Arzneimittel und Therapie

HIV-Therapie: AIDS heilen – mit Valproinsäure?

Mithilfe der herkömmlichen antiretroviralen Therapie gelingt es zwar häufig, die Viruslast bei HIV-Infizierten unter die Nachweisgrenze zu senken. Für eine Heilung der Erkrankung müssten jedoch auch die in den infizierten T-Zellen noch latent vorhandenen Erreger komplett beseitigt werden. Im Rahmen einer kürzlich veröffentlichten Pilotstudie war es gelungen