Arzneimittel und Therapie

Endothelin-1-Rezeptorantagonist: Bosentan hilft bei pulmonaler Hypertonie

Mit Bosentan (Tracleer®) steht der erste orale Endothelin-1-Rezeptorantagonist zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH) zu Verfügung. Als dualer Endothelin-1-Rezeptorantagonist blockiert Bosentan die ETA- und ETB-Rezeptoren und hemmt somit die pathophysiologischen Wirkungen von Endothelin an den Blutgefäßen.

Eine erhöhte Konzentration von Endothelin, wie sie bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie auftritt, führt zu einer pathophysiologischen Erhöhung des Blutdruckes in den Lungengefäßen, denn Endothelin gehört zu den stärksten bisher bekannten Vasokonstriktoren. Gleichzeitig ist die Produktion der gefäßdilatierenden Substanzen Prostacyclin und NO vermindert. Dies führt zu einer Konstriktion der glatten Muskelzellen und später zu einem unkontrollierten Wachstum der Endothelzellen.

Zudem kommt es zu einer chronischen Entzündungsreaktion mit bindegewebigem Umbau der Gefäßwand (Remodelling), die dadurch ihre Elastizität verliert. Durch die zunehmend verengten Lungengefäße muss das Blut mit erhöhtem Druck gepumpt werden, um eine ausreichende Versorgung des Organismus zu gewährleisten.

Geringe Lebenserwartung

Die erhöhten Druckverhältnisse in den Lungengefäßen und die irreversiblen Veränderungen der Gefäßwände führen zu einer zunehmenden Belastung des rechten Herzens, dessen Pumpleistung langfristig nachlässt. Als Folge verschlechtert sich die Sauerstoffversorgung des Organismus, und die körperliche Leistungsfähigkeit nimmt deutlich ab. Die Lebenserwartung ist gering: Bei primärer pulmonaler Hypertonie beträgt sie nach Diagnosestellung nur noch drei bis fünf Jahre. Die häufigste Todesursache ist ein Versagen des rechten Herzens.

Dualer Angriff verhindert Remodelling der Gefäßwand

Endothelin ist nicht nur der stärkste bekannte endogene Vasokonstriktor, sondern auch ein potenter Wachstumsfaktor für glatte Muskelzellen und Fibroblasten. Es führt über Bindung an die ETA- und ETB-Rezeptoren sowohl zur Gefäßkonstriktion als auch zur Gefäßproliferation. Genau in diesen Pathomechanismus greift das neue Therapieprinzip ein: Als dualer Endothelin-Rezeptorantagonist blockiert Bosentan beide Rezeptoren und hemmt somit die pathophysiologischen Wirkungen von Endothelin an den Blutgefäßen.

Wie Studien zeigen, senkt die Therapie mit Bosentan den pulmonal-arteriellen Druck und führt zur Entlastung des rechten Herzens. Somit bessert sich die Belastbarkeit der Patienten deutlich, und der Schweregrad der Erkrankung geht zurück.

Therapie der pulmonalen arteriellen Hypertonie

Meistens wird eine chronische orale Antikoagulation sowie eine Therapie mit Diuretika durchgeführt. Neben oralen Calciumantagonisten stellt die Vasodilatanzientherapie mit infundierten oder inhalierten Prostanoiden (z. B. Prostacyclin, Iloprost) bisher die Standardtherapie der pulmonalen Hypertonie dar.

Die lebenslange Therapie mit infundiertem Prostacyclin birgt jedoch Risiken und Nebenwirkungen, die mit der Art der Applikation in direktem Zusammenhang stehen (Kathetersepsis, drohendes Rechtsherzversagen bei Pumpen- oder Katheterfehlfunktionen, systemische Nebenwirkungen). Für Patienten, die trotz einer chronischen Vasodilatanzientherapie nicht stabilisiert werden können, stellt die atriale Septostomie sowie die Lungen- (oder Herz-Lungen-) Transplantation die ultimative Therapiemöglichkeit dar.

