Arzneimittel und Therapie

Venöse Thromboembolien: Wann sind Frauen besonders thrombosegefährdet?

Pille, Schwangerschaft, Wochenbett und Hormonersatztherapie erhöhen das Thromboserisiko von Frauen. Häufig kommen mehrere Einzelrisiken (z. B. Gerinnungsstörungen, Alter) zusammen.

Das Thromboembolie-Risiko bei einer Operation lässt sich relativ einfach abschätzen und durch eine medikamentöse Prophylaxe ausschalten. Viel schwieriger ist die Risikostratifizierung bei nichtchirurgischen Patienten. Hier mangelt es an validen Studien. Die Erkrankung beginnt oft schleichend; es fehlt ein so genannter thrombogener Startpunkt.

Drei Grundprinzipien sind bei der Risikoabschätzung zu beachten:

  • Einzelrisiken addieren sich zum Gesamtrisiko, manchmal potenzieren sie sich sogar.
  • Einzelrisiken muss man gewichten: Eine Hormonersatztherapie fällt beispielsweise viel weniger ins Gewicht als eine aggressive Chemotherapie eines metastasierten Karzinoms.
  • Das Rückfallrisiko muss abgeschätzt werden, um die Dauer einer Thromboembolie-Prophylaxe zu ermitteln. So haben Patienten mit einer angeborenen oder erworbenen Thromboseneigung ein erhöhtes Rückfallrisiko.

Bei der Gewichtung der Einzelrisiken hilft eine hypothetische Rangliste der Risikofaktoren, die anhand der Thromboembolie-Neuerkrankungsrate erstellt wurde.

Frauenspefizische Risikofaktoren

Es gibt mehrere frauenspezifische Risikofaktoren für venöse Thromboembolien, darunter Schwangerschaft und Wochenbett, orale Kontrazeptiva und postmenopausale Hormonsubstitution. Nach WHO-Studiendaten beträgt das relative Risiko einer Thrombose in der Schwangerschaft 2 und im Wochenbett 8, unter oralen Kontrazeptiva 4 und unter einer Hormonsubstitution 3,5. Außerdem gehen bestimmte Krebserkrankungen von Frauen – Ovarialkarzinom, Korpuskarzinom, Zervixkarzinom und Mammakarzinom – sowie ihre Behandlung überproportional häufig mit thromboembolischen Ereignissen einher.

Risikofaktor Pille

Die Einnahme eines oralen Kontrazeptivums erhöht zwar das Thromboserisiko, eine Thromboseprophylaxe ist aber erst erforderlich, wenn weitere Risikofaktoren, wie eine akute Erkrankung, hinzutreten. Beispielsweise steigt das Thromboserisiko bei Frauen, die die Pille einnehmen und einen Antithrombin-Mangel (und damit eine Thrombophilie = Thromboseneigung) haben, auf das 32fache.

Risikofaktor Schwangerschaft

Eine andere riskante Situation ist die Schwangerschaft von Frauen mit einer Thrombophilie (z. B. Protein-S-Mangel, Antithrombin-Mangel). Die Gefahr von Spätabort/Fruchttod, vorzeitiger Plazentaablösung, Eklampsie und fetaler Wachstumsretardierung steigt.

Risikofaktor Hormonsubstitution

Auch die postmenopausale Hormonsubstitution erhöht bekanntermaßen das Thromboserisiko. Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse der WHI-Studie (Women's Health Initiative) bestätigen dies: Das relative Risiko von Thrombosen und Lungenembolien war unter der postmenopausalen Behandlung mit Östrogen plus Gestagen mehr als verdoppelt.

Die WHI-Studie ergab, dass die postmenopausale Östrogen-Gestagen-Substitution Frauen nicht vor kardiovaskulären und vaskulären Ereignissen schützt: Das Herzinfarktrisiko stieg im ersten Jahr und war während der Studiendauer von fünf Jahren geringfügig erhöht.

