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Viel Neues zum Jahreswechsel

BERLIN (ks). Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hat im vergangenen Jahr seine Gesundheitsreform auf den Weg gebracht: Zum 1. Januar 2011 ist das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) in Kraft getreten. Es bedeutet für die Apotheke einen tiefen Einschnitt in organisatorische und wirtschaftliche Belange. Darüber hinaus wurde das GKV-Finanzierungsgesetz wirksam. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Neuregelungen.
Warum, wieso, weshalb Die Mehrkostenregelung und Neuerungen bei den Rabattverträgen bedeuten für die Apotheken Mehrarbeit – der keine Mehreinnahmen entgegen stehen. Foto: DAZ/Sket

AMNOG

Der Zwangsrabatt der Apotheken für Krankenkassen wird für zwei Jahre von 1,75 auf 2,05 Euro angehoben.


Die Großhandelsvergütung wird umgestellt. 2011 haben die Großhändler den Apotheken für verschreibungspflichtige Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 0,85 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer zu gewähren. Beim Direktvertrieb haben die Hersteller ebenfalls einen entsprechenden Rabatt einzuräumen. Die Weiterleitung der Rabatte von der Apotheke an die Kassen soll möglichst unbürokratisch erfolgen: Der Apothekenabgabepreis ist auf Grundlage des um den Abschlag geminderten Apothekeneinkaufspreises zu berechnen. Damit soll vermieden werden, dass für die Dauer nur eines Jahres eigens ein Verfahren für die Abrechnung der Abschläge des pharmazeutischen Großhandels etabliert werden muss, heißt es in der Gesetzesbegründung. Bei der Abrechnung mit Krankenkassen wird der geminderte Preis zugrunde gelegt. Selbstzahlern wird gleichfalls der geminderte Preis in Rechnung gestellt. Ab 2012 wird dann eine Großhandelsspanne von 3,15 Prozent variabel und 70 Cent Fixzuschlag pro Packung gelten.


Mehrkostenregelung: Versicherte können über die Mehrkostenregelung auch ein anderes als das Rabatt-Präparat ihrer Krankenkasse wählen. Sie bezahlen das Arzneimittel in der Apotheke und erhalten von der Krankenkasse dafür Kostenerstattung mit Pauschalabzug für entgangene Rabatte und Verwaltungskosten der Krankenkassen.


Aut-idem-Substitution: Um die Rabattverträge leichtgängiger zu machen, wird in § 129 Abs. 1 SGB V klargestellt, dass die Apotheken bei der Aut-idem-Substitution ein Arzneimittel abzugeben haben, "das mit dem verordneten in Wirkstärke und Packungsgröße identisch ist, für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen ist und die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzt".


Packungsgrößenverordnung: Die Umstellung der Packungsgrößenverordnung auf eine Reichdauerorientierung tritt erst zum 1. Juli 2013 in Kraft. Hierdurch soll den betroffenen pharmazeutischen Unternehmen ausreichend Zeit für ihre Planungen sowie den Abverkauf vorhandener Packungen gegeben werden. Daran schließt sich eine weitere Übergangsfrist von sechs Monaten an. In der Übergangsphase gelten die bisherigen Messzahlen für die Normgrößen weiter. Die zugleich vorgesehenen Spannbreiten für die Abweichung von den Normgrößen treten bereits zum 1. Januar 2011 in Kraft. Durch die Änderung soll gewährleistet werden, dass die Mengenunterschiede bei Packungen mit gleichem Packungsgrößenkennzeichen nur gering ausfallen. Der Austausch von Arzneimitteln mit gleichem Packungsgrößenkennzeichen, z. B. bei der Umsetzung von Rabattverträgen, soll so erleichtert werden.


Impfstoffe: Jede Krankenkasse kann mit pharmazeutischen Unternehmern für Impfstoffe zur Durchführung von Schutzimpfungen Rabatte nach § 130a Abs. 8 SGB V vereinbaren und so die Versorgung ihrer Versicherten mit Impfstoffen sicherstellen. Dementsprechend können für Impfstoffe, die nicht der Preisbindung durch die Arzneimittelpreisverordnung unterliegen, die Abgabepreise mit dem Hersteller vereinbart werden. Impfstoffe unterliegen dann nicht der Preisbindung, wenn sie von Apotheken direkt an Arztpraxen geliefert werden. Dies ist zulässig für Impfstoffe zur Durchführung von Impfungen in der Arztpraxis. Die Krankenkassen können diese Impfstoffe der Arztpraxis als Sprechstundenbedarf über die Apotheken zur Verfügung stellen.


