eine wirksame wohnortnahe Versorgung, die sie "nicht austauschbar" macht.


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Prof. Dr. Thomas Wagner

Mukoviszidose – viel Aufwand für viel Erfolg

Prof. Dr. Thomas Wagner, Frankfurt/Main, informierte über die bekannteste "seltene" Erkrankung, die Mukoviszidose. Als selten gelten Erkrankungen mit bis zu 40.000 Betroffenen in Deutschland. Die Mukoviszidose ist die häufigste lebensbedrohliche genetische Erkrankung in Europa. In Deutschland sind etwa 8000 Patienten registriert, vermutlich gibt es etwa 10.000 Erkrankte. Noch vor 30 Jahren erreichten nur zwei Prozent der Patienten das Erwachsenenalter, heute liegt die Lebenserwartung knapp unter 40 Jahren. Die Mukoviszidose oder zystische Fibrose ist eine Multisystemerkrankung, doch über 80 Prozent der Patienten sterben am respiratorischen Versagen, an zweiter Stelle stehen hepato-intestinale Ursachen. Heute Geborene könnten eine fast normale Lebenserwartung haben. Denn die Mukoviszidose ist eine Erkrankung, bei der mit viel Aufwand auch viel zu erreichen ist, so Wagner.

Zahlreiche verschiedene Gendefekte führen zu unterschiedlichen Krankheitsverläufen. Im Mittelpunkt steht die Störung eines Ionenkanals an der Zelloberfläche, die zur Bildung von zähem Bronchialschleim führt, der nicht transportiert werden kann und damit einen Nährboden für Infektionen bietet. Ob die Infektion zu Entzündungen führt oder eher umgekehrt, ist unklar. Der Leitkeim zur Charakterisierung der Infektion ist Pseudomonas. Er sondert ein Alginat ab, sodass ein Biofilm entsteht, der ihn vor Antibiotika schützt. Patienten, die im Alter von 18 Jahren eine normale Lungenfunktion, kein Untergewicht und keine Besiedlung mit Pseudomonas haben, überleben praktisch alle die nächsten zehn Jahre. Sind eine oder mehrere dieser Bedingungen nicht erfüllt, sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich.

Für die Behandlung muss die Ernährung optimiert werden, um die Resorptionsstörungen der Patienten zu umgehen. Dazu dienen auch bilanzierte Diäten mit Pankreas-Enzymen. Weitere Säulen der Therapie sind Antibiotika und Mukolytika. Dazu gehört auch die sonst ungewöhnliche Inhalation von Antibiotika, insbesondere von Aztreonam.

In der Entwicklung sind Arzneistoffe, die gezielt in die gestörte Proteinbiosynthese eingreifen. Sogenannte Korrektoren sollen Stopp-Mutationen überspringen. Außerdem sollen Potenziatoren das Aussondern falsch gefalteter Proteine verhindern, denn leistungsgeminderte Proteine sind besser als gar keine.

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Prof. Dr. Dr. Robert Bals

Kaum bekannt: α1-Antitrypsin-Mangel

Eine weitere genetische Erkrankung mit Konsequenzen für die Atemwege ist der α1-Antitrypsin-Mangel, über den Prof. Dr. Dr. Robert Bals, Homburg/Saar, berichtete. Krankheitsmanifestationen sind hier aber eher selten. Oft werden die Patienten erst im Erwachsenenalter identifiziert. Beispiele sind frühe Fälle von COPD bei Nichtrauchern.

Je nach genetischer Variante differiert das Krankheitsbild. Bei manchen Betroffenen entsteht schon im Kindesalter eine Leberzirrhose. Außerdem ist bei α1-Antitrypsin-Mangel die Wahrscheinlichkeit für Asthma erhöht, in selteneren Fällen kommt es zu Haut- oder Gefäßentzündungen. Der Mangel an α1-Antitrypsin führt bei der Proteinbiosynthese in der Leber zu Fehlfaltungen. Dies bewirkt Stress für Hepatozyten und beeinträchtigt den Schutz der Lunge vor freigesetzten Proteasen. Die Atemwege werden dadurch empfindlicher für Rauch.

