Phytotherapie

Das Potenzial von Weihrauch

Vom kultischen Rauch bis zum entzündungshemmenden Arzneimittel

Von Kristina Jenett-Siems | Das Harz des Weihrauchbaumes wird seit Jahrtausenden zu kultischen Zwecken aber auch als Heilmittel verwendet. Insbesondere in der traditionellen indischen Medizin (Ayurveda) hat die Droge einen festen Platz. Sowohl in Indien als auch darüber hinaus wurde in den letzten Jahren viel über Inhalts­stoffe und Wirkungen des Weihrauchs geforscht. Als mögliche Einsatzgebiete werden entzündliche Erkrankungen verschiedener Genese diskutiert.

Weihrauch (Olibanum) ist ein luftgetrocknetes Gummiharz, das durch Einschneiden der Stämme und Äste von Bäumen aus der Gattung Boswellia (Familie: Burseraceae, Balsambaumgewächse) gewonnen wird (Abb. 1). Die Gattung umfasst etwa 20 Arten, die von Afrika über die Arabische Halbinsel bis nach Indien verbreitet sind. Der Gewinnung von Weihrauchharz dienen insbesondere drei Arten, wobei bezüglich der systematischen Einordnung gewisse Unstimmigkeiten vorhanden sind. Das Harz von Boswellia sacra (Herkunft: Arabische Halbinsel) und B. carteri (Somalischer Weihrauch) wird aufgrund seiner langsam verbrennenden Eigenschaften vorwiegend zum zeremoniellen Räuchern verwendet, während das Harz von B. serrata (= B. glabra, Indischer Weihrauch) eher medizinisch eingesetzt wird. Von einigen Autoren werden Boswellia sacra und B. carteri auch als eine einzige Art aufgefasst. Die Verwendung des Weihrauchs hat eine lange Tradition. Schon im alten Ägypten wurde das Harz für rituelle Handlungen und zu Heilzwecken genutzt und so entwickelte es sich zu einem bedeutenden und wertvollen Handelsprodukt, das zur Bildung der sogenannten Weihrauchstraße zwischen Arabien und den Mittelmeerstaaten führte. Die Erwähnung des Weihrauchs im Matthäus-Evangelium als eines der Geschenke der Heiligen Drei Könige – „Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, ... und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.“ – unterstreicht dessen Wert zur damaligen Zeit. Noch heute spielt das Verbrennen von Weihrauch in vielen Kirchen eine Rolle, wobei hierfür traditionell der afrikanische Weihrauch – meist noch kombiniert mit anderen Harzen, Zimtrinde und getrockneten Lavendelblüten – verwendet wird.

Abb. 1: Olibanum wird aus verschiedenen Boswellia-Arten gewonnen. Die Bäume von Boswellia serrata sind ca. 6 bis 10 m hoch und haben eine annähernd flach ausgebreitete Krone. Die Blätter sind gegenständig, unpaarig gefiedert, die Blüten weiß bis grünlich-weiß und in Trauben angeordnet. Durch das Einschneiden der Stämme und dicken Äste tritt das milchsaftähnliche Gummiharz aus, das an der Luft zu gelblich bis bräunlichen, wachsartig durchsichtigen Stücken erstarrt. Die Harzausbeute pro Baum kann ca. 2 bis 10 kg betragen. [Blaschek W. (Hrsg.). Wichtl – Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis. 6., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2016]

Indischer Weihrauch, der im Europäischen Arzneibuch monografiert ist, enthält etwa 60% Harz, außerdem Schleimstoffe (Polysaccharide) und 6 bis 9% ätherisches Öl, das vorwiegend aus Monoterpenen zusammengesetzt ist. Wesentliche Bestandteile des Harzes sind charakteristische Triterpensäuren (Boswelliasäuren), die etwa 30% der Harzfraktion ausmachen (Abb. 2). Bezüglich ihrer Inhaltsstoffe ähneln sich die Harze von B. serrata und B. sacra/B. carteri, allerdings gibt es quantitative Unterschiede in der Zusammensetzung der Boswelliasäuren und Abweichungen im ätherischen Öl, außerdem konnten unterschiedliche Diterpene isoliert werden. Daneben gibt es aber auch Boswellia-Arten, deren Harz keine Boswelliasäuren enthält [1, 2].