Importarzneimittel: In § 129 Abs. 1 SGB V wird klargestellt, dass der Preisunterschied, der von importierten Arzneimitteln mindestens einzuhalten ist, um im Rahmen der Importförderklausel bevorzugt abgegeben zu werden, auf Basis des Apothekenabgabepreises nach Abzug der gesetzlichen Herstellerabschläge zu ermitteln ist. Zudem wird die Verpflichtung zur Abgabe von Arzneimitteln, für die ein Rabattvertrag nach § 130a Abs. 8 besteht, auch für importierte Arzneimittel und ihre Bezugsarzneimittel hergestellt. Künftig sollen auch Hersteller patentgeschützter Arzneimittel sowie Arzneimittelimporteure die Gewähr haben, dass Arzneimittel, für die sie eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 geschlossen haben, an Versicherte der jeweiligen Krankenkasse vorrangig abgegeben werden. Voraussetzung für die Austauschpflicht der Apotheke ist, dass das rabattierte Arzneimittel nach Abzug des Rabatts preisgünstiger ist. Bei Rabattverträgen für Importarzneimittel sowie ihre Bezugsarzneimittel ist die Lieferfähigkeit sicherzustellen.


Kartellrecht: Ab sofort kommt bei freiwilligen Verträgen von Krankenkassen und Leistungserbringern das Kartellrecht zur Anwendung – so etwa bei Rabattverträgen.


Frühe Nutzenbewertung: Bei Markteinführung eines Medikaments mit neuen Wirkstoffen muss der Hersteller jetzt ein Dossier vorlegen, das den zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Patienten gegenüber vorhandenen Medikamenten belegt. Der Gemeinsame Bundesausschuss bewertet den Nutzen innerhalb von sechs Monaten nach der Markteinführung. Wird ein Zusatznutzen nicht nachgewiesen, kann für das neue Arzneimittel ein Höchstbetrag festgelegt werden, den die Krankenkassen maximal erstatten. Wird ein zusätzlicher Nutzen anerkannt, müssen die Hersteller mit dem GKV-Spitzenverband über den Preis verhandeln.


Veröffentlichungspflicht für Studien: Hersteller, die ein neues Arzneimittel auf den Markt bringen, müssen künftig die Ergebnisse ihrer zuvor durchgeführten klinischen Studien (Phase-III-Studien) innerhalb von sechs Monaten nach der Zulassung im Internet veröffentlichen.

Wesentliches zum GKV-Finanzierungsgesetz

Beitragserhöhung: Der Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung steigt von 14,9 auf 15,5 Prozent. Arbeitgeber zahlen nun 7,3 Prozent, Arbeitnehmer 8,2 Prozent. Das spült rund sechs Milliarden Euro in die Kassen. Dieser Beitragssatz soll fest bleiben.


Zusatzbeiträge: Künftige Mehrkosten für Ärzte, Kliniken und Arzneimittel müssen die Kassenmitglieder über Zusatzbeiträge bezahlen. Die bislang geltende Ein-Prozent-Obergrenze für diese von Kasse zu Kasse unterschiedlichen Pauschalen entfällt. Unabhängig vom Einkommen muss jedes Mitglied einer Kasse den verlangten Betrag in gleicher Höhe überweisen.


Sozialausgleich: Übersteigt der durchschnittlich von allen Kassen gebrauchte Zusatzbeitrag zwei Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen eines Kassenmitglieds, erhält es die Differenz als Senkung des normalen Kassenbeitrags zurück. Der Ausgleich wird aus Steuermitteln bezahlt. Der Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt berechnet jährlich, wie hoch der durchschnittliche Zusatzbeitrag für das Folgejahr sein wird – für 2011 liegt er bei Null Euro.


Steuern: Der Bundeszuschuss für die gesetzlichen Kassen sinkt von 15,7 auf 15,3 Milliarden Euro. Wegen wegfallender Staatshilfe in der zurückliegenden Krise hätte er eigentlich auf etwa 13 Milliarden Euro sinken sollen. Die nun doch höhere Summe soll die Finanzierung des Sozialausgleichs bis 2014 sichern.


Die Beitragsbemessungsgrenze, oberhalb derer das Einkommen eines GKV-Mitglieds beitragsfrei bleibt, wird im Vergleich zu 2010 um ein Prozent abgesenkt. Im Jahr 2011 liegt sie bei 3712,50 Euro im Monat bzw. 44.550 Euro im Jahr.


Privatversicherte: Ein Jahr nach Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze von bislang 49.950 Euro dürfen gesetzlich Versicherte in eine Privatkasse wechseln – bisher waren es drei Jahre. Ab 1. Januar 2011 liegt die Grenze bei 49.500 Euro im Jahr bzw. 4125 Euro im Monat.


Elektronische Gesundheitskarte (eGK): Die Gesetzlichen Krankenkassen werden verpflichtet, bis Ende des Jahres 2011 zehn Prozent ihrer Versicherten mit der eGK auszustatten. Kommen die Kassen dieser Verpflichtung nicht nach, müssen sie zusätzlich weitere zwei Prozent Verwaltungskosten einsparen.



DAZ 2011, Nr. 1, S. 18

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