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Forschende Hersteller setzen auf Verhandlungslösung

BERLIN (ks). Gemeinsame Vorschläge der Pharmaverbände für Neujustierungen im Pharmamarkt und die Hebung von Einsparpotenzialen würde die Politik sicher begrüßen – doch davon sind die großen Verbände entfernt. Und das nicht nur, weil sie unterschiedliche Marktsegmente vertreten.

Während Pro Generika und der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) wenig Anlass haben, sich mit patentgeschützten Arzneimitteln auseinanderzusetzen, haben der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und die forschenden Pharmaunternehmen (VFA) Modelle für Verhandlungslösungen im innovativen Bereich ausgearbeitet. Sie wurden Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler vergangene Woche unterbreitet. Der BPI setzt auf ein Verhandlungsmodell, das für neue Arzneimittel den unmittelbaren Marktzugang und die freie Preisbildung zusichert. In den ersten fünf Jahren nach Marktzulassung sollen weitere Analysen des Medikamentes stattfinden und Hersteller und Kassen sich in Einzelverträgen einigen. Ist danach eine Marktabdeckung von 30 Prozent erreicht, sollen die durchschnittlichen Erstattungsbeträge für alle verbindlich werden. Wenn nicht, soll es zentrale Preisverhandlungen geben (siehe AZ Nr. 7/2010, S. 2).

Zwei Jahre – 50 Prozent

Von diesem Vorschlag hebt sich nun der VFA ab. Auch wenn die Forschenden mit der Grundaussage "Vorfahrt für Verhandlungslösungen" übereinstimmen, missfällt ihnen der allgemeinverbindliche Charakter des BPI-Vorschlages. Auch die Fünf-Jahres-Frist ist aus ihrer Sicht für die Politik wenig attraktiv. Das VFA-Modell ist ambitionierter und lässt sich knapp mit "Zwei Jahre – 50 Prozent" zusammenfassen. "Wir stehen nach wie vor zur Kosten-Nutzen-Bewertung", betont VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer, "aber die Firmen müssen die zusätzliche Option des Vertragsschlusses bekommen". Erst wenn für ein Produkt nach zwei Jahren noch nicht 50 Prozent des Marktvolumens unter Vertrag stehen, soll es zu einer Kosten-Nutzen-Bewertung mit der möglichen Folge eines Erstattungshöchstbetrages kommen. Ist eine 50-prozentige Marktabdeckung dagegen erreicht, sei die Wirtschaftlichkeit bereits belegt und die Kosten-Nutzen-Bewertung obsolet. Anders als beim BPI-Modell will der VFA alle patentgeschützten Arzneimittel einbeziehen – und nicht nur jene, die neu im Markt eingeführt werden. Zudem liegt den forschenden Herstellern daran, einen Mehrwert zu generieren. Der Preis soll nicht der einzige Vertragsparameter sein, die Vertragsgestaltung soll unterschiedlich sein können. "Pay for performance" oder "risk share" sind hier Schlagworte. Aber auch eine Einbindung in die Versorgungsforschung ist ein Anliegen der Hersteller. So könne man Meilensteine festlegen, nach deren Erreichen oder Nicht-Erreichen Nachverhandlungen stattfinden sollen.

Anreize für alle Beteiligten

Damit solche Verhandlungen zwischen Herstellern und Kassen zustande kommen, bedarf es Anreizen. Für die Unternehmen selbst wäre es wichtig, dass Kartell- und Wettbewerbsrecht auch auf die Krankenkassen voll anwendbar werden. Zudem müsse eine Deregulierung im Arzneimittelmarkt stattfinden – erste Schritte wären hier die Abschaffung der Parallelimportförderklausel, der Festbetrags-Jumbo-Gruppen und der Zweitmeinungsverfahren. Damit Ärzte einen Anreiz haben, Vertrags-Arzneimittel zu verordnen, sollten sie in diesem Fall aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung entlassen werden. Auch für die Kassen sollen sich die Verhandlungen in verschiedener Hinsicht lohnen: Ihnen soll die Erstattung einer vertragsgeregelten Innovation im Zuge des Risikostrukturausgleichs ausgeglichen werden.

Minister Rösler hat nun einen großen Fundus an Möglichkeiten, wie er die Strukturen im Arzneimittelmarkt ändern könnte. Dem VFA hat er keinen Zeitplan für die Vorstellung seiner eigenen Vorschläge in Aussicht gestellt. In der Industrie hofft man vor allem eines: dass Rösler an die Strukturen geht und nicht – wie so häufig zuvor – mit einem bloßen Kostendämpfungsgesetz beginnt.

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