Abb. 2: Struktur von Triterpensäuren aus Boswellia serrata

Insbesondere in den letzten dreißig Jahren ist Weihrauch intensiv auf seine pharmakologischen Effekte hin untersucht worden. Bereits 1991 publizierten Ammon und Mitarbeiter erste Hinweise auf eine entzündungshemmende Aktivität [3]. In der Zwischenzeit konnte eine ganze Reihe potenzieller Targets identifiziert werden. Als wesentlich für die Wirksamkeit gelten die Boswelliasäuren, diese hemmen z. B. die 5-Lipoxygenase, die zur Bildung proinflammatorischer Leukotriene führt, aber auch die Cyclooxygenase 1, die Elastase, Cathepsin G und NF-κB [4]. Auch an Mäusen konnte ein entzündungshemmender Effekt verschiedener isolierter Boswelliasäuren demonstriert werden [5]. Zunächst war spekuliert worden, dass insbesondere die 3-Acetyl-11-keto-β-Boswelliasäure (AKBA) als starker Hemmstoff der 5-Lipoxygenase für die entzündungshemmende Wirkung verantwortlich ist. Allerdings wird die Substanz ausge­sprochen schlecht resorbiert, sodass nur minimale Plasmaspiegel erreicht werden. Inzwischen geht man zunehmend davon aus, dass auch andere Boswelliasäuren einen wesentlichen Anteil an der Aktivität des Weihrauchs besitzen, z. B. die in deutlich höheren Konzentrationen im Plasma nachweisbare β-Boswelliasäure als Hemmstoff von Cathepsin G. Trotzdem sind in letzter Zeit auch Extrakte entwickelt worden, die statt der üblichen 2 bis 3% AKBA höhere Konzentrationen von bis zu 30% des Wirkstoffes enthalten [4].

Klinische Wirksamkeit

In Anbetracht der traditionellen Verwendung von Weihrauch zur Behandlung entzündlicher Erkrankungen und der vielversprechenden Ergebnisse in verschiedenen pharmakologischen Assays wurden in den letzten Jahren einige klinische Studien zur Anwendung von Weihrauch-Extrakten durch­geführt. Der Schwerpunkt lag dabei auf Erkrankungen, bei denen Entzündungsreaktionen an der Pathogenese beteiligt sind – Arthrose, Asthma bronchiale und entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn [6]. Die Autoren eines Cochrane Reviews aus dem Jahr 2015 [7], der die Anwendung verschiedener pflanzlicher Therapien bei Arthrose unter die Lupe nahm, werteten fünf Studien mit verschiedenen Weihrauch-Präparaten aus. Es handelt sich um relativ kleine Untersuchungen aus den Jahren 2003 bis 2011. Alle wurden im indischen Raum durchgeführt und haben die Wirksamkeit von Weihrauch bei Schmerzen und Funktionseinschränkungen bewertet. Vier Studien kommen dabei zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Weihrauch-Extrakte (unter anderem 5-Loxin® und Aflapin®, spezielle Extrakte, die auf einen hohen Gehalt von 30% bzw. 20% AKBA eingestellt sind) hinsichtlich der ausgewählten Endpunkte eine Überlegenheit gegenüber Placebo besitzen. Eine Studie belegt die Gleichwertigkeit des untersuchten Weihrauch-Extraktes im Vergleich zu einer Therapie mit Valdecoxib, und so fassen die Autoren des Cochrane Reviews zusammen, dass von Extrakten aus Boswellia serrata eine leichte Verbesserung von Schmerzen und Funktion bei einer Arthrose des Kniegelenkes zu erwarten sei. Diese Einschätzung wird von einer weiteren, allerdings wiederum sehr kleinen und zudem Hersteller-finanzierten aktuellen Studie unterstützt. 48 Patienten mit einer Kniegelenkarthrose erhielten über 120 Tage zweimal täglich einen speziellen Weihrauch-Extrakt (Boswellin®, 87,3 mg Boswelliasäuren, darunter 30% AKBA) oder ein Placebo-Präparat. Am Ende des Beobachtungszeitraums zeigte die Verum-Gruppe eine signifikant größere Verbesserung der Symptome Schmerzen und Gelenksteifigkeit im Vergleich zur Placebo-Gruppe [8].

