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Beratung

„Grünes“ für die Haut

Was vertrauenswürdige Naturkosmetik auszeichnet

Naturkosmetik wird bei den Verbrauchern immer beliebter. Auch viele herkömmliche Kosmetikmarken versuchen auf den Zug aufzuspringen und ihre Produkte durch Biozutaten oder Pflanzeninhaltsstoffe etwas „grüner“ erscheinen zu lassen. Das macht sie aber noch lange nicht zu Naturkosmetika. Woran ist echte Naturkosmetik zu erkennen, und welche Produkte sind vertrauenswürdig?  | Von Helga Blasius

Naturkosmetika sind Produkte, die aus naturnahen oder biologisch/ökologisch angebauten Rohstoffen hergestellt werden. Sie dürfen keine problematischen Zusätze enthalten. Die Hersteller berücksichtigen aber auch Tierschutz- und Umweltaspekte. Die Angebotspalette unterscheidet sich nicht von herkömmlichen Kosmetika. Das Sortiment umfasst sämtliche Arten von Körperpflege und -Reinigungsprodukten wie Duschgel, Shampoo, feste und Flüssigseifen, Bodylotion, Deo, Gesichts- und Handcremes oder Sonnenschutz-Produkte. Auch der Bereich der dekorativen Kosmetik bzw. des Make-ups ist breit abgedeckt. Manche Hersteller bieten ihre Produkte vor allem in Bioläden, Reformhäusern und Apotheken an (z. B. Dr. Hauschka, Annemarie Börlind, Dr. Bronner’s, Primavera), aber auch in Drogeriemärkten und Supermärkten gibt es immer mehr Naturkosmetik-Produkte, zum Beispiel von Weleda, Lavera, Alviana, Sante und Speick. Die Drogeriemarktketten dm und Rossmann haben außerdem Naturkosmetik-Eigenmarken (Alverde, Alterra) im Programm.

Naturkosmetik und Biokosmetik ist nicht dasselbe

Naturkosmetik sollte nicht mit Biokosmetik verwechselt werden. Zwar kommen in beiden vor allem natürliche und pflanzliche Rohstoffe vor, aber bei Biokosmetik sollten die pflanzlichen Rohstoffe zusätzlich aus kontrolliert biologischem Anbau stammen. Nähere Informationen dazu gibt es entweder im Kleingedruckten auf der Packung oder auf den Internetseiten der Hersteller. Noch ein Hinweis in diesem Zusammenhang: Weder Naturkosmetik noch Biokosmetik sind automatisch vegan.

Rechtliche Einordnung

Naturkosmetik oder Bio-Kosmetik sind keine gesetzlich geschützten Begriffe. Weder im europäischen noch im nationalen Recht gibt es eine verbindliche Definition für „Natur­kosmetik“. Unabhängig von der Formulierung müssen alle Produkte in erster Linie die grundsätzlichen Anforderungen der EU-Kosmetikverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1223/2009) erfüllen, insbesondere hinsichtlich der Zusammen­setzung, der Sicherheit, der Wirksamkeit und der Kennzeichnung der Produkte. Für einzelne Inhaltsstoffe/Inhaltsstoffgruppen gelten zusätzliche Internationale Standards.

Wirrwarr an Gütesiegeln

Einen gewissen Regelungseffekt im unübersichtlichen Markt der Naturkosmetik haben die zahlreichen zertifizierten Gütesiegel, die in diesem Bereich entwickelt wurden. Diese befinden sich auf den Verpackungen von Naturkosmetikprodukten und sollen den Verbrauchern wichtige Orientierung für die Kaufentscheidung liefern. Die Prüfkriterien der verschiedenen Systeme gehen oft über gesetzliche Mindestanforderungen hinaus und unterscheiden sich deutlich. Manche Kosmetikfirmen verwenden auf ihren Produkten auch mehrere Naturkosmetik-Siegel.

Die wichtigsten Naturkosmetik-Siegel

Die bekanntesten vertrauenswürdigen und am weitesten verbreiteten Siegel in Deutschland sind das BDIH- und das Natrue-Siegel.

Das BDIH-Siegel Kontrollierte Natur-Kosmetik definiert die Mindestkriterien für Naturkosmetik des Bundesverbandes der Industrie- und Handelsunternehmen für Arznei­mittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und kosmetische Mittel e. V. (BDIH), eines Non-Profit-Vereins.

Das Natrue-Siegel ist ursprünglich als Eigeninitiative der Industrie entstanden. Die Organisation (The International Natural and Organic Cosmetics Association) mit Sitz in Brüssel bietet drei Qualitätsstufen an: Die Produkte können als Naturkosmetik, Naturkosmetik mit organischem Anteil (mindestens 70% der Naturstoffe oder Naturstoffderivate sind organisch) oder als Biokosmetik (mindestens 95% der Naturstoffe oder Naturstoffderivate sind organisch) zertifiziert werden.