Keine Dauerinfusion nötig

Ein besonderer Vorteil von Bosentan liegt in der oralen Applikation: Erstmalig ist damit eine effektive Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie mit Tabletten möglich. Die übliche Dosierung beträgt 125 mg zweimal täglich. Nach oraler Aufnahme ist Bosentan zu 50% bioverfügbar. Es wird zu 98% an Plasmaproteine gebunden. Die tmax liegt zwischen 3 und 5 Stunden, die Halbwertszeit beträgt 5,4 Stunden. Bosentan wird in der Leber durch das Cytochrom-P450-System über die Enzyme 3A4 und 2C9 hydroxyliert und demethyliert und dann biliär zu 93% in den Fäzes exkretiert.

Leberenzymwerte kontinuierlich kontrollieren

Als unerwünschte Wirkung hemmt Bosentan das Gallensalz-Transportsystem in der Leber. Das führt zu einer Akkumulation von Gallensalzen in Hepatozyten, die dadurch geschädigt werden können. In klinischen Studien kam es dosisabhängig und reversibel bei rund 11% der Patienten zu einer Erhöhung der Leberenzymwerte. Daher ist eine engmaschige Kontrollen der Transaminasen vor Behandlungsbeginn und in monatlichem Abstand während der Behandlung erforderlich. Wegen des Risikos von Fehlbildungen dürfen Schwangere oder Frauen, die eine Schwangerschaft planen, Bosentan nicht einnehmen.

Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit

Die Therapie der pulmonalen arteriellen Hypertonie verfolgt im wesentlichen zwei Ziele, nämlich die Verbesserung der Prognose sowie die Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit. Die pulmonalen arteriellen Hypertonie führt ohne eine adäquate Behandlung unweigerlich zum Tode. Daher sind längerfristig angelegte Therapiestudien, die darauf abzielen, eine Verbesserung der Überlebensrate zu demonstrieren, aus ethischen Gründen nicht durchführbar.

In den letzten Jahren wurde in allen Studien zur Therapie der pulmonalen arteriellen Hypertonie als primärer Endpunkt die Gehstrecke im 6-min-Gehtest gewählt. Dieser Test liefert nicht nur gut reproduzierbare Resultate über die körperliche Belastbarkeit, sondern gilt auch als Surrogatmarker für die Prognose der Patienten, da die Gehstrecke im 6-min-Gehtest eng mit der Lebenserwartung verknüpft ist.

Primäre Endpunkt in Studien erreicht

An der doppelblinden, plazebokontrollierten, weltweit durchgeführten multizentrischen BREATHE-1-Studie (Bosentan Randomized Trial of Endothelin Receptor Antagonist Therapy of Pulmonary Hypertension) nahmen 213 Patienten mit primärer und Sklerodermie-assoziierter pulmonaler Hypertonie teil.

Nach einer vierwöchigen Therapie mit zweimal täglich 62,5 mg Bosentan bzw. Plazebo wurden die Patienten für mindestens 12 Wochen mit zweimal täglich 125 mg bzw. 250 mg Bosentan oder mit Plazebo behandelt. Der primäre Endpunkt, eine signifikante Verbesserung des 6-min Gehtest gegenüber Plazebo wurde erreicht (p = 0.0002). Die Verbesserung betrug 44,2 m.

Die Zahl der Patienten, die sich unter der Therapie klinisch verschlechterten, war unter Bosentan kleiner als unter Plazebo. Die beiden verwendeten Bosentan-Dosierungen zeigten keinen signifikant unterschiedlichen Effekt. Dagegen war die Rate der Nebenwirkungen unter der höheren Dosis verstärkt. Unter Bosentan kam es im Vergleich zu Plazebo häufiger zu Gesichtsrötungen, Synkopen und Transaminasen-Erhöhungen, während seltener Schwindel, Husten und Dyspnoe auftraten.

Früherkennung durch den Rheumatologen

Da die ersten Symptome wie Kurzatmigkeit, Müdigkeit und schlechte körperliche Belastbarkeit uncharakteristisch sind, wird die pulmonale Hypertonie meist sehr spät erkannt. Ein Großteil der PAH-Patienten weist eine Grunderkrankung auf, die nachfolgend zum Entstehen des Lungenhochdrucks führt.

Insbesondere können bestimmte Bindegewebserkrankungen, Kollagenosen, die dem rheumatischen Formenkreis zugeteilt sind, wie zum Beispiel die progressive Sklerodermie, zu einer Erschwerung der Zirkulation im kleinen Kreislauf führen. Bei diesen Erkrankungen kommt es im ganzen Körper zum Umbau und zur Zunahme des Bindegewebes. Dadurch entwickelt sich bei einigen Patienten eine bindegewebige Verengung der Lungengefäße bis hin zur Lungenfibrose.