Hinsichtlich der Effektivität von Weihrauch bei entzünd­lichen Darmerkrankungen existieren unter anderem zwei kleinere deutsche Studien, von denen eine bei einer speziellen Form der Colitis bezüglich des Erreichens einer Remission eine Überlegenheit der Studienmedikation gegenüber Placebo fand, während die zweite eine Gleichwertigkeit des Weihrauchpräparates H 15 (drei Tabletten H 15®/Sallaki® der Firma Gufic à 400 mg/Tag) mit Mesalazin bei Morbus-Crohn-Patienten zeigen konnte [4]. Dennoch wird in der S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn von 2014 keine positive Bewertung hinsichtlich einer entsprechenden Therapieoption abgegeben [9]. Vielmehr wird dort auf eine weitere Studie verwiesen, die allerdings mit einem anderen Studienpräparat durchgeführt wurde und aufgrund mangelnder Wirksamkeit des verwendeten Weihrauch-Extraktes zur Remissionserhaltung vorzeitig beendet werden musste [10]. Aktuell wurde zudem eine italienische Studie publiziert, in der die Effektivität eines Liposomen-basierten Weihrauch-Präparates (Casperome®) bei Symptomen eines Reizdarmsyndroms analysiert wurde. Hier erhielten 34 Patienten eine Standardbehandlung, die aus Diät plus Bedarfsmedikation (Buscopan oder Papaverinhydrochlorid + 10 mg Atropa-belladonna-Extrakt) bestand, während 35 Patienten zusätzlich zur Diät das Weihrauchpräparat (250 mg Extrakt, eine Tablette/Tag) einnahmen. Auch für diese Gruppe stand die Bedarfsmedikation zur Verfügung. Nach drei bzw. sechs Monaten wurde die Veränderung der Reizdarmsymptomatik (unter anderem Schmerzen, Blähungen, Krämpfe) evaluiert. Es konnte gezeigt werden, dass in der Verum-Gruppe eine stärkere Verbesserung der Symptomatik und ein niedrigerer Verbrauch an Bedarfsmedikation vorhanden war, sodass die Autoren schlussfolgern, dass das untersuchte Weihrauchpräparat eine Behandlungsoption bei Patienten mit Reizdarmsyndrom darstellt [11].

Zum Weiterlesen

Dieses Buch beschreibt in faszinierender Weise den Gebrauch von Weihrauch als Arzneimittel über Tausende von Jahren und nach seinem Vergessen seine Wiederentdeckung als hoffnungsvolle Arznei. Umfangreiche pharmakologische Studien belegen Wirkungen im Bereich von Entzündungen und Tumoren. Erste klinische Studien, ergänzt durch Erfahrungsberichte aus der ärztlichen Praxis legen eine Wirksamkeit bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Osteoarthritis des Knies, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn), Asthma bronchiale und peritumoralem Hirnödem nahe, bei nur geringen Nebenwirkungen.

Inhaltsverzeichnis

1. Weihrauch (Olibanum) – was ist das? – 2. Medizinische Anwendung in Vergangenheit und Gegenwart. – 3. Pharmakologische Untersuchungen und klinische Studien mit Boswellia-Extrakten und deren Inhaltsstoffen. – 4. Nebenwirkungen. – 5. Erfahrungswissen. – 6. Verfügbare Boswellia-/Weihrauchprodukte in Deutschland. – 7. Wer soll die Kosten tragen? – 8. Resümee

Hermann P. T. Ammon (Hrsg.)

