Arzneimittel und Therapie

Ambrisentan gegen Lungenhochdruck

Der neue Endothelin-Rezeptorantagonist Ambrisentan (Volibris®) ist zur Behandlung von Patienten mit pulmonal arterieller Hypertonie (PAH) der WHO-Funktionsklassen II und III indiziert, um die körperliche Belastbarkeit zu verbessern. Bei dieser Erkrankung ist der Blutdruck im Lungenkreislauf erhöht.
Ambrisentan

Die Symptome einer pulmonalen Hypertonie, auch Lungenhochdruck genannt, werden häufig anfänglich nicht erkannt. "Erste Anzeichen der Erkrankung verspürte ich etwa zwei Monate nach der Entbindung – ich war körperlich wenig belastbar, alltägliche Dinge konnte ich nur sehr langsam und unter großer Anstrengung erledigen", berichtet Ulrike G., 28. "Ich dachte, die Erschöpfung hat mit der Schwangerschaft und Geburt zu tun. An eine ernstzunehmende Erkrankung habe ich nie gedacht."

Erste Anzeichen sind ­unspezifisch

Da die ersten Symptome des Lungenhochdrucks wie Atemnot oder Müdigkeit sehr unspezifisch sind, werden diese Anzeichen sowohl von den Betroffenen als auch von Ärzten häufig falsch interpretiert, und auch Ulrike G. musste bis zur Diagnose eine Odyssee von Arzt zu Arzt durchmachen. Der Lungenfacharzt diagnostizierte fälschlicherweise ein belastungsabhängiges Asthma.

Etwa einen Monat später erlitt die junge Mutter eine Ohnmacht, nachdem sie eine Treppe schnell hochgelaufen war. Während der kurzen Bewusstlosigkeit waren Zuckungen aufgetreten. Daher ging der konsultierte Neurologe von einem epileptischen Anfall aus. Etwa zwei Wochen später kam es zu einer erneuten Ohnmacht, wiederum nach dem Treppensteigen. Jetzt endlich wurde die richtige Diagnose gestellt: pulmonal-arterielle Hypertonie.

Vor allem jüngere Menschen erkranken

An dieser Erkrankung leiden heute in Deutschland etwa 2000 bis 3000 Menschen, in Europa und den USA sind rund 100.000 Menschen betroffen. Die Dunkelziffer dürfte auf Grund der schwierigen Diagnosestellung jedoch deutlich höher sein. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, wobei Frauen dreimal häufiger betroffen sind als Männer. Rasse oder klimatische Unterschiede scheinen keinen Einfluss zu haben. Bei den meisten Patienten ist die eigentliche Ursache für die tödliche Erkrankung unklar.

Die Lungenarterien verengen sich

Ursache für die Druckerhöhung in der Lunge sind Verengungen der Lungenarterien, zum Beispiel, weil die Muskeln in den Gefäßwänden sich vermehren und zu Bindegewebe umgebaut werden. Auch Entzündungen können die Gefäßwände anschwellen lassen, und Thromben können sie verstopfen und einengen.

Im Lungenkreislauf wird das Blut von der rechten Herzkammer durch die Arterien der Lunge gepumpt, reichert sich mit Sauerstoff an und fließt zur linken Herzkammer zurück, von wo es in den Körperkreislauf gelangt. Normalerweise herrscht im Lungenkreislauf sowohl in Ruhe als auch unter körperlicher Belastung stets ein niedriger Blutdruck von etwa 14 mmHg. Bei der pulmonal arteriellen Hypertonie ist der Blutdruck im Lungenkreislauf erhöht, der mittlere pulmonarterielle Druck beträgt in Ruhe mehr als 25 mmHg; unter Belastung über 30 mmHg.

Tod durch Herzversagen

Um genügend Blut durch den Lungenkreislauf zu pumpen, muss die rechte Herzkammer einen immer höheren Widerstand überwinden, was zunächst zu einer Hyperthrophie des Herzmuskels führt. Der Blutfluss reicht häufig nicht mehr aus, um den Sauerstoffbedarf zu decken. Als Folge ermüden die Patienten rasch und sind körperlich nur wenig belastbar.

