Arzneimittel und Therapie

Weihrauch besitzt dermatologisches Potenzial

Bereits seit Jahrtausenden in der ayurvedischen Heilkunde und Volksmedizin angewandt, stehen Extrakte aus Weihrauchharzen heute im Focus vieler wissenschaftlicher Arbeiten. Als besonders biologisch aktive Komponenten gelten Boswelliasäuren, für die bereits verschiedene Wirkmechanismen postuliert sind. Bei der Suche nach speziellen Zielproteinen für Boswelliasäuren ließ sich ein hochaffines Target identifizieren, das in auch psoriatischer Haut vermehrt vorliegt. Daraus könnten sich neue Forschungsansätze zur Verwendung von Weihrauchextrakten in topischen Dermatika ergeben.
Psoriasis Die psoriatische Haut weist eine erhöhte Ansammlung von Cathepsin G auf. Das Enzym greift dort die humane Epidermis an und kann entzündungsfördernde Prozesse hervorrufen. Weihrauchextrakte könnten über die Hemmung des Enzyms entzündliche Prozesse positiv beeinflussen.
Foto: Hautkrankheiten im Blick, WVG

Weihrauchextrakte aus Boswelliaarten wie Boswellia serrata haben eine tausendjährige Tradition in der ayurvedischen Heilmedizin zur Behandlung entzündlicher und neurologischer Erkrankungen, grippaler Infekte oder als Wundverbände bei Geschwüren, Abszessen und sonstigen Hautwucherungen. Ende des 19. Jahrhunderts fast in Vergessenheit geraten, rückte Weihrauch ab den 1980er Jahren wieder ins pharmakologische Interesse. Zahlreiche Untersuchungen haben den positiven Einfluss von Boswelliasäuren oder Weihrauchextrakten auf Entzündungen (z. B. rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, Hepatitis), Schmerzen, Allergien (z. B. Asthma) bis hin zu Hirntumoren gezeigt. Die Studien weisen auch auf einen erfolgreichen Einsatz bei der Behandlung von Psoriasis hin, deren inflammatorischer Ablauf dem der rheumatoiden Arthritis ähnlich ist.

"Angeln" nach spezifischen Zielmolekülen

Entzündungen sind auf molekularer Ebene durch eine erhöhte Bildung und Freisetzung von Entzündungsmediatoren, wie Zytokinen, Prostaglandinen und Leukotrienen gekennzeichnet. Diese Botenstoffe werden von komplex regulierten Enzymen synthetisiert, welche infolge proinflammatorischer Einflüsse reichlich vorliegen. Das Ziel der verschiedenen Pharmakotherapien ist es, die Ausschüttung (z. B. durch Glucocorticoide) und Aktivierung (z. B. durch NSAR) jener Enzyme zu hemmen. Dabei zeigen verschiedene Boswelliasäuren deutlich entzündungshemmende Effekte, indem sie zentrale Signalinduktionsmechanismen innerhalb der Zellen z. B. über Kinasen beeinträchtigen. Für die im lipophilen Extrakt des Weihrauchharzes zu etwa 30% enthaltenen pentazyklischen Triterpene konnten mehrere molekulare Zielmoleküle identifiziert werden, deren Hemmung das Entzündungsgeschehen stoppen: z. B. 5-Lipoxygenase, Leukozytenelastase, Topoisomerase, IkB-Kinase, Cyclooxygenase. Bei der Suche nach weiteren möglichen Targets ließ sich über das Angelprinzip "Rute-Schnur-Köder" humanes Cathepsin G als hochaffines Zielenzym "fischen", wobei in erster Linie Beta-konfigurierte Boswelliasäuren als Köder erfolgreich waren.

Cathepsin G – ein entscheidendes Target?