Weihrauch – Anwendung in der westlichen Medizin

Historische Anwendung und neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse

1. Auflage, 130 S., 16 Farbabb., 16 Farbtabellen, 167 × 243 mm, kartoniert, 29,99 Euro, ISBN 978-3-662-55908-6 Springer Verlag, Berlin 2018

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Weihrauch-Extrakte sind drüber hinaus bei einer Reihe weiterer Erkrankungen im Rahmen von Klinischen Studien angewendet worden. Interessant sind hierbei z. B. die kürzlich publizierten Ergebnisse einer Pilotstudie von Stürner und Mitarbeitern [12]. Ein standardisierter Weihrauch-Extrakt wurde bei Patienten mit schubförmig remittierender multipler Sklerose eingesetzt, wobei mittels bestimmter Marker eine Reduktion der Krankheitsaktivität festgestellt wurde, sodass die Autoren weitere größere Untersuchungen für sinnvoll erachten. Auch gibt es immer wieder Spekulationen bezüglich einer Wirkung von Weihrauch bei Patienten mit Glioblastomen. Klinisch konnte ein positiver Effekt von H 15 Gufic bei Strahlentherapie-assoziierten Hirnödemen gezeigt werden [4], eine direkte tumorhemmende Wirkung ist allerdings in vivo bisher nicht eindeutig nachgewiesen.

Auf einen Blick

  • Weihrauch (Olibanum) ist ein Gummiharz, das durch Einschneiden der Stämme und Äste von verschiedenen Arten aus der Gattung Boswellia (Balsambaumgewächse) gewonnen wird.
  • Medizinisch verwendeter Weihrauch stammt entweder von Boswellia serrata (Indischer Weihrauch) oder von B. sacra/B. carteri (Afrikanischer Weihrauch).
  • Wesentliche entzündungshemmende Inhaltsstoffe sind Triterpensäuren, insbesondere die Boswelliasäuren.
  • Aus klinischen Studien gibt es Hinweise auf positive Effekte bei Arthrosebeschwerden und entzündlichen Darmerkrankungen.
  • Weihrauch ist in Deutschland nur als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich, aktuelle Untersuchungen zeigen eine stark schwankende Qualität der einzelnen Präparate.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es für Weihrauch-Extrakte durchaus Hinweise auf positive Effekte bei Arthrosebeschwerden und entzündlichen Darmerkrankungen gibt. Die Qualität der Untersuchungen reicht allerdings bisher nicht aus, um damit eine Zulassung für ein Fertigarzneimittel zu erreichen. Dennoch ist Weihrauch leicht ver­fügbar, da es eine Vielzahl unterschiedlicher Präparate als Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt gibt. Trotz der strengen Auflagen bezüglich gesundheitsbezogener Aussagen, werben viele dieser Produkte mit einer Einsatzmöglichkeit bei entzündlichen Erkrankungen. In diesem Zusammenhang bleiben allerdings noch viele Fragen offen, so zum Beispiel bezüglich Qualität und Bioverfügbarkeit der einzelnen Produkte aber ebenso bezüglich Dosierung und natürlich prinzipiell hinsichtlich der Übertragbarkeit der Ergebnisse klinischer Untersuchungen auf vorhandene Nahrungsergänzungsmittel, die ja nicht zur Behandlung von Krankheiten gedacht sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine aktuelle Untersuchung von Schmiech und Mitarbeitern [13], die den Gehalt an Boswellia- und verwandten Lupeolsäuren in verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln mittels eines speziellen HPLC-Verfahrens analysiert haben [13]. Zunächst einmal wies keines der untersuchten Produkte einen Gehalt von mehr als 35% Boswellia-/Lupeolsäuren auf. Auffällig ist, dass viele Anbieter mit hohen Konzentrationen von über 80% Boswellia­säuren werben. Diese Angaben beziehen sich allerdings häufig auf den Gesamtgehalt an Säuren, der mittels Titration bestimmt wird, und haben nicht unbedingt etwas mit dem Gehalt an den eigentlich wirksamen Substanzen zu tun. Zwei der untersuchten Präparate enthielten nahezu keine Boswelliasäuren, hier wurde also entweder nicht die deklarierte Menge an Extrakt verwendet oder aber möglicherweise eine andere Boswellia-Art wie B. frereana. Bei zwei weiteren Präparaten, die laut Hersteller Gummiharz von Afrikanischem Weihrauch enthalten sollten, deutete die Zusammensetzung der Boswelliasäuren dagegen eher auf Indischen Weihrauch hin. Interessanterweise wurde auch ein Produkt des indischen Herstellers Gufic untersucht, der ja Präparate für einige der klinischen Studien bei entzündlichen Darmerkrankungen zur Verfügung gestellt hatte. Die Untersuchung ergab allerdings einen vergleichsweise eher im Mittelfeld liegenden Gehalt an Wirkstoffen, ebenso wie für zwei Präparate, die mit der Bezeichnung „H 15® Weihrauch“ auf dem Markt sind. Diese aktuellen Ergebnisse verdeutlichen einmal mehr die Problematik des Nahrungsergänzungsmittel-Marktes. Da keine Kontrollmechanismen existieren, ist es trotz aller Werbeversprechen praktisch nicht einschätzbar, ob man tatsächlich ein qualitativ hochwertiges Präparat bekommt. Ein Aspekt, der auch im Gespräch mit dem Kunden, der ein unterstützendes Präparat z. B. für seine Arthrosebeschwerden wünscht, thematisiert werden sollte (siehe Kasten „Was steckt hinter ,H 15‘?“). |