Die chronische Überlastung der rechten Herzkammer führt zu einer Rechtsherzinsuffizienz mit vermindertem Auswurf, die das Herz wiederum durch eine höhere Schlagfrequenz zu kompensieren versucht – ein Teufelskreis, der letztlich zum Rechtsherzversagen führen kann.

Normalerweise führt die pulmonal arterielle Hypertonie innerhalb weniger Jahre zum Tod.

Vererbung und Krankheitsfolge

Die Ursachen für den Lungenhochdruck sind vielfältig. So gibt es eine erbliche Form. Hier ist ein Gen verändert, das die Bauanleitung für ein Protein auf der Zelloberfläche enthält, das Bone morphogenic protein receptor Typ II (BMPRII). Dieser Membranrezeptor reguliert das Zellwachstum. Die Mutation des Rezeptors führt zu einer gestörten Signalübertragung in den glatten Muskelzellen, welche die Wände der Lungengefäße bilden. Als Folge vermehren sich die glatten Muskelzellen und vergrößern sich ungehemmt.

Oft entsteht eine pulmonal arterielle Hypertonie die Folge anderer Erkrankungen, zum Beispiel der rheumatoiden Arthritis, des systemischen Lupus erythematodes oder von Aids. Ebenso können verschiedene Erkrankungen der Lunge und des Herzens zu Lungenhochdruck führen.

Eine andere Ursache sind Nebenwirkungen von Arzneimitteln. So wurden vor dreißig Jahren die Appetitzügler Aminorex, Fenfluramin und Dexfenfluramin vom Markt genommen, weil sie Herzklappenveränderungen und Lungenhochdruck auslösen können.

Tödliche Diagnose

Ohne Behandlung hätte Ulrike G. nur noch etwa drei Jahre zu leben gehabt, und eine Lungentransplantation wäre ihre einzige Hoffnung. Heute kann eine rechtzeitige Diagnose das Leben der Betroffenen dank neuer Behandlungsmöglichkeiten verbessern und verlängern. Eine wichtige Unterstützung fand Ulrike G. im Selbsthilfeverein pulmonale hypertonie e.v. (ph e.v., www.phev.de).

Moderne Therapieoptionen

Mit drei Wirkstoffgruppen wird heute das Fortschreiten der Erkrankung aufgehalten:

Phosphodiesterase-Inhibitoren hemmen den Abbau von zyklischem GMP, der eigentlichen Effektorsubstanz des Stickoxidsystems und führen damit zu einer Vasodilatation. Seit 2005 ist der Phosphodiesterase-Hemmer Sildenafil (Viagra®) für die Behandlung des Lungenhochdrucks bei Männern und Frauen in einer Tagesdosis von dreimal 20 mg zugelassen.

Prostaglandin-Analoga wie Epoprostenol, Iloprost, Beraprost und Treprostinil werden intravenös infundiert und senken den Druck stark, allerdings können sie schwere systemische Nebenwirkungen sowie Infektionen auslösen. Seit 2003 ist Iloprost zur Inhalation zugelassen.

Endothelin-Rezeptorantagonisten richten sich gegen die Wirkung des starken Vasokonstriktors Endothelin und senken den erhöhten Blutdruck. Seit 2002 ist Bosentan als erster Vertreter dieser Stoffklasse zur Behandlung der PAH auf dem Markt, seit 2006 Sitaxentan. Jetzt wurde mit Ambrisentan ein weiterer Endothelin-Rezeptorantagonist eingeführt.

Steckbrief: Ambrisentan

Handelsname: Volibris

Hersteller: GlaxoSmithKline, Bad Oldesloe

Einführungsdatum: 15. Juni 2007

Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 5 bzw. 10 mg Ambrisentan. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Lactose-Monohydrat, mikrokristalline Cellulose, Croscarmellose-Natrium, Magnesiumstearat (Ph. Eur.). Filmüberzug: Polyvinylalkohol (zum Teil hydrolysiert), Talkum (E553b), Titandioxid (E171), Macrogol/PEG 3350, Sojalecithin (E322), Allurarot AC Aluminium Lake (E129).

