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Zumutungen

"Egal wie unmöglich die Aufgabe und wie knapp die Termine auch sein mögen: Die Apotheken, zusammen mit ihren Softwarehäusern und Rechenzentren, werden es schon richten". So hört man selbst von "Experten", die sich für Apotheken sonst nicht ins Zeug legen. In der Tat: Keine "Gesundheitsreform" war bislang krank genug, dass im Vollzug auf die Apotheken nicht Verlass gewesen wäre. Was zunächst nur wie ein Kompliment klingt, hallt anders nach: "Diese Deppen, die machen aus jeder Zumutung das Beste".

Aus jeder? Nun gut: Bei der Umsetzung der vielfältigen Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V, die bis Stunden vor Inkrafttreten des "GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes" – und auch danach – zwischen Kassen und Pharmaindustrie ausgehandelt wurden, haben die Apotheken seit Monatsanfang erneut bewiesen, wie flexibel sie reagieren; wie brav sie den Patienten erklären, was sie selbst kaum verstehen – weil es teils auch schlechterdings unverständlich ist.

Ein Beispiel: Ärzte sollen, wo immer möglich, dafür sorgen, dass Arzneimittel eingesetzt werden, für die zwischen Kassen und Generikaanbietern Rabattverträge ausgehandelt wurden. Als Gegenleistung dafür sollen sie von der Malusregelung (nach § 84 Abs. 7a/4a SGB V) und von den Auffälligkeitsprüfungen wegen Richtgrößenüberschreitung freigestellt werden (§ 106 SGB V).

Wie kann der Arzt "dafür sorgen", sich diese Vorteile zu sichern? Eigentlich sollte voll reichen, wenn er nicht "kreuzelt" – wenn er also auf seiner Verordnung eine Substitution nicht ausschließt. Er kann unter Handels- oder Wirkstoffname verordnen. Nach der neuen Gesetzeslage ist der Apotheker ja verpflichtet, wenn überhaupt möglich, eines der Arzneimittel abzugeben, für das die Kasse des Versicherten mit dem Hersteller einen Rabattvertrag abgeschlossen hat.

Dennoch wird dem Arzt nach der neuen Gesetzeslage zusätzlich abverlangt, den Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 "beizutreten" (§ 106) – was immer dies heißen mag. Einige Kassen verlangen offensichtlich sogar, dass der Arzt die rabattierten Arzneimittel selbst namentlich verordnet und Substitution ausschließt. Das ist schikanös und auch wirtschaftlich unnötig wie ein Kropf. Die Kasse hat finanziell keinen zusätzlichen Vorteil. Dem Versicherten und den Apotheken wird das Leben unnötig schwer gemacht.

Zu fordern ist deshalb eine Klarstellung: Danach stellt sich der Arzt schon dann von Malusregelung und Auffälligkeitsprüfungen frei, wenn er durch bloße Freigabe der Substitution dafür sorgt, dass durch die Verpflichtungen des Apothekers Arzneimittel zum Zuge kommen, die nach § 130a Abs. 8 rabattiert werden; einer expliziten, namentlichen Verordnung solcher Arzneimittel bedarf es ebenso wenig wie einem formal-bürokratischen "Beitreten" zu den Rabattverträgen.

Unabhängig von dieser – gleichwohl wichtigen – Klarstellung wäre fachlich vorzuziehen, wenn es zu den "Zielpreisvereinbarungen" (§ 129 Absatz 5 Satz 4 SGB V) käme, die nach neuer Gesetzeslage auf Landesebene ermöglicht wurden. Danach hätten die Apotheken unter wirkstoffgleichen Arzneimitteln insgesamt so auszuwählen, dass der "Krankenkasse Kosten nur in Höhe eines zu vereinbarenden durchschnittlichen Betrages je Arzneimittel entstehen". Im Einzelfall wäre der Apotheker bei der Arzneimittelauswahl also wesentlich freier. Verfügbarkeitsprobleme ließen sich unbürokratischer umschiffen. Vor allem aber könnte der Apotheker eine unsachgemäße, zuweilen auch gefährliche Substitution (siehe Leitlinie der DPhG zur "Guten Substitutionspraxis") vermeiden. Und: Wo Substitution als Ursache von Compliance-Problemen auszumachen ist, könnten den Versicherten Präparateumstellungen erspart bleiben.

PS: Manchmal kommt eine Einsicht spät. Aber wenn sie überhaupt kommt, dürfen wir uns freuen. Wir hatten in einem Editorial der DAZ (22. 6. 2006) eine Vorgehensweise zur Diskussion gestellt, die – ohne gegen die AMPreisV zu verstoßen und ohne nicht betroffene Hersteller mit gesetzlichen Pflichtrabatten zu belasten – erlauben könnte, dass der Patient die Mehrkosten aus eigener Tasche übernimmt, wenn er auf eigenen oder den Wunsch seines Arztes sein gewohntes Arzneimittel weiter erhält, obwohl er darauf nach den Substitutionsregeln des Rahmenvertrages nach § 129 SGB V keinen Anspruch hätte. Im beschriebenen Fall diente die Substitutionsvermeidung (es ging um ein Antiepileptikum) zugleich dazu, leitlinienkonform Schaden vom Patienten abzuwenden. Gerade eben hat der Apothekerverband Westfalen-Lippe mit der AOK eine Regelung vereinbart, die "im Ausnahmefall" eine fast identische Vorgehensweise vorsieht: Der Apotheker trägt auf der Verordnung die Pharmazentralnummer des abgegebenen Arzneimittels und den Verkaufspreis des preisgünstigsten Arzneimittels auf; und er vermerkt zusätzlich gesondert (ohne sie der Zuzahlung zuzuschlagen!) die vom Patienten übernommenen Mehrkosten auf dem Verordnungsblatt.

Klaus G. Brauer

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