Was steckt hinter „H 15“?

eda | Die Anwendung des Weihrauchharzes und entsprechender Extrakte bei entzündlichen Erkrankungen ist mittlerweile auch abseits der traditionellen indischen Medizin zu beobachten. So werden Patienten bei Online-Recherchen oder in Gesprächen mit anderen Betroffenen auf Präparate mit dem Namen „H 15“ verwiesen. „H 15“ soll dabei für ein besonders wirksames Weihrauchharz stehen, das in klinischen Studien getestet wurde. Gibt man „H 15“ im Zusammenhang mit Weihrauch in eine Suchmaschine ein, stellt man jedoch fest, dass es nicht das eine „H 15“ gibt, sondern eine Vielzahl von Produkten existieren, die diesen Namensbestandteil für sich beanspruchen. Fast ausschließlich handelt es sich dabei um Nahrungsergänzungsmittel mit unterschiedlichen Dosierungen und Zusammensetzungen (Extrakt, Pulver etc.), dafür aber ohne konkrete Indikation oder gesundheitsbezogene Aussagen. Die Bestellung in Versandapotheken und weiteren Online-Shops ist dann nur einen Klick entfernt. Werden „H 15“ im speziellen und Weihrauchharz im allgemeinen zu einem Gesprächsthema in der Apotheke, sollte man den Patienten daher den „Weihrauchmarkt“ erläutern. Aktuell gibt es in Deutschland kein zugelassenes Fertigarzneimittel. Prinzipiell besteht aber die Möglichkeit, Präparate mit einer Zulassung als Arzneimittel aus anderen, außereuropäischen Ländern zu importieren. Drei Importarzneimittel seien exemplarisch genannt:

  • H 15® (ca. 2,64% KBA, ca. 2,27% AKBA): Fa. Gufic Ltd., Mumbai (Indien)
  • Indian Boswellia® (ca. 3,6% KBA, ca. 1,4% AKBA): Fa. Indian Boswellia Lab, Agra (Indien)
  • Sallaki® (2,38% KBA, 2,26% AKBA): Fa. Gufic Ltd., Mumbai (Indien)

Voraussetzung für den Import ist natürlich das Vorliegen einer ärztlichen Verordnung. Auf Vorrat dürfen die Präparate in deutschen Apotheken nicht gelegt werden. Gegebenenfalls erstatten die Krankenkassen die Therapiekosten.

Die Bezeichnung „H 15“ hat also ihren Ursprung im indischen Arzneimittel der Firma Gufic, mit dem tatsächlich eine Reihe klinischer Studien durchgeführt wurde (s. Artikel).

Weihrauch-Extrakte zur innerlichen Anwendung in Form von Kapseln können prinzipiell von Apotheken selbst im Rezepturmaßstab hergestellt werden. Darüber hinaus existieren Apotheken, die sich auf die Herstellung spezialisiert haben und die entsprechenden Präparate defekturmäßig anbieten.