Die Produkte der Naturkosmetik-Eigenmarken der Drogerieketten Alverde (dm), Alterra (Rossmann), Terra Naturi (Müller), Aliqua (Budni) sind häufig BDIH- oder Natrue-zertifiziert. Weitere Marken sind zum Beispiel Dr. Hauschka, Weleda, Lavera, Primavera, Dr. Bronner’s, Fair Squared, Logona, Sante und Santaverde.

In Deutschland seltener, aber ebenso vertrauenswürdig ist das Siegel von Ecocert. Zu den Marken, die das Siegel tragen, gehören Eubiona, Eco Cosmetics, Alva und Love Me Green.

Der Cosmos-Standard (Siegel: Cosmos Organic und Cosmos Natural) garantiert die Einhaltung strenger Kriterien für Naturkosmetik auf internationaler Ebene. Er basiert auf einer Reihe nationaler Richtlinien und wurde vom deutschen BDIH, den französischen Verbänden Cosmebio und Ecocert, dem Istituto Per La Certificazione Etica Ed Ambientale (ICEA) aus Italien und der britischen Soil Association ins Leben gerufen. Für „Cosmos organic“ müssen mindestens 95% der pflanzlichen Inhaltsstoffe aus Bio-Anbau stammen. Nach Unternehmensangaben tragen bis heute über 19.000 Produkte in 60 Ländern eine der beiden Signaturen. Seit Anfang 2017 ist die Zertifizierung nach Cosmos-Standard für die Mitgliedsverbände (BDIH, Ecocert, Cosmebio, ICEA oder Soil Association) verbindlich. Neu entwickelte Produkte tragen danach die bekannten Prüfzeichen von BDIH, Ecocert und Co., ergänzt um den Zusatz Cosmos Natural oder Cosmos Organic. Produkte, die vor dem Stichtag im Januar 2017 entwickelt wurden, dürfen weiterhin ihr Siegel ohne den Cosmos-Zusatz tragen. Zu finden ist das Siegel unter anderem auf Produkten von Apeiron, Ayluna, Benecos, Bioturm, i+m Naturkosmetik und Speick.

Weitere Siegel

Seltener, aber ebenfalls als vertrauenswürdig gelten unter anderem die folgenden Gütesiegel:

  • Demeter: ältester Bioverband, stellt sehr strenge Ansprüche, auf Kosmetika ist das Siegel sehr selten.
  • NCS: Natural-Cosmetics-Standard, Naturkosmetik-Standard der Gesellschaft für angewandte Wirtschaftsethik
  • ICADA: internationaler Verband für präparative und apparative Kosmetik sowie Nahrungsergänzungsmittel, Lobby-Verband und Naturkosmetik-Zertifizierung für kleine und mittelständische Unternehmen
  • Soil Association: eine der größten britischen Zertifizierungsstellen für Bio- und Naturkosmetik-Siegel
  • Cosmebio: Naturkosmetik-Siegel aus Frankreich, Zusammenschluss von 450 Kosmetikfirmen
  • ICEA: Instituto per la Zertificazione Etica e Ambientale, Bio- und Naturkosmetik-Zertifizierung aus Italien

Was darf drin sein?

Die Inhaltsstoffe in Naturkosmetik sind meist pflanzlicher, teilweise auch mineralischer oder tierischer Herkunft. Die mengenmäßig wichtigsten Inhaltsstoffe sind Öle, Fette und Wachse wie Arganöl, Olivenöl, Sojaöl, Sheabutter, Kakao­butter oder Bienenwachs. Als Rohstoff für waschaktive Substanzen spielt Zucker eine wichtige Rolle, ebenso wie fermentativ gewonnenes Ethanol für Deodorants oder Parfums. Daneben kommen etherische Öle, Kräuterextrakte und Blütenwässer sowie natürliche Aromen zum Einsatz. Neben der Verträglichkeit für den Anwender spielen bei Naturkosmetik auch ökologische Faktoren, wie umwelt- und ressourcenschonende Herstellungsverfahren, die optimale Abbaubarkeit von Rohstoffen sowie der sparsame Einsatz recycelbarer Verpackungsmaterialien eine große Rolle.

Was darf nicht drin sein?

Hersteller von echter Naturkosmetik müssen auf vieles verzichten, so zum Beispiel auf potenziell gesundheitsschäd­liche und umweltschädliche Inhaltsstoffe wie synthetische Farb- und Duftstoffe und Konservierungsstoffe (z. B. Parabene), erdölbasierte Inhaltsstoffe (z. B. Paraffine, Mikroplastik) und chemische UV-Filter. Silikone und Polyethylenglykole (PEG), die in konventionellen Kosmetikprodukten häufig als Emulgatoren oder Schaumbildner verwendet werden, sind für zertifizierte Naturkosmetik ebenso tabu wie gentechnisch veränderte Organismen. Außerdem gelten strengere Verbote für Tierversuche. Ein Kosmetiksiegel mit dem Schwerpunkt Tierschutz ist das Logo des Internationalen Herstellerverbands tierschutzgeprüfte Naturkosmetik, Kosmetik und Naturwaren e. V. (IHTN): eine schützende Hand über einem Kaninchen. Es wird nur vergeben, wenn zur Entwicklung und Herstellung eines fertigen Kosmetik­produktes keine Tierversuche durchgeführt wurden. Der Deutsche Tierschutzbund e. V. hat als erste Tierschutzorganisation weltweit eine Kosmetik-Positivliste erstellt, in der Hersteller gelistet sind, die nachweislich auf Tierversuche verzichten, er erarbeitet gerade ein eigenen Logo.