Die Messung von α1-Antitrypsin ermöglicht meist eine einfache Diagnose. Prädisponierte Personen sollten nicht rauchen, wenig Alkohol trinken und sich gegen Virus-Hepatitis impfen lassen. Leber- und Lungensymptome werden symptomatisch therapiert. Eine spezifische Therapie besteht in der wöchentlichen Substitution von α1-Antitrypsin, das derzeit noch aus Spenderblut gewonnen wird. Diese Therapie ist sehr teuer, die Evidenz für die Erfolge hingegen noch unklar, denn es fehlen Doppelblindstudien, erklärte Bals.

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Prof. Dr. Hartwig Steckel und Dr. Regina Scherließ

Inhalatoren – Hilfe durch die richtige Technologie

Nach dem Vortragsprogramm übten 60 Tagungsteilnehmer in zwei Gruppen den praktischen Umgang mit Arzneimitteln zur Inhalation. Prof. Dr. Hartwig Steckel und Dr. Regina Scherließ, beide Kiel, stellten die pharmazeutisch-technologischen Grundlagen und den richtigen Umgang mit den Produkten dar.

Alle Teilnehmer der Seminare erhielten eine sogenannte Pulmobox mit zahlreichen verschiedenen Inhalatoren, die von den Herstellern mit Placebozubereitungen zu Übungszwecken gefüllt wurden. Damit können auch die Patienten in der Apotheke das richtige Inhalieren erlernen. Die richtige Handhabung von Dosieraerosolen, Pulverinhalatoren und Verneblern zu erläutern, ist eine wichtige Aufgabe für die Apotheke, weil der Behandlungserfolg vom richtigen Gebrauch abhängt und immer wieder von kuriosen Missverständnissen berichtet wird. So würden Inhalationskapseln von manchen Patienten sogar eingenommen. Gemäß Studienergebnissen wird höchstens ein Drittel der Präparate richtig angewendet, erklärte Steckel. Auch bei Patienten, die zunächst richtig inhalieren, können sich später Fehler einschleichen.

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Praktische Übungen mit Inhalatoren Volker Thode, Vizepräsident der Apotheker­kammer Schleswig-Holstein, der für sein Engagement zur Aus- und Fortbildung mit der Salus-Medaille ausgezeichnet wurde, informierte sich mithilfe der "Pulmobox" über die Anwendung verschiedener Inhalationssysteme. 

Bei richtiger Anwendung ermöglichen Aerosole vorteilhafte lokale Therapien des Respirationstraktes. So lässt sich im besten Fall schon in 30 Sekunden eine bronchienerweiternde Wirkung erzielen. Für die chronische Behandlung ist insbesondere die meist sehr geringe Dosis im Vergleich zur systemischen Gabe günstig, weil so die unerwünschten Wirkungen reduziert werden können. Die Lunge ist wegen ihrer großen Oberfläche allerdings auch ein möglicher Resorptionsort für systemische Therapien mit schnellem Wirkungseintritt. Steckel verwies dazu auf laufende Studien mit Opiaten und Cannabinoiden.

Bei den verbreiteten Dosieraerosolen gelangen nur zehn bis 40 Prozent der Dosis in die Lunge. Ein großer Teil der Tröpfchen wird im Mund-Rachen-Raum abgeschieden, verschluckt und kann daher systemisch wirken. Die inhalativen Corticoide haben allerdings nur eine sehr geringe orale Verfügbarkeit, sodass für systemische Effekte eher die Resorption in der Lunge relevant ist.

Dagegen sind die inhalativen β2‑Sympathomimetika auch oral verfügbar. Um Tachykardie und Blutdruckanstieg zu vermeiden, sollte daher das Verschlucken möglichst verhindert werden. Dafür sollten die Patienten nach dem Inhalieren den Mund ausspülen. In Packungsbeilagen wird besonders bei Steroiden oft empfohlen, nach dem Inhalieren etwas zu essen. Dies zielt nur auf die Reinigung des Mundes. Nach Einschätzung von Steckel ist das Ausspülen und anschließende Ausspeien besser geeignet, den Mund zu reinigen.

