Fortbildungskongress

Hormonersatztherapie

Die Diskussion um die Hormonersatztherapie wird derzeit sehr emotional geführt. Welche Nutzen und welche Risiken sind nach neuestem Kenntnisstand tatsächlich mit der Hormonsubstitution in den Wechseljahren verbunden? Prof. Dr. Peyman Hadji, Marburg, erläuterte in einer differenzierten Sichtweise die relevanten Studienergebnisse.

Schaden oder nützen Hormone in den Wechseljahren?

Mit der Veröffentlichung der Daten der WHI (Women‘s Health Initiative) begann ein Paradigmenwechsel bei der Therapie klimakterischer Beschwerden. Wurde die Hormonsubstitution (Hormonersatztherapie, HET) früher als probates Mittel gegen so gut wie aller Beschwerden der Wechseljahre angesehen und ihr darüber hinaus präventive kardiovaskuläre Effekte zugeschrieben, so wird die Hormonsubstitution heute oftmals in Bausch und Bogen verurteilt. Wer hat recht, Befürworter oder der Gegner der Hormonersatztherapie und welche Entscheidungs- und Beratungshilfen stehen zur Verfügung? Hadji zufolge ist zuerst ein kritischer Blick auf die Zielsetzung der WHI zu werfen, die der Frage nachging, ob es im Hinblick auf kardiovaskuläre und osteoporotische Erkrankungen sinnvoll ist, bei allen gesunden postmenopausalen Frauen eine Hormonsubstitution durchzuführen. Die Studie mit mehr als 16.000 gesunden Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren bestand aus drei Armen: der Plazebogruppe, einer Gruppe, die eine fixe Kombination aus Estrogen und Gestagen erhielt und einer Gruppe, die aufgrund einer Hysterektomie nur Estrogene einnahm. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da unter der kombinierten Hormonsubstitution mehr Hirninsulte und Venenthrombosen aufgetreten waren und die Inzidenz von Herzinfarkten und invasiver Mammakarzinome angestiegen war. Aber – und hier setzt die Kritik ein – zwei Drittel der Frauen waren über 60 Jahre alt, in der Studie waren Risikopatientinnen (z. B. hoher BMI, Raucherinnen, Frauen mit arterieller Hypertonie) vertreten, und es waren keine individuellen Dosierungen erlaubt.

Andere Untersuchungen, wie etwa die Nurses Health Study und der WHI-Monoarm mit mehr als 10.000 hysterektomierten Frauen, führten zu differenzierteren Ergebnissen: Wie unter der kombinierten Hormontherapie war unter der Estrogen-Monotherapie das Schlaganfallrisiko erhöht und das Osteoporoserisiko reduziert. Das Risiko für eine koronare Herzerkrankung blieb gleich, und das Mammakarzinomrisiko sank um rund 20%. Eine jüngst publizierte Studie (Rossouw et al.), die sich mit den Auswirkungen einer Hormonersatztherapie in Abhängigkeit des Alters befasst, kommt zum Schluss, dass im Hinblick auf eine Herzerkrankung jüngere Frauen von der Hormongabe profitieren, ältere nicht. Das heißt, bei einem frühen Beginn der Hormonsubstitution ist ein protektiver Effekt nachweisbar.

Erwünschte und unerwünschte Folgen

Der jetzige Kenntnisstand lässt folgende Schlüsse zu:

  • Das Thromboserisiko ist unter einer HET erhöht. Dies gilt insbesondere für Frauen mit bestimmten Grunderkrankungen (z. B. bei angeborenen Gerinnungsstörungen).
  • Das Insultrisiko ist ebenfalls erhöht. Dies trifft vor allem für Risikopatientinnen wie etwa Hypertonikerinnen zu.
  • Bei einer Langzeittherapie ist ein erhöhtes Brustkrebsrisiko nicht auszuschließen. Es ist für eine länger als fünf Jahre dauernde Kombinationsbehandlung (Estrogen und Gestagen) nachgewiesen.
  • Unbestritten ist der Nutzen einer HET bei Hitzewallungen und bei urogenitalen Beschwerden (wobei letztere auch topisch behandelt werden können).
  • Die HET reduziert das Osteoporoserisiko in der Primärprävention.
  • Eine HET beugt dem Entstehen kolorektaler Karzinome und möglicherweise einer Alzheimer-Erkrankung vor.
  • Bei frühzeitigem Therapiebeginn wirkt die HET protektiv im Hinblick auf Herzinfarkte.
  • Allgemein überwiegt bei frühem Beginn der Nutzen einer individualisierten HET. pj
Allgemeine Empfehlungen
  • Vor dem Beginn einer HET muss eine ausführliche Eigen- und Familienanamnese erstellt werden.
  • Für Estrogene und Gestagene ist die niedrigste noch wirksame Dosis zu wählen.
  • Nicht hysterektomierte Frauen müssen ein Kombinationspräparat erhalten; die Therapie mit einem reinen Estrogen ist kontraindiziert.
  • Die Indikation für eine HET muss regelmäßig (mindestens einmal jährlich) überprüft werden.
  • Nutzen und Risiken der Therapie müssen regelmäßig unter Berücksichtigung der neusten Studienergebnisse hinterfragt werden.
  • Bei einem frühen Beginn einer HET ist mit dem größten Nutzen zu rechnen.
  • Wird die HET beendet, müssen die Hormone ausschleichend reduziert werden.
  • Transdermale Applikation (Gele, Pflaster) ist eine Alternative für Risikopatientinnen.
  • Die Beratung und Betreuung der Patientin muss in regelmäßigen Abständen erfolgen.
  • Kontrolluntersuchungen sind regelmäßig durchzuführen und Screeningverfahren einzusetzen.
  • Pflanzliche Präparate sind keine Alternativen zur kausalen HET, sie können jedoch eingesetzt werden, wenn die Frau einen subjektiven Benefit erfährt.
Nach einer neueren Studie profitieren im Hinblick auf eine Herzerkrankung jüngere Frauen von der Hormongabe, ältere nicht. Bei einem frühen Beginn der Hormonsubstitution ist also ein protektiver Effekt nachweisbar.
Foto: Imago
Prof. Dr. Peyman Hadji
Foto: Jungmayr

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