Von allen Organbeteiligungen im Rahmen der progressiven Sklerodermie bestimmen die pulmonalarterielle Hypertonie und Lungenfibrose am eindrücklichsten die Prognose der Erkrankung. Insbesondere den Rheumatologen fällt daher eine wichtige Rolle bei der Früherkennung der pulmonalen arteriellen Hypertonie zu, denn sie sehen das größte Risikokollektiv an PAH-Patienten lange bevor sie symptomatisch werden und einen Pulmologen oder Kardiologen aufsuchen.

Jährliche Lungenfunktionsprüfungen in Verbindung mit einer indirekten pulmonalarteriellen Druckabschätzung durch Echokardiographie erlauben eine zuverlässige Früherkennung und Verlaufsbeurteilung. In Verdachtsfällen sollte frühzeitig die Indikation zur Rechtsherzkatheteruntersuchung mit direkter Druckmessung im Lungenkreislauf gestellt werden.

Weitere Einsatzmöglichkeiten für Bosentan

Derzeit werden u.a. die Kombination von Bosentan mit Epoprostenol klinisch geprüft (BREATHE-2-Studie), die Ergebnisse werden im Herbst 2002 erwartet. Von der BREATHE-3-Studie, in der die Anwendung von Bosentan bei Kindern unter 15 Jahren untersucht wurde, konnte erst vorläufige Ergebnisse veröffentlicht werden: demnach wurden die relevanten hämodynamischen Parameter signifikant verbessert. Diese Wirkung wurde zudem bei Kindern festgestellt, die gleichzeitig mit intravenösem Epoprostenol behandelt wurden.

Ob die klinischen Daten auch auf andere Formen der pulmonalen Hypertonie übertragbar sind, wird in weiteren klinischen Studien untersucht. Actelion prüft außerdem Entwicklungsmöglichkeiten für die Anwendung von Bosentan bei idiopathischer Lungenfibrose. Von dieser schweren und meist tödlich verlaufenden Krankheit sind weltweit etwa 100 000 Patienten betroffen, für die es bislang keine zugelassenen Behandlungsmöglichkeiten gibt.

Kastentext: Primäre und sekundäre Form der pulmonalen arteriellen Hypertonie

In den USA und in Europa leiden bis zu 100000 Patienten an einer primären pulmonalen arteriellen Hypertonie oder an sekundären Formen dieser Erkrankung, in Deutschland sind mindestens 8000 Menschen von der sekundären pulmonalen Hypertonie betroffen. Die primäre Form der PAH kann erblich bedingt sein.

Sie kommt bei Männern und Frauen gleich häufig vor und beginnt im unterschiedlichsten Lebensalter. Die sekundäre pulmonale Hypertonie tritt wesentlich zahlreicher auf und beginnt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die sekundäre Form tritt im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen oder Bindegewebserkrankungen der Lunge, wie z.B. Autoimmunerkrankungen wie Sklerodermie und Lupus erythematodes, Virusinfektionen wie HIV und Hepatitis sowie angeborenen Herzfehlern auf. Auch einige Arzneimittel können bei längerer Einnahme als unerwünschte Wirkung eine pulmonale Hypertonie auslösen, besonders Appetitzügler und Amphetamine.

Quelle

Dr. Martin Fischli, Allschwil/CH; Prof. Dr. med. Hans-Hartmut Peter, Freiburg; Priv.-Doz. Dr. med. Marius Höper, Hannover; Priv.-Doz. Dr. med. Ralf Ewert, Greifswald; Priv.-Doz. Dr. med. Mathias Borst, Heidelberg; Dr. med. Ardeschir Ghofrani, Gießen; Einführungspressekonferenz Tracleer, Bergisch Gladbach, 7. und 8. Juni 2002, veranstaltet von der Actelion Pharnaceuticals Deutschland GmbH, Freiburg.

Mit Bosentan (Tracleer) steht der erste orale Endothelin-1-Rezeptorantagonist zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH) zur Verfügung. Als dualer Endothelin-1-Rezeptorantagonist blockiert Bosentan die ETA- und ETB-Rezeptoren und hemmt somit die pathophysiologischen Wirkungen von Endothelin an den Blutgefäßen. 

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