Eine postmenopausale Hormonsubstitution kommt deshalb nur bei Frauen mit ausgeprägten Wechseljahresbeschwerden und/oder hohem Osteoporoserisiko infrage. Sie sollte nicht länger als nötig erfolgen. Das erhöhte Brustkrebsrisiko ist zu beachten. Eine postmenopausale Hormonsubstitution ist absolut kontraindiziert bei akuten Thrombosen sowie bei Östrogen-abhängigen Tumoren. Vor Behandlungsbeginn sollten familiäre Gerinnungsstörungen ausgeschlossen und im Bedarfsfall ein Hämatologe hinzugezogen werden.

Fallbeispiel

Bei Frauen mit vorhandener Thromboseneigung kann die Hormonsubstitution das Fass zum Überlaufen bringen: Eine postmenopausale Patientin hatte sich den Fuß gebrochen und erlitt im Krankenhaus eine Lungenembolie. Bei ihr waren drei Risikofaktoren zusammengekommen:

  • Sie hatte früher schon einmal eine Thrombose gehabt und litt an einer Gerinnungsstörung (APC-Resistenz).
  • Sie hatte eine Verletzung erlitten und war bettlägerig.
  • Sie nahm eine Östrogen-Gestagen-Kombination zur Hormonsubstitution ein.

Alternativen zur konventionellen Hormonsubstitution

Wie kann man Nachteile der klassischen oralen Östrogen-Gestagen-Therapie umgehen? Hysterektomierte Frauen erhalten statt einer Östrogen-Gestagen-Kombination nur Östrogen. Möglicherweise kann das Gestagen, das vor Korpuskarzinomen schützen soll, auch bei Frauen mit intaktem Uterus weggelassen werden, wenn die Gebärmutter halbjährlich per Ultraschall auf eine Endometriumhyperplasie hin untersucht wird. Ob eine reine Östrogen-Gabe im Hinblick auf Herz und Gefäße günstiger abschneidet als die Kombination, bleibt allerdings noch zu klären. Der reine Östrogen-Behandlungsarm der WHI-Studie wird zurzeit noch fortgesetzt.

Transdermale Östrogene haben gegenüber oral applizierten den Vorteil, dass sie den Leberstoffwechsel nicht so massiv belasten. Sie kurbeln die Synthese von Gerinnungsfaktoren und Entzündungsmediatoren weniger an. Phytoöstrogene sind ein Gemisch östrogenartig wirkender Substanzen aus Pflanzen. In der Komplementärmedizin werden Präparate aus Traubensilberkerze, Rotklee oder Soja eingesetzt.

In Zukunft wird man anstelle der Östrogene möglicherweise vermehrt selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERM) anwenden. SERM, wie Raloxifen (Evista®), greifen spezifisch nur an einem der beiden Östrogenrezeptoren an und entfalten deshalb nicht alle Östrogen-Effekte.

Kastentext: Hypothetische Rangliste der relativen Bedeutung bei mehr als einem Risikofaktor (nach L. Lutz und S. Haas)

  • Thrombophilie (angeboren/erworben)
  • Zustand nach Lungenembolie
  • Zustand nach Thrombose
  • Herzinsuffizienz (NYHA III)
  • Schwangerschaft und Wochenbett
  • Stammvarikosis mit Leitveneninsuffizienz)
  • Akute Immobilisierung
  • Florides Malignom (klinisch manifest und metastasierend)
  • Hormontherapie
  • Übergewicht (BMI > 30)
  • Alter

Quelle

Dr. Ludwig L. Lutz, München, Prof. Dr. Klaus Doench, Göttingen, Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek, Berlin; Fachpressegespräch "Hormone und Thrombose: Risiko für Frauen? Thromboembolie-Prophylaxe in der Inneren Medizin", Düsseldorf, 13. September 2002, veranstaltet von Aventis Pharma Deutschland.

Es gibt mehrere frauenspezifische Risikofaktoren für venöse Thromboembolien, darunter Schwangerschaft und Wochenbett, orale Kontrazeptiva und postmenopausale Hormonsubstitution. Häufig kommen mehrere Einzelrisiken (z. B. Gerinnungsstörungen, Alter) zusammen, das Thromboembolie-Risiko lässt sich dann relativ schwierig abschätzen. 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.