Eine weitere Stolperfalle ergibt sich aus dem Umstand, dass homöopathische Arzneimittel oftmals die Bezeichnung „Olibanum“ oder „Boswellia serrata“ im Zusammenhang mit einer Mengenangabe in mg tragen. Für Patienten im Rahmen der Selbstmedikation kann sich unter Umständen kein Unterschied zu den ansonsten angebotenen Nahrungsergänzungsmitteln oder Importarzneimitteln erschließen, wenn sie übersehen, dass es sich um homöopathische Verdünnungen handelt, meistens D6 oder D8.

Literatur

 [1] Wichtl M. Teedrogen und Phytopharmaka. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2008

 [2] Mannino G, Occhipinti A, Maffei ME. Quantitative Determination of 3-O-Acetyl-11-Keto-β-Boswellic Acid (AKBA) and Other Boswellic Acids in Boswellia sacra Flueck (syn. B. carteri Birdw) and Boswellia serrata Roxb. Molecules 2016;21:1329-1337

 [3] Ammon HPT, Mack T, Singh GB, Safayhi H. Inhibition of leukotriene B4 formation in rat peritoneal neutrophils by an ethanolic extract of the gum resin exudate of Boswellia serrata. Planta Medica 1991;57:203-207

 [4] Abdel-Tawab M, Werz O, Schubert-Zsilavecz M. Boswellia serrata: an overall assessment of in vitro, preclinical, pharmacokinetic and clinical data. Clinical Pharmacokinetics 2011;50:349-369

 [5] Bannoa N, Akihisa T, Yasukawa K et al. Anti-inflammatory activities of the triterpene acids from the resin of Boswellia carteri. Journal of Ethnopharmacology 2006;107:249-253

 [6] Roy NK, Parama D, Banik K et al. An Update on Pharmacological Potential of Boswellic Acids against Chronic Diseases. International Journal of Molecular Sciences 2019;20:4101-4128

 [7] Cameron M, Chrubasik S. Oral herbal therapies for treating osteoarthritis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015;5:CD002947, doi: 10.1002/14651858.CD002947.pub2

 [8] Majeed M, Majeed S, Narayanan NK et al. A pilot, randomized, double-blind, placebo-controlled trial to assess the safety and efficacy of a novel Boswellia serrata extract in the management of osteoarthritis of the knee. Phytotherapy Research 2019;33:1457-1468

 [9] Preiß JC, Bokemeyer B, Buhr H-J et al. Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn. aktualisierte S3-Leitlinie, Stand 2014. www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-004.html

[10] Holtmeier W, Zeuzem S, Preiss J et al. Randomized, placebo-controlled, double-blind trial of Boswellia serrata in maintaining remission of Crohn‘s disease: good safety profile but lack of efficacy. Inflammatory Bowel Disease 2011;17:573-582

[11] Riva A, Giacomelli L, Togni S et al. Oral administration of a lecithin-based delivery form of boswellic acids (Casperome®) for the prevention of symptoms of irritable bowel syndrome: a randomized clinical study. Minerva Gastroenterologica e Dietologica 2019;65:30-35

[12] Stürner KH, Stellmann JP, Dörr J et al. A standardised frankincense extract reduces disease activity in relapsing-remitting multiple sclerosis (the SABA phase IIa trial). Journal of Neurology, Neurosurgery and Psychiatry 2018;89:330-338

[13] Schmiech M, Lang SJ, Ulrich J et al. Comparative Investigation of Frankincense Nutraceuticals: Correlation of Boswellic and Lupeolic Acid Contents with Cytokine Release Inhibition and Toxicity against Triple-Negative Breast Cancer Cells. Nutrients 2019;11:2341-2359

Autorin

Priv.-Doz. Dr. Kristina Jenett-Siems studierte Pharmazie an der Freien Universität Berlin, wurde dort promoviert und hat sich 2003 für Pharmazeutische Biologie habilitiert. Forschungsschwerpunkte: Phytochemie und Pharmakologie traditioneller Arzneipflanzen.

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