Richtig inhalieren – Tipps und Grundregeln

Vor der ersten Anwendung oder nach mehrtägigem Stehen ist bei den typischen Dosieraerosolen ein "Priming" nötig. Dazu müssen zwei bis drei Dosen ausgelöst werden, um die Dosierkammer zu füllen. Das Schütteln des Gerätes vor jeder Anwendung ist nur bei Suspensionszubereitungen erforderlich, wird aber grundsätzlich empfohlen, weil die Patienten meist nicht zwischen Lösungen und Suspensionen unterscheiden können.

Es sollte stets im Stehen inhaliert werden. Durch langsames Einatmen bei der Anwendung gelangt ein größerer Anteil der Tröpfchen in die Lunge und insbesondere mehr in tiefere Teile der Bronchien als bei schnellem Einatmen. Nach dem Auslösen des Gerätes sollte weiter eingeatmet werden, um eine gute Verteilung in der Lunge zu erreichen. Danach sollte langsam mit Lippenbremse ausgeatmet werden.

Die Abscheidung der Tröpfchen im Mund-Rachen-Raum beruht insbesondere auf ihrer hohen Geschwindigkeit beim Austritt aus dem Ventil. Das Verschlucken der Tröpfchen kann deutlich vermindert werden, wenn der Abstand zwischen Gerät und Mund durch einen Spacer vergrößert wird. Die größeren Tröpfchen scheiden sich dann im Spacer und weniger im Mund ab. Dies zielt demnach primär auf die Verminderung unerwünschter systemischer Effekte und nur zusätzlich auf eine bessere Verteilung der Tröpfchen in der Lunge. Außerdem kann ein Spacer sehr hilfreich sein, um das Koordinieren zwischen Auslösen und Einatmen zu erleichtern, insbesondere bei Kindern. Das Aerosol kann in den Spacer gesprüht werden, dann können Kinder mehrere Atemzüge aus dem Spacer nehmen. Ein Ventil am Spacer verhindert, dass der Patient in den Spacer hineinatmet.

Bei Einsatz eines Spacers bleibt die Dosierung unverändert. Die Anhaftung der Tröpfchen an der Spacerinnenwand verbessert die Funktion, sodass Spacer nur alle ein bis zwei Wochen oder bei grober Verschmutzung gereinigt werden sollten. Spacer können mit Wasser und Spülmittel gereinigt werden, sollen aber an der Luft trocknen und wegen der elektrostatischen Aufladung nicht mit einem Tuch gewischt werden.

Viele Inhalationssysteme sind aufwendig gestaltet und müssen unterschiedlich bedient werden. Doch für die meisten Inhalationssysteme gilt die folgende grundsätzliche "Gute Inhalationspraxis" als Anwendungsregel:

  • Schutzkappe abnehmen oder Gerät öffnen
  • Dosis laden
  • völlig ausatmen, niemals in das Gerät hineinatmen
  • Kopf in den Nacken legen, das Mundstück mit den Lippen umschließen
  • kräftig und tief einatmen
  • Luft möglichst für etwa zehn Sekunden anhalten
  • ausatmen
  • Schutzkappe aufsetzen oder Gerät schließen
  • Gerät niemals mit Wasser reinigen, allenfalls mit einem trockenen Tuch oder Pinsel.

Peak-Flow als Indikator

Da Asthma dynamisch behandelt werden sollte, müssen die Patienten selbst ihren Zustand objektiv bewerten können. Dazu dient insbesondere die Peak-Flow-Messung. Diese sollte stets mit dem gleichen Gerät erfolgen, damit die Ergebnisse vergleichbar sind. Erfasst wird die maximale Stärke des Atemstromes beim Ausatmen als Bestwert aus drei Messungen. Die Messungen sollten regelmäßig morgens und abends stattfinden und dokumentiert werden. So können Verschlechterungen frühzeitig erkannt und die Medikation rechtzeitig angepasst werden. Als Zielwert gelten 80 bis 100 Prozent der persönlichen Bestwerte. Werte von 50 bis 80 Prozent sowie Husten, Giemen und verminderte Belastbarkeit gelten als Warnzeichen für eine Verschlechterung. Werte unter 50 Prozent des Bestwertes, Atemnot und Schwierigkeiten beim Gehen oder Sprechen erfordern schnelle Hilfe.



DAZ 2011, Nr. 12, S. 76

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