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Zuckerbrot und Peitsche – füllt sich die Kinderapotheke?

Die Versorgung von Kindern mit an ihnen geprüften Arzneimitteln ist nur unzureichend. Die Kinderapotheke hat insbesondere dann Lücken, wenn es um Arzneimittel für die Intensivbehandlung oder für Früh- und Neugeborene geht. Dr. Andreas Franken vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Bonn, zeigte, was getan wird, um die Entwicklung und die Genehmigung von Kinderarzneimitteln anzuregen.
Andreas Franken
Foto: DAZ/ck

Lange Zeit wurde kontrovers diskutiert, wie die Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln für Kinder verbessert und gleichzeitig Kinder vor belastenden Untersuchungen im Rahmen der Forschung geschützt werden können. Ende Januar 2007 trat die neue europäische Verordnung für Kinderarzneimittel in Kraft. Sie legt den Firmen, die Arzneimittel entwickeln, eine ganze Reihe von Verpflichtungen auf, für die als finanzieller Ausgleich eine sechsmonatige Verlängerung des Patentschutzes gewährt werden kann. Trotzdem gibt es nach wie zu wenige explizit für Kinder zugelassene Arzneimittel zum Beispiel für Rheuma, in der Onkologie und gegen verschiedene Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Bis zu zwei Drittel aller im Kindesalter verwendeten Medikamente werden ohne Zulassung und klinische Prüfung eingesetzt, vor allem stationär behandelte Kinder erhalten Arzneimittel, die gar nicht oder nicht für diese Erkrankung zugelassen sind. Doch Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, bei denen die Dosis einfach vermindert werden kann. Eine Ursache dafür ist die unterschiedliche Körperzusammensetzung von Kindern und Erwachsenen. Stoffwechsel und Ausscheidung entwickeln sich erst im Lauf der Jahre. Früh- und Neugeborene metabolisieren einige Arzneistoffe geringer, da Leber und Nieren noch nicht ausgereift sind. Kleinkinder und Kinder bis acht Jahre scheiden dagegen Arzneistoffe rascher aus als Erwachsene und benötigen deshalb verhältnismäßig hohe Dosen. Eine Vorhersage der Dosis bei einer bestimmten Alters- oder Entwicklungsgruppe ist schwierig und kann nicht durch einfache Gewichtsangleichung kompensiert werden. Kinder sind aber auch keine großen Meerschweinchen: Daten aus Tierversuchen sind nur begrenzt übertragbar. Benötigt werden daher dringend Arzneimittel, die speziell für Kinder erforscht und entwickelt werden.

Die Verordnung für Kinderarzneimittel unterscheidet drei Gruppen von Arzneimitteln:

  • neue Arzneimittel, die noch nicht zu gelassen sind;
  • zugelassene Arzneimittel, die durch ein Patent geschützt sind sowie
  • zugelassene Arzneimittel, die nicht geschützt sind

und zwingt seit 2007 die Hersteller zur Vorlage von Daten zur Anwendung in pädiatrischen Altersgruppen. Dazu müssen klinische, pädiatrische Studien durchgeführt werden. Sie sind komplexer als bei Erwachsenen. Jede der vier Altersgruppen vom Früh- und Neugeborenen bis zu Kindern und Jugendlichen ist anders und erfordert eine angepasste Dosierung. Für jede einzelne Altersgruppe fordert das Gesetz eigene klinische Prüfungen. Oftmals können im Einzugsbereich einer forschenden Klinik, die die Genehmigung für eine Studie mit Kindern erhalten hat, die notwendigen Fallzahlen gar nicht erreicht werden. Studien werden dann in mehreren Ländern durchgeführt. Leider fehlt die Struktur zur Durchführung multizentrischer, mehrsprachiger Studien in der Pädiatrie in Deutschland bislang. Erschwerend kommt hinzu, dass eine klinische Forschung an und mit Kindern in der öffentlichen Meinung oft als unethisch dargestellt wird. Viele Eltern schrecken vor einer Studienteilnahme zurück, aus Angst, ihre Kinder werden als "Versuchskaninchen" benutzt. Hier ist sehr viel Aufklärung und Information vonnöten, damit Vorurteile abgebaut und Vorteile deutlich werden – und damit die Akzeptanz von solchen Prüfungen steigt. So kann Eltern verdeutlicht werden, dass die kleinen Patienten in klinischen Prüfungen besser überwacht werden als in der medizinischen Normalversorgung. Dies ist leider viel zu wenig bekannt. Aber auch auf die Ängste der kranken Kinder muss eingegangen werden. Wenn ein Kind sich verschließt und die Teilnahme ablehnt, dann muss das akzeptiert werden. Franke betonte, dass in der Klinik die Infrastruktur und die Erfahrung mit pädiatrischen Studien oft fehlen und wie dringend ausreichend geschulte Ärzte und erfahrene Mitarbeiter benötigt werden.

Seit dem Inkrafttreten der Verordnung 2007 hat die Anzahl an Studien in Deutschland nicht merklich zugenommen. Als eine Erklärung für dieses bedauerliche Fazit vermutet Franken, dass die finanziellen Anreize ins Leere zu laufen. Auf der anderen Seite bestehe die Hoffnung, dass der Zeitraum einfach zu gering ist: Den zwei Jahren, die die Verpflichtung jetzt gültig ist, stehen zehn Jahre Entwicklungszeit für ein neues Arzneimittel gegenüber. ck

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