Prisma

Wie ernährt man 9 Milliarden?

Globaler Biolandbau nur mit „Protein-Switch“ möglich

cae | Unsere Ernährungsgewohn­heiten prägen die Landwirtschaft und damit unsere Umwelt. Ein grundlegender Wandel könnte dazu beitragen, die ökologische Vielfalt der Welt zu bewahren.
Foto: Sunny Forest – stock.adobe.com
Soja, soweit das Auge reicht. Die „Veredlung“ der pflanzlichen Proteine zu Fleisch und Milch stellt aus Sicht des Biolandbaus eine Verschwendung dar.

Die Weltbevölkerung wird von heute 7,6 Mrd. auf etwa 9 Mrd. Menschen im Jahr 2050 wachsen, wenn sich eine eher niedrige Schätzung bewahrheitet. Gleichzeitig steigen die Ansprüche der Menschen an ihre Nahrung, insbesondere wollen sie mehr Fleisch essen. Da die Landwirtschaft trotz mancher innovativer Projekte und Visionen auch in Zukunft den allergrößten Teil der Nahrung produzieren wird, kann nach Ansicht vieler Agrarwissenschaftler nur eine Intensivierung der Land­wirtschaft eine quantitativ ausreichende und qualitativ hochwertige Ernährung aller Erdbewohner sichern.

Im Widerspruch dazu hat nun das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick (Aargau; www.fibl.org) in verschiedenen Szenarien dargestellt, wie sich eine globale Umstellung auf Biolandbau auf die Umwelt und Ernährungslage auswirken würde. Biolandbau bedeutet hier vor allem den Verzicht auf Pestizide und stickstoffhaltige Mineraldünger sowie auf den Anbau von Kraftfutter für das Vieh, das stattdessen auf Grasland weidet bzw. mit Heu gefüttert wird. Generell müssten dann große Flächen an naturnahen Steppen, die für den Ackerbau nicht nutzbar sind, zu Weiden und Wiesen umgewandelt werden; ebenso Wälder, die zu diesem Zweck gerodet werden müssten. Das hieße: Extensivierung statt Intensivierung der Landwirtschaft. Bei ihren Szenarien haben die Autoren des FiBL teilweise vorausgesetzt, dass bis 2050 weniger Nahrungsmittel aufgrund von regionalen Überangeboten vernichtet werden. Auch die überwiegend negativen Folgen des Klimawandels haben sie berücksichtigt; dieser Faktor betrifft aber die konventionelle Landwirtschaft ebenso wie den Biolandbau und soll hier nicht referiert werden.

Hier zwei Szenarien der vollständigen Umstellung auf Biolandbau: Bei un­veränderter Nahrungsproduktion pro Kopf müsste die Agrarfläche (zzt. ca. 1,5 Mrd. ha) um etwa 40% zunehmen; dies kann niemand ernsthaft wollen – sofern es überhaupt möglich wäre. Bliebe die Agrarfläche gleich und könnte die Produktionsmenge pro Kopf etwas sinken, weil nur noch halb so viel Nahrungsmittel vernichtet werden, müsste sich die Produktion qualitativ ändern: Der Anteil der Tierprodukte (Fleisch, Milch u. a.) an der Versorgung der Menschheit mit Proteinen müsste von derzeit 38% auf 11% abnehmen; auch dies würde die große Mehrheit der Menschen nicht akzeptieren. Ein willkommener Nebeneffekt wäre allerdings eine etwas geringere Emission von Treibhausgasen (v. a. Methan).

Fazit: Der Biolandbau dürfte auch künftig nur eine Nischenrolle in der Landwirtschaft spielen und sich auf die Versorgung einer ethisch und ökologisch bewussten Minderheit beschränken. Je größer diese Minderheit wird, desto größer sind seine Chancen. |

Quelle

Müller A et al. Strategies for feeding the world more sustainably with organic agriculture. Nature Commun 2017;8(1):1290

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.