Ernährung aktuell

Was der Verbraucher von Biokost erwarten kann

In den Städten öffnen immer mehr Biomärkte ihre Pforten. Jeder fünfte Verbraucher gibt an, lieber Bioprodukte zu kaufen. Zweistelliges Wachstum des Branchenumsatzes auf jetzt 5,8 Milliarden Euro pro Jahr lockt selbst die Discounter auf diesen Markt. Dennoch wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Ökologisch erzeugte Artikel haben derzeit einen Anteil von 3,1% an den Gesamtausgaben für Lebensmittel. Wir haben den Markt der Bioprodukte unter die Lupe genommen und untersucht, was der Verbraucher von Biokost erwartet und was er warten kann.

Nach ihren Motiven befragt, stellen Verbraucher eine gesündere Zusammensetzung bzw. geringere Rückstände an die erste und zweite Stelle. In der wissenschaftlichen Literatur finden sich viele Untersuchungen, in denen mit chemischen Methoden nach einer vorteilhaften Zusammensetzung von ökologisch erzeugten Lebensmitteln gefahndet wurde. Die zusammenfassende Bewertung führt zum enttäuschenden Resultat: weder bei Gemüse und Obst noch bei Fleisch oder Milch finden sich Unterschiede des Gehaltes von Vitaminen und Mineralstoffen zwischen ökologisch und konventionell erzeugten Produkten.

Nicht gesünder

In Baden-Württemberg wurden die Konzentrationen von Rückständen von Pflanzenschutzmitteln (Pestizide) zwischen ökologisch und konventionell erzeugtem Gemüse und Obst verglichen. Im Schnitt waren 10 - bis 100-fach niedrigere Konzentrationen in den ökologisch erzeugten Proben feststellbar. Ist dieser Unterschied bedeutsam? Die Toxikologie sagt: Nein! Denn in aller Regel sind auch die in den konventionell erzeugten Produkten gefundenen Konzentrationen an Rückständen gesundheitlich bedeutungslos; sie lagen nämlich fast immer – in 93% der Fälle im Jahr 2005 – unter den zulässigen Höchstgrenzen. Auf die Frage, ob Bionahrung gesünder sei, antwortet der Toxikologe Professor Helmut Greim von der Technischen Universität München daher:" ... nach allem, was ich vorher zur täglich duldbare Aufnahme... und zu den zulässigen Höchstmengen gesagt habe, die in der Regel nicht erreicht werden, sehe ich keinen Unterschied zur Ernährung mit herkömmlich erzeugten Lebensmitteln. Toxikologisch spielt es jedenfalls keine Rolle". Man sollte auch wissen, dass diejenigen Rückstände, die aus der industriellen Produktion stammen und überall in der Umwelt vorkommen, in beiden Produktkategorien in gleicher Weise vertreten sind. Das trifft z. B. auf die Polychlorierten Biphenyle (PCB) zu.

Geschmacksfrage

An dritter Stelle führen Verbraucher den besseren Geschmack von Bioprodukten an. Der Deutsche Sternekoch Harald Wohlfahrt begründet denn auch den Einkauf einer Biokartoffel so: "Im Kopf schmeckt die auf jeden Fall besser."

Die Erfassung des Geschmacks eines Lebensmittels erfolgt durch einen sensorischen Test. Wissenschaftlich unangreifbare sensorische Tests ergaben, dass Biolebensmittel keineswegs regelhaft besser schmecken als konventionell erzeugte. Bei Backprodukten ergibt sich sogar wegen des geringeren Eiweißgehalts des Mehls aus Ökoweizen ein sensorischer Nachteil.

Besser für die Umwelt?

Im Jahr 2001 gaben 4% deutscher Käufer von Bioprodukten die Umwelt als Hauptmotiv für ihre Entscheidung an. Schwedische und deutsche Untersuchungen zur Grundwasserbelastung mit Stickstoff, einem Hauptproblem moderner Landwirtschaft, lassen den Biolandbau jedoch nicht vorteilhafter erscheinen. Das GSF-Institut für Hydrologie in München-Neuherberg kommt denn auch zu der Schlussfolgerung: "Bio oder Nicht-Bio ist für den Grundwasserschutz ziemlich egal". Auch eine Umweltbilanz der Manchester Business School erbrachte für 150 gängige Produkte keinen eindeutigen Vorteil von Biolebensmitteln.

Häufig wird der energetische Vorteil der regionalen Vermarktung als ein Plus der Biolebensmittelwirtschaft angeführt. Jedoch ist der Energieverbrauch des Schiffstransports so gering, dass auch in dieser Hinsicht Obst und Gemüse aus Übersee durchaus mit regionalen Produkten mithalten können.

Wenn nun also weder Umwelt, Geschmack, mikrobiologische Sicherheit noch Gesundheit den Ausschlag für einer Entscheidung in die eine oder andere Richtung geben können, stellt sich die Frage: Warum erfreuen sich Bioprodukte eines wachsenden Zuspruchs? Eine Antwort lautet: die felsenfeste Überzeugung der Biogemeinde auf der richtigen Seite zu stehen mit der Folge, dass so mancher Bioabstinente mit einem schlechtem Gewissen glaubt leben zu müssen.

Ausblick

Es leuchtet ein, dass die Ziele von Biobauern und Bionutzern richtig sind. Wer von uns will nicht zur Nachhaltigkeit von Natur, Umwelt und zur Gesundheit beitragen? Wer will eine junge Mutter kritisieren, die im Interesse ihrer heranwachsenden Kinder absolut auf Nummer Sicher gehen möchte.

In der Zukunft muss aber durch eine (leider sehr aufwändige und höchst komplexe) intensive Forschung alles hinterfragt werden, was von den bisher intuitiv konzipierten Regeln des Biolandbaus wirklich nachhaltig ist und was im Interesse dieses Ziels optimiert werden muss. Und da liegt der Hase im Pfeffer: die Biobewegung wendet Regeln an, die mehr durch eine feste Überzeugung als durch die Beachtung eines wissenschaftlich fundierten ökologischen Wissens charakterisiert ist.

Weiterführende Literatur

 

 

Williams, C (2002) Nutritional Quality of organic food: shades of grey or shades of green? Proc Nutr Soc 61, 19 – 24.

Dangour, A D et al (2009) Nutritional Quality of organic foods: a systematic review. Am J Clin Nutr 90, 680 –5.

Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Vetereinärmedizin (bgvv) (19.05.1959) Nicht besser aber schmackhafter?- Produkte aus dem ökölögischen Landbau im Vergleich. Presseveröffenlichung. www.bfr.bund.de.

Verordnung (EWG) Nr 2092/91 über den ökologischen Landbau.

Maxeiner, D und Miersch, M. Biokost & Ökokult. 238 S. München 2009. ISBN 978-3-492-25400-7.

 


Autor

Prof. Dr. Christian A. Barth,
München

 

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