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Stolz sieht Fremdund Mehrbesitz nur zum Teil kritisch

STUTTGART (diz). Die Auswirkungen einer möglichen Liberalisierung im Apothekenmarkt sieht die baden-württembergische Arbeits- und Sozialministerin Dr. Monika Stolz (CDU) nur zum Teil kritisch. Wie sie in einer Stellungnahme auf eine Anfrage der CDU im Baden-Württembergischen Landtag verlauten lässt, bergen vertikale Konzernverflechtungen im Gesundheitssektor die Gefahr, dass das verfügbare Angebot auf konzerneigene Produkte beschränkt wird. Aber sie glaubt auch, dass es bei der Zulassung von Fremd- und Mehrbesitz im Apothekenbereich zu mehr Wettbewerb und möglicherweise zu sinkenden Preisen kommen könnte.

Die Antragsteller fragten u. a. danach, wie sich die höhere Apothekendichte in Norwegen im Vergleich zu den anderen skandinavischen und europäischen Ländern ausgewirkt hat. Monika Stolz ging in ihrer Stellungnahme dabei auf die personellen Veränderungen ein: "Einer Studie des Österreichischen Bundesinstituts für Gesundheitswesen zufolge, in der die Arzneimittelversorgungsstrukturen verschiedener europäischer Staaten verglichen werden, stieg die Anzahl der in Apotheken beschäftigten Apotheker in Norwegen seit dem Jahr 2001 um sechs Prozent, während gleichzeitig die Zahl der Apotheken um 35% zunahm. Dies bedeutet für die einzelne Apotheke eine Reduzierung des pharmazeutischen Fachpersonals. Während die Betreiber von Apothekenketten die Auffassung vertreten, die Beratungsqualität sei durch die Etablierung von Apothekenketten, insbesondere durch standardisierte Fortbildung des Fachpersonals, gestiegen, beklagt die Norwegische ‚Association of Pharmacists’ als Resultat einer Umfrage aus den Jahr 2004 eine durch die Reduktion des Fachpersonals entstandene Arbeitsüberlastung, die mit einer erhöhten Gefahr von Fehlern bei der Abgabe von Arzneimitteln verbunden sei. Weiterhin wird bemängelt, dass für die Mitarbeiter in den Apotheken Konflikte zwischen fachlichen und wirtschaftlichen Interessen nach der Liberalisierung des Apothekenmarktes deutlich zugenommen hätten."

Nur vereinzelt höhere OTC-Preise

Auch die Entwicklung der OTC-Preise, die als einzige Arzneimittelgruppe keinen staatlichen Preisbildungsmechanismen unterliegen, kam in der Anfrage zur Sprache. Die Antwort der Ministerin: "Der Anteil nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel am gesamten Arzneimittelmarkt sinkt kontinuierlich, obwohl bestimmte nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel seit 2003 auch außerhalb von Apotheken abgegeben werden dürfen. Dies könnte einem Report des Unternehmens Econ Analyse AS zufolge, der im Jahr 2003 im Auftrag der norwegischen Regierung erstellt wurde, auf erhebliche Preissteigerungsraten bei bestimmten Präparaten (Nicotinentwöhnungsmittel, Paracetamol, Ibuprofen) zurückzuführen sein, die mit 10 bis 45% im Zeitraum von 1999 bis 2004 deutlich über der allgemeinen Preissteigerungsrate in Höhe von 8% lagen. Insgesamt ist im Bereich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel kein preissteigernder oder -senkender Einfluss durch die Liberalisierung des Apothekenmarktes erkennbar."

Regulatorisch gegensteuern

Die baden-württembergische Ministerin sieht allerdings deutlich, dass sich bei einer Zulassung des Fremd- und Mehrbesitzes Firmen des pharmazeutischen Großhandels und Drogerien Apotheken beziehungsweise Apothekenketten betreiben könnten, ebenso Discount-Apotheken mit einem begrenzten günstigen Angebot. Hier lässt Monika Stolz klar erkennen: "Die Beschränkung einzelner Apotheken auf ein Teilsortiment beziehungsweise Teilleistungsangebot ist allerdings aus gesundheitspolitischer Sicht nicht erwünscht, daher müsste entsprechenden Tendenzen regulatorisch entgegengesteuert werden. Da es in Deutschland zahlreiche Marktteilnehmer auf dem Apotheken- und Arzneimittelmarkt gibt, ist die Bildung eines Oligopols mit nur wenigen Anbietern relativ unwahrscheinlich. Die Marktmacht der Betreiber von Apothekenketten dürfte aber trotzdem deutlich steigen. Bei einer Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots könnten Konzerne versuchen, stärker in den Markt zu drängen. Aus gesundheitspolitischer Sicht wären gegebenenfalls alternative Regelungen erforderlich, um die finanzielle Grundlage für die Apotheken heutiger Struktur zu erhalten. Auch wenn Apothekenketten in Norwegen erfolgreich sind und dort in gewissem Umfang Verbesserungen in der Arzneimittelversorgung eingetreten sind, ist ein Vergleich mit Deutschland, wo bereits heute funktionierende Strukturen, insbesondere in Flächenländern, eine Arzneimittelversorgung auf hohem Qualitätsniveau gewährleisten und andere infrastrukturelle Voraussetzungen vorliegen, nur bedingt möglich."

Sinkende Preise, weniger Apotheken

Interessant ist ihre Einschätzung, wie sie die Auswirkungen möglicher vertikaler Konzernverflechtungen im deutschen Markt mit den bereits bestehenden Möglichkeiten, z. B. medizinische Versorgungszentren von Dritten gründen und betreiben zu lassen, sieht: "Vertikale Konzernverflechtungen im Gesundheitssektor bergen grundsätzlich die Gefahr einer weitgehenden Einschränkung des verfügbaren Angebots auf konzerneigene Produkte. Dies gilt insbesondere dann, wenn derjenige, der Arzneimittel verordnet, an deren Umsatz beteiligt ist. Der Wettbewerb unter den Apotheken würde bei einer Liberalisierung des Apothekenmarktes wesentlich intensiver werden. Die Preise für Arzneimittel könnten dabei möglicherweise sinken. Ein funktionierender fairer Wettbewerb könnte dazu beitragen, unwirtschaftliche Versorgungsstrukturen zu beseitigen. Einzelne Apotheken müssten sich auf den intensiveren Wettbewerb einstellen und mit Qualitätssteigerungen, Effizienzverbesserungen, ausführlicheren Beratungen und attraktiven Zusatzangeboten reagieren. Bei Apotheken, die dies nicht in ausreichendem Maße tun, könnte es zu Umsatzeinbußen kommen. Dies könnte später zur Schließung einzelner Apotheken führen. Mittelfristig könnte es dadurch zu einer Reduktion der derzeit hohen Apothekenanzahl in Deutschland kommen. Es ist aber davon auszugehen, dass eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln trotzdem sichergestellt werden kann."

Den Antrag hatten die CDU-Abgeordneten Dr. Reinhard Löffler, Dr. Bernhard Lasotta, Nicole Razavi, Helmut Walter Rüeck und Andreas Hofmann in den baden-württembergischen Landtag eingebracht. Sie begründen ihre Anfrage mit der Befürchtung, dass die Preisgabe des Mehr- und Fremdbesitzverbots in Deutschland zu oligopolistischen Apothekenmarktstrukturen führen und die Vorteile einer Marktliberalisierung im Gesundheitswesen in sein Gegenteil verkehren könne.

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