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Die norwegische Strategie

Noch war kein Wort vom Fachgespräch der Grünen, an dem auch Celesio-Chef Oesterle beteiligt war, in der DAZ gedruckt. Trotzdem hatten wir schon einen deutlichen Hinweis von Celesio per Fax auf dem Tisch, dass sich der Konzern rechtliche Schritte jeder Art vorbehalte, "für den Fall der Wiedergabe [einer Meldung des Nachrichtendienstes Apotheke Adhoc – Anm. der Red.] in der AZ, der DAZ oder in einer anderen Publikation Ihrer Verlagsgruppe". Celesio wehrte sich in diesem Fax gegen eine Meldung von "Apotheke Adhoc", die über dieses Fachgespräch "sowohl inhaltlich falsch als auch irreführend, da aus dem Zusammenhang gerissen" berichtet haben soll. Gegen "Apotheke Adhoc" habe man bereits "wegen Verstoßes gegen den Pressekodex Beschwerde beim Deutschen Presserat eingereicht". Die angesprochene Meldung war am Dienstagnachmittag noch auf den Online-Seiten von Apotheke Adhoc zu finden.

Ein solches Fax kann uns nicht einschüchtern. Wir kommen unserer Informationspflicht nach und berichten, was wir selbst gehört, gelesen und gesehen haben. Auch die DAZ war auf diesem Fachgespräch der Grünen am 26. Oktober in Berlin dabei (siehe unseren Bericht auf Seite 18). Man diskutierte mit grünen und celesioblauen Augen die Apothekenzukunft, hatte Visionen von Kettenlandschaften und den großen Chancen für die Arzneiversorgung, siehe Norwegen (siehe auch Seite 26). Das Beispiel des skandinavischen Vorreiters in Sachen Ketten zitiert der Celesio-Chef besonders gern. Dabei stellt er vor allem die gesunkenen Preise in Norwegen heraus (sie sind eher staatlichen Preisvorschriften zuzurechnen als den Ketten) und die tolle Beratungsqualität. Der eine oder andere Seitenhieb auf seine Kunden in Deutschland schleicht sich da schon mal ein. Beispielsweise, wenn er auf Testergebnisse hinweist, die Apotheken eine schlechte Beratung bescheinigten. Oder wenn er sagt, dass viele Apothekenleiter nachmittags lieber Motorrad fahren als selbst in der Offizin zu stehen. Doch das stand nur am Rande.

Im Vordergrund scheint bei Oesterle das Ziel zu stehen, eine Kettenlandschaft (à la Norwegen?) aufzubauen. Diese Strategie verfolgt er auf mehreren Wegen. So holte er die Politik- und Kommunikationswissenschaftlerin Niombo Lomba, Mitglied des Kreisverbands Stuttgart der Grünen, in sein Unternehmen als Corporate Affairs Managerin. Seit an Seit mit den Grünen arbeitet er nun darauf hin, Deutschland mit Apothekenketten zu beglücken, wie er bereits die Norweger – zusammen mit zwei anderen Großhändlern – von den Segnungen der Apothekenketten zu überzeugen versucht.

Bundestagsabgeordneten ließ Celesio Anfang Oktober eine "Studie" der Bundesagentur für Außenwirtschaft zukommen, die den norwegischen Apothekenmarkt sehr positiv bewertet. Bei genauerer Analyse wird man aber feststellen, dass die dort angeführten Auswirkungen sehr differenziert betrachtet werden müssen und nicht unbedingt auf das Kettensystem zurückzuführen sind. Sie rühren vielmehr auch von staatlichen Eingriffen in die Arzneimittelpreisstruktur her. Diese Celesio-Information für die Bundestagsabgeordneten veranlasste die ABDA, die Abgeordneten mit ihren Zahlen und Erkenntnissen über Norwegen zu versorgen, die sich, wie zu erwarten, von den Celesio-Ansichten unterscheiden. Daraufhin tauchte letzte Woche ein Brief des Norwegischen Apothekenverbands Apotekforening im Internet auf, in dem er sich über die irreführende und falsche Informationspolitik der ABDA beschwerte (siehe Seite 24). Falsch sei beispielsweise, dass die Arzneimittelpreise in den letzten Jahren (nach der Liberalisierung und nach der Einführung der Ketten) gestiegen seien, dass die Apothekenzahl zurückgegangen sei. Tenor des Briefes: Die Liberalisierung des Apothekenwesens in Norwegen gelte als Erfolg und die ABDA versuche der Politik und der Bevölkerung einzureden, in Norwegen sei das Apothekensystem aufgrund der Liberalisierung schlechter geworden. Der Brief wurde allerdings nie zugestellt, sondern findet sich nur im Internet.

Außerdem sollte man zum Absender des Briefes wissen, dass der norwegische Apothekenverband der Verband der Apothekenbesitzer ist – 97 Prozent der norwegischen Apotheken gehören drei Großhändlern oder sind sehr eng mit ihnen verbunden. Und: Diese Kettenmitglieder sitzen natürlich auch im norwegischen Apothekerverband, beispielsweise der Apotheker Kjell Paulsrud. Er ist Geschäftsführer des Celesio-Großhandels (Norsk Medisinaldepot, NMD Grossisthandel AS) in Norwegen, er ist Geschäftsführer der Celesio-Apothekenkette Vitusapotek, Geschäftsführer von Celesio-Services Norwegen und er ist Vorstandsmitglied von Apotekforeningen, eben dem Norwegischen Apothekerverband. So ließe sich sehr einfach erklären, von wem der "Brief" an die ABDA gesteuert sein könnte.

Klar, dass die der Gehe Pharma Handel GmbH nahestehenden ISA-Apotheker zusammen mit der Gehe diesen norwegischen Brief sofort ins Deutsche übersetzen ließen und ihn breit streuten: Schaut her, wie irreführend die ABDA informiert und wie gut sich ein Apothekensystem mit Ketten entwickelt.

Ob die norwegische Strategie aufgeht? Wird Oesterle unruhig? Letzteres könnte schon sein, denn einem Europarechtler zufolge wird er noch – sollte alles in seinem Sinn verlaufen – bis 2009 auf die EuGH-Entscheidung warten müssen. Und vor Gericht ist alles offen. Aber bis dahin könnte der eine oder andere seiner Kunden vielleicht genauer darüber nachdenken, ob ihm eine norwegische Apothekenwelt in Deutschland gefallen würde.

Peter Ditzel

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