Allergiker und Naturkosmetik

Achtung: Ein Naturkosmetik-Gütesiegel ist kein Freibrief für Allergiker. Wer unter einer Allergie leidet, sollte die Inhaltsstoffe auf der Verpackung auch bei Naturkosmetik mit seinem Allergiepass vergleichen. Um sensibilisierten Verbrauchern eine verlässliche Produktqualität bieten zu können, vergibt der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) nach individueller Produktprüfung ein eigenes Logo, das durch umfassende Anforderungen an die Qualität der Inhaltsstoffe und eine Reihe von Prüfungen eine gute Verträglichkeit belegen soll. Die mit dem DAAB-Logo gelabelte Produkte sind frei von bekannten Kontaktallergenen, stark irritierenden Inhaltsstoffen sowie Duft- und Aromastoffen, die besondere für hyperreagible Personen problematisch sein können.

www.daab.de/daab/das-daab-logo/fuer-sie-getestet/

Wer kauft Naturkosmetik und warum?

Einen interessanten Einblick in den aktuellen Markt für Naturkosmetik und die Kaufgewohnheiten der Verbraucher gibt der Naturkosmetik Monitor 2020 der Splendid Research GmbH. Die kostenpflichtige Studie beleuchtet zwanzig gängige Naturkosmetikmarken und neun Naturkosmetikgütesiegel. Für den Monitor wurden vom 1. bis 22. April 2020 über 900 in Deutschland lebende Personen zwischen 15 und 69 Jahren zu unterschiedlichen Aspekten von Naturkosmetik befragt. Davon waren rund drei Viertel weiblich. Nach den Ergebnissen der Befragung verwenden zwei Drittel der deutschen Naturkosmetiknutzer naturbelassene Gesichts- und Körperpflegeprodukte und die Mehrheit regelmäßig Duschgele, Deos, Bodylotions oder Handcremes. 59% der Nutzer geben im Monat im Durchschnitt weniger als 25 Euro dafür aus. Eingekauft werden die Produkte bevorzugt (82%) im Drogeriemarkt. Als zweite Bezugsquelle folgen die Apotheken und Online-Shops der Hersteller mit jeweils 29%. Inhaltsstoffe und die Qualität sind die wichtigsten Aspekte, an denen Naturkosmetikverwender die Auswahl der gekauften Produkte ausrichten. Das gilt weitgehend unabhängig vom Alter oder Geschlecht. Drei Viertel aller Naturkosmetiknutzer informieren sich regelmäßig über die Inhaltsstoffe der Produkte. Werbung ist für alle Altersgruppen der unwichtigste Aspekt beim Naturkosmetikkauf. 87% der Verwender nutzen die Produkte, um ihrer Haut etwas Gutes zu tun, und 73% wollen damit die Risiken für ihre eigene Gesundheit minimieren. 81% denken dabei aber auch an die Natur und die Umwelt.

Die Angabe der Inhaltsstoffe wird bei Kosmetika europaweit nach der INCI-Richtlinie (International Nomenclature of Cosmetic Ingredients) geregelt. Die chemischen Bezeichnungen helfen aber oft nicht viel weiter. Die Verbraucherzentrale hat auf ihrer Webseite (www.verbaucherzentrale.de) Informationen zu kosmetischen Inhaltsstoffen, Kennzeichnungen und unerwünschten Wirkungen eingestellt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Apps (z. B. die INCI-App, downloadbar von der Webseite www.haut.de). |
 

Literatur

Naturkosmetik Monitor 2020 - Presseauszug. Repräsentative Umfrage zu aktuellen Einstellungen, Nutzungs- und Einkaufsverhalten sowie Markennutzung und -bewertung. 20 untersuchte Naturkosmetikhersteller, 9 analysierte Gütesiegel, 914 befragte Naturkosmetiknutzer, über 150 Abbildungen. Splendid Research GmbH Juli 2020, www.splendid-research.com/de/studie-naturkosmetik.html

Was ist Naturkosmetik? Informationen der Verbraucherzentrale Bundesverband, Stand: November 2019, www.verbraucherzentrale.de/wissen/umwelt-haushalt/produkte/was-ist-naturkosmetik-26394

Zertifizierte Naturkosmetik: Die wichtigsten Siegel. Informationen der Utopia GmbH, https://utopia.de/ratgeber/naturkosmetik-siegel/

 

Autorin

Dr. Helga Blasius ist Fachapothekerin für Arzneimittelinformation, Dipl.-Übersetzerin (Japanisch, Koreanisch) und regelmäßige Autorin der DAZ.

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