Aus Kammern und Verbänden

Großes Interesse an Weihrauch als Heilmittel

Das Weihrauchharz Olibanum von Boswellia serrata wird seit vielen Jahren in der indischen Volksmedizin Ayurveda eingesetzt. Aber auch die moderne Wirkstoffforschung ist nach wie vor am Weihrauchharz interessiert, um hinter das Geheimnis der pharmakologischen Wirkung zu kommen. Rund 180 Interessierte folgten der Einladung der DPhG nach Tübingen, um sich zu informieren und Prof. Dr. H. P. T. Ammon nachträglich zu seinem 75. Geburtstag zu gratulieren.

Der amtierende Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz hob die großen Verdienste hervor, die Prof. Dr. H. P. T. Ammon sich um die Entwicklung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft erworben hat: Von 1996 bis 1999 war er Präsident der DPhG und hat in dieser Zeit die Weichen dafür gestellt, dass die DPhG sich zu einer modernen, professionellen wissenschaftlichen Gesellschaft mit steigenden Mitgliederzahlen entwickelt. So sei die Einrichtung der ersten effizienten und professionellen DPhG-Geschäftsstelle in Frankfurt Ammon zu verdanken. Und Ammon habe die Öffnung der DPhG nach außen immer vorangetrieben. In vielen Statements habe er aktuelle Themen angesprochen und zu relevanten Problemen fundiert Stellung genommen. Aber Ammon habe auch immer über den Tellerrand hinaus geschaut und Kontakt zu Nachbargesellschaften im In- und Ausland gesucht und gepflegt. Zum Beispiel war es ihm stets ein großes Anliegen, dass Ärzte und Apotheker ihr Wissen austauschen und so voneinander profitieren. Schubert-Zsilavecz schilderte Ammon als einen DPhG-Präsidenten, der "seine" wissenschaftliche Gesellschaft weiterentwickelte und dabei nicht in einem Elfenbeinturm residierte, sondern stets versuchte, die wissenschaftliche Pharmazie den Studierenden und dem gesamten Berufstand ans Herz zu legen.

Weihrauch ist nicht gleich Weihrauch

Anlässlich des Weihrauchsymposiums führte Ammon selber in die medizinische Verwendung von Weihrauch ein, der ihn mit seinen vielfältigen Wirkungen so sehr fasziniert hat. 1979 fuhr er zum ersten Mal nach Indien, um hinter das Geheimnis der ayurvedischen Medizin zu kommen. Damals gab es nur etwa sechs Publikationen rund um den Weihrauch – heute sind es ca. 180, nicht wenige davon stammen aus dem Arbeitskreis Ammon. Das Spektrum der Symptome, bei denen Weihrauchextrakte angewendet werden, ist breit. Es reicht von Krankheiten des rheumatischen Formenkreises, wie der rheumatoiden Arthritis, Osteoarthritis und chronischen Gelenkentzündung über die entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa und die Schuppenflechte (Psoriasis) bis hin zum Asthma bronchiale. Neuere Untersuchungen dokumentieren den erfolgreichen Einsatz bei der Ödembehandlung von Hirntumoren.

Die indische Medizin befasst sich hauptsächlich mit den Arten Boswellia sacra und Boswellia serrata. Vor allem Boswellia serrata steht mittlerweile im Mittelpunkt des therapeutischen Interesses: Der große verzweigte Baum aus der Familie der Burseraceae gedeiht in den trockenen Bergregionen Nordost-Indiens. Die Weihrauchgewinnung erfolgt in den Monaten von Ende Oktober bis Ende April durch mehrfaches Anschneiden der Bäume. Bisher hat man über 200 verschiedene Stoffe aus Olibanum isoliert, darunter unter anderem Schleimstoffe, Boswelliasäuren und etherische Öle. Interessant ist dabei, dass sich in der Forschung mit Weihrauchextrakten gezeigt hat, dass der Gesamtextrakt eine bessere Wirkung zu haben scheint als die Reinsubstanzen. Daher sollte immer mit auf Boswelliasäuren standardisierten Extrakten gearbeitet werden.