Packungsgrößen, Preise und PZN: Volibris 5 mg: 30 Filmtabletten, 3524,88 Euro, PZN 1467220. Volibris 10 mg: 30 Filmtabletten, 3524,88 Euro, PZN 0886110.

Stoffklasse: Antihypertonikum; Endothelin-Rezeptorantagonist. ATC-Code: CO2KX02.

Indikation: Zur Behandlung von Patienten mit pulmonal arterieller Hypertonie der WHO-Funktionsklassen II und III, um die körperliche Belastbarkeit zu verbessern.

Dosierung: 5 bis 10 mg oral einmal täglich, mit oder unabhängig von den Mahlzeiten.

Gegenanzeigen: Schwangerschaft; Frauen, die im gebärfähigen Alter sind und keine sichere Kontrazeptionsmethode anwenden; Stillzeit; stark eingeschränkte Leberfunktion (mit oder ohne Zirrhose); stark erhöhte Ausgangswerte der Leber-Aminotransferasen.

Nebenwirkungen: Sehr häufig: Kopfschmerzen (dosisabhängig), periphere Ödeme, Flüsdsigkeitsretention. Häufig: Palpitationen; Anämie; Schleimhautschwellungen im Bereich der oberen Atemwege (z. B. dosisabhängig verstopfte Nase, verstopfte Nasennebenhöhlen), Sinusitis, Nasopharyngitis, Rhinitis; Bauchschmerzen, Verstopfung; Hautrötungen.

Wechselwirkungen: Ambrisentan hemmt oder induziert die metabolisierenden Enzyme der Phase I oder II nicht, insbesondere nicht CYP3A4. Die Substanz scheint also nur ein geringes Potenzial für Veränderungen des Profils von Arzneimitteln aufzuweisen, die auf diesem Wege abgebaut werden. Bei einer gleichzeitigen Anwendung mit Ciclosporin A ist Vorsicht geboten. Bei gleichzeitiger Verabreichung mit anderen Arzneimitteln zur Behandlung der pulmonal arteriellen Hypertonie (z. B. Prostanoiden oder Phosphodiesterase-5-Inhibitoren) ist Vorsicht geboten.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Vor Beginn einer Ambrisentan-Therapie sollten die Leber-Aminotransferasewerte (ALT und AST) gemessen werden, eine monatliche Kontrolle wird empfohlen; bei einem ALT- und/oder AST-Anstieg mit Symptomen oder Zeichen einer Leberschädigung sollte die Therapie mit Ambrisentan beendet werden. Die Einleitung einer Ambrisentan-Therapie bei Patienten mit klinisch relevanter Anämie wird nicht empfohlen; während der Behandlung wird eine regelmäßige Kontrolle der Hämoglobinund/oder Hämatokritwerte empfohlen. Unter Endothelinrezeptor-Antagonisten einschließlich Ambrisentan kam es zu peripheren Ödemen; bei einer klinisch relevanten Flüssigkeitsretention mit oder ohne Gewichtszunahme sollte die Ursache abgeklärt werden.

Endothelin-Rezeptorantagonisten

Endothelin-1 (ET-1) gehört zu den stärksten bekannten Vasokonstriktoren. Das potente parakrin und autokrin gefäßaktive Peptid fördert Fibrosen, Zellproliferation, Herzhypertrophie und -umbau sowie Entzündungen.

Endothelin-1 bindet an Endothelin-A-Rezeptoren (ETA) auf den glatten Muskelzellen und an Endothelin-B-Rezeptoren (ETB) auf Endothelzellen. Die Folgen der Bindung an ETA sind Vasokonstriktion und Gefäßumbau, während die Bindung an ETB die Elimination von Endothelin sowie eine gefäßerweiternde und antiproliferative Wirkung zur Folge hat, die teilweise auf der Freisetzung von Stickstoffmon-oxid und Prostacyclin beruht.