Die neutrale Serinprotease Cathepsin G (catG) ist verantwortlich dafür, dass invasive entzündungsfördernde Zellen jene Matrixproteine (z. B. Elastin, Kollagen) hydrolysieren, die sich außerhalb der Plasmamembran von Zellen in Geweben und Organen befinden. Außerdem fördert Cathepsin G allgemeine Entzündungsvorgänge, indem es den Gewebeumbau an verletzten Stellen vermittelt, Thrombozyten und Neutrophile aktiviert und die Einwanderung von Leukozyten in das Gewebe anregt. Therapeutisch relevant wäre die Hemmung dieses Enzyms für Erkrankungen wie Asthma, COPD, Emphyseme, Reperfusionsschäden, rheumatoide Arthritis, Psoriasis und Neurodermitis. In-vitro-Untersuchungen zeigen, dass gerade Beta-Boswelliasäuren durch Bindung an das Enzym sowohl dessen proteolytische Aktivität als auch die catG-vermittelte Einwanderung von Neutrophilen hemmen können.

Klinisch bedeutsam

Ob die orale Einnahme von Weihrauchextrakt (Boswellia-serrata-Extrakt) auch eine verringerte Aktivität von Cathepsin G im Plasma bewirkt, wurde anhand einer Doppelblindstudie mit Morbus-Crohn-Patienten untersucht. Die Probanden nahmen über 52 Wochen dreimal täglich je 2 Kapseln a 400 mg Weihrauchextrakt ein, wobei die Hälfte von ihnen Placebo erhielt. Vor und während der Behandlung (mindestens vier Wochen) wurde Blut entnommen, mittels Cytochalasin B und fMLP stimuliert und anschließend die catG-Aktivität im Plasma gemessen. Die Auswertung macht deutlich, dass mit der Einnahme von Boswelliasäure-Extrakten die Aktivität des entzündungsfördernden Enzyms um mehr als 60% verringert werden konnte. Auch In-vivo-Tests mit Ratten, bei denen eine Brustfellentzündung induziert wurde, zeigen durch die Verwendung isolierter Beta-Boswelliasäuren gute antiinflammatorische Erfolge, vergleichbar mit Indomethacin.

Weihrauch in der Dermatologie

Untersuchungen haben ergeben, dass psoriatische Haut eine erhöhte Ansammlung von Cathepsin G aufweist. Das Enzym greift dort die humane Epidermis an, ruft entzündungsfördernde Prozesse hervor, baut die Basalmembran ab, erhöht die endotheliale Durchlässigkeit und schädigt Membranen und intrazelluläre Organellen der Keratinozyten. Auch in den Fibrinoblasten sonnenbestrahlter Haut ist Cathepsin G deutlich herauf reguliert. Inwieweit die Hemmung des Enzyms und damit der Rückgang der entzündlichen Prozesse über topische Zubereitungen erreicht werden kann, ist derzeit Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und muss durch klinische Studien noch belegt werden. Eine Aufnahme von Boswelliasäuren über die Haut erscheint aufgrund ihrer Lipophilie möglich. Zudem ist die Permeabilität der Hornschicht bei entzündlichen Hauterkrankungen deutlich verringert und saure Substanzen, wie Boswelliasäure, sammeln sich bevorzugt in entzündetem Gewebe mit kleinen pH-Werten an.

Weihrauch kein Phytopharmakon

In Deutschland ist derzeit kein Weihrauchpräparat als Arzneimittel zugelassen. Auch wenn der positive Effekt mit zahlreichen Untersuchungen belegt ist, entsprechen die Studien zu Weihrauchextrakten nicht den geforderten Zulassungsbedingungen bezüglich Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Substanzen. Einerseits waren die Untersuchungsergebnisse bislang uneinheitlich, andererseits wurden nur kleine Patientengruppen in die Studien involviert. Hinzu kommt, dass für Experimente unterschiedliche Weihrauchpräparate verwendet wurden, mit teils ungenügenden Aussagen zur pharmazeutischen Qualität. Verschiedene Extrakte sind als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich, wobei hier keine einheitlichen Standards zum Gehalt des Extraktes an Boswelliasäuren existieren. Dadurch ist die Einschätzung des pharmakologischen Effekts erschwert.

 

Quellen
Prof. Dr. Oliver Werz, Institut für Pharmazeutische Chemie, Tübingen Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie, 31. März 2009, Heidelberg.

Deutsche Apotheker Zeitung, Nr. 15; S. 104 (2008).

Informationen Aurelia San GmbH, www.aureliasan.de

 

Apothekerin Franziska Wartenberg

 

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