Angeln nach einem Target

Boswelliasäuren sind pentazyklische Triterpene, die als biologisch aktive Komponenten des Weihrauchharzes aus Boswellia serrata identifiziert wurden. Diverse Studien konnten unter anderem eine entzündungshemmende und immunsuppressive Wirkung belegen. Klinische Untersuchungen an Patienten mit rheumatischen Beschwerden, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn zeigten vielversprechende Effekte. Bislang wurden die 5-Lipoxygenase, kappa-B-Kinasen und die Elastase als Zielenzyme von Boswelliasäuren identifiziert und in einen direkten Zusammenhang mit der entzündungshemmenden Wirkung gebracht. Die Forschung zeigte, dass Boswelliasäuren zentrale Signaltransduktionsmechanismen, mitogenaktivierte Proteinkinasen, Proteinkinase B und proinflammatorische Zellen modulieren. Mittels einer sogenannten Protein-fishing-Strategie zur Targetidentifizierung von Boswelliasäuren gelang es, Cathepsin G als hoch-affines Target aller beta-konfigurierten Boswelliasäuren zu identifizieren. Die Hemmung von Cathepsin G durch die Boswelliasäuren hat Konsequenzen für entzündungsrelevante Zellfunktionen wie die Einwanderung der Neutrophilen oder die Thrombozytenaktivierung. Diese Hemmung wurde bei Konzentrationen beobachtet, die im Bereich der maximalen Plasmaspiegel liegen, die nach oraler Einnahme von Weihrauchpräparaten erreicht werden. Daher gehen neueste Vermutungen in die Richtung, dass Interferenzen von Boswelliasäuren mit Cathepsin G der entzündungshemmenden Wirkung von Weihrauchextrakten zugrunde liegen.

Kein Präparat bei uns als Arzneimittel zugelassen

In der klassischen europäischen Naturheilkunde wurde der Weihrauch hauptsächlich zur Linderung von rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. So war Weihrauch noch 1850 zur inneren und äußeren und 1870 lediglich zur äußeren Anwendung in pharmakologischen Büchern zu finden. Nach 1875 geriet der Weihrauch, wie so viele andere Erfahrungsarzneimittel, durch chemisch definierte Medikamente in Vergessenheit. Weihrauch als Arzneimittel wurde erstmals 1926 in das DAB 1 als "Olibanum" aufgenommen, 1941 erschien es im Ergänzungsband zum DAB 6. 2008 erfolgte die (Wieder-)Aufnahme von Olibanum indicum in die englische Version des europäischen Arzneibuchs ab Ph. Eur. 6. In der Roten Liste kann man homöopathische Weihrauchzubereitungen als Globuli, Tabletten und Tropfen finden. Für das Präparat H15 AyurmedicaTM liegt im Schweizer Kanton Appenzell eine Teilzulassung vor, in Deutschland ist dieses Präparat nicht zugelassen. Einzelimporte aus Indien sind auf ärztliche Verschreibung möglich. Dass Weihrauchpräparate als pflanzliche Arzneimittel bezüglich Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit die gleichen Zulassungsauflagen erfüllen muss, wie synthetische Arzneimittel, erschwert die Zulassung. Eine Nachzulassung ist leider nicht möglich, da in Deutschland keine traditionelle Anwendung belegt ist. Es sei bedauerlich, so Ammon, dass in Deutschland bzw. in Europa kein Weihrauchpräparat als Arzneimittel zugelassen ist. "Heute gilt nur, was durch Studien belegt ist, anderes gilt nicht." Dabei wird die Wirksamkeit als belegt angesehen: In Tierversuchen zeigten sich einheitlich positive Effekte und es wurden auch viele klinische Studien erfolgreich durchgeführt. Nur entspricht das Studiendesign nicht den Anforderungen, die an Studien für einen Zulassungsantrag als Arzneimittel gestellt werden: Die Studien lieferten oft keine eindeutigen Ergebnisse und es wurden sehr kleine Patientenkollektive eingeschlossen. Hinzu kommt, dass unterschiedliche Weihrauchextrakte verwendet wurden, deren pharmazeutische Qualität nicht zufriedenstellend geklärt wurde. Allerdings sind viele, wenig charakterisierte Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt. Hier werden Kapseln oder Tabletten angeboten, die das grob pulverisierte reine Harz oder Trockenextrakte enthalten. Nur teilweise seien diese Produkte auf Boswelliasäuren standardisiert und entsprechen nur in den seltensten Fällen geprüfter Arzneimittelqualität. Die Hersteller treffen meist keine Aussage über die Gewinnung der Rohstoffe bzw. der Extrakte, die Einschätzung der pharmakologischen Relevanz ist kaum möglich und die Bioverfügbarkeit bei oraler Applikation muss teilweise als höchst fraglich eingeschätzt werden.

 

Quelle

Weihrauchsymposium der DPhG am 5. April 2008 an der Eberhard Karls Universität Tübingen, im Nachgang zum 75. Geburtstag von Prof. Dr. H. P. T. Ammon, mit Beiträgen von Prof. Dr. H. P. T. Ammon, Tübingen; Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Frankfurt; Dr. Henning Gerhardt, Mannheim; Prof. Dr. Johann Jauch, Saarbrücken; Dr. Christine Müller, Tübingen; Prof. Dr. Oliver Werz, Tübingen, Johannes Ertelt, Tübingen; Dr. Joachim Schwarz, Köln; Dr. Gurbakhsh Singh, Jammu, Indien; Dr. Mona Abdel-Tawab, Frankfurt; Priv.-Doz. Dr. Ahmed Madisch, Dresden; Prof. Dr. Hildebert Wagner, München; Prof. Dr. Michael Winking, Osnabrück. 

 


ck

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