Ambrisentan wirkt gezielt

Ambrisentan blockiert den ETA-Rezeptor-Subtyp, der vorwiegend auf den glatten Muskelzellen der Gefäße und den Myozyten des Herzens lokalisiert ist. Dadurch wird die durch Endothelin vermittelte Aktivierung von Second-messenger-Systemen verhindert, die zur Vasokonstriktion und zur Proliferation der glatten Muskelzellen führen und bei der Pathophysiologie der pulmonal arteriellen Hypertonie eine wichtige Rolle spielen. Wegen der hohen Selektivität von Ambrisentan für den ETA-Rezeptor ist zu erwarten, dass die günstige durch den ETB-Rezeptor vermittelte Produktion der Vasodilatatoren NO und Prostacyclin erhalten bleibt.

Da es nur wenige PAH-Patienten gibt, hat Ambrisentan (Volibris®) den Status als Orphan Drug erhalten. Seine Wirksamkeit wurde bei idiopathischer PAH und PAH assoziiert mit einer Bindegewebserkrankung nachgewiesen. Ambrisentan verringert die Vasokonstriktion und senkt den Blutdruck.

Ambrisentan wird oral in einer Dosierung von 5 mg einmal täglich eingenommen, die Dosis kann auf 10 mg täglich erhöht werden, wenn dies nötig ist.

Verbesserte Belastbarkeit

Ambrisentan wurde in den plazebokontrollierten Phase-III-Studien ARIES-1 und -2 bei 201 und 192 Patienten mit pulmonal arterieller Hypertonie untersucht. In beiden Studien wurde 2,5, 5 und 10 mg Ambrisentan zusätzlich zur supportiven beziehungsweise Basismedikation aus einer Kombination von Digoxin, Antikoagulanzien, Diuretika, Sauerstoff und/oder Vasodilatatoren (Calciumantagonisten, ACE-Hemmern) eingesetzt.

In beiden Studien besserte die Behandlung mit Ambrisentan die körperliche Belastbarkeit: Die Sechs-Minuten-Gehstrecke verlängerte sich nach zwölf Wochen mit einmal täglich 5 mg Ambrisentan im Vergleich zum Ausgangsbefund um 30,6 m (95%-KI: 2,9 bis 58,3; p =0,008) in der ARIES-1-Studie und um 59,4 m (95%-KI: 29,6 bis 89,3; p < 0,001) in der ARIES-2-Studie; bei den Patienten der 10-mg-Gruppe der ARIES-1-Studie um 51,4 m (95%-KI: 26,6 bis 76,2; p < 0,001). In der ARIES-2-Studie verlängerte Ambrisentan signifikant die Zeit bis zur klinischen Verschlechterung im Vergleich zu Placebo.

In den ARIES-Studien waren nach einem Jahr noch 95% der Patienten, die Ambrisentan erhalten hatten, am Leben. 93% der Patienten erhielten nach einem Jahr noch eine Monotherapie mit dem Wirkstoff.

Ambrisentan war gut verträglich. Häufigste Nebenwirkung war Kopfschmerz, der bei 12,7% der Patienten auftrat, verglichen mit 6,2% in der Placebogruppe. Weitere häufige Nebenwirkungen waren periphere Ödeme, vor allem an den Knöcheln und Füßen, sowie Nasenverstopfung. Weil sich die Leber-Transaminasen erhöhen können, sind regelmäßige Blutkontrollen notwendig. Bei Patienten mit stark eingeschränkter Leberfunktion beziehungsweise erhöhten Leberwerten ist Ambrisentan kontraindiziert.

Aufgrund seiner teratogenen Wirkung ist Ambrisentan bei Schwangeren kontraindiziert. Frauen im gebärfähigen Alter dürfen nur dann mit dem Wirkstoff behandelt werden, wenn ein zuvor durchgeführter Schwangerschaftstest negativ ausgefallen ist und zudem eine sichere Verhütungsmethode verwendet wird.

 

Quelle

Fachinformation von VolibrisR, Stand April 2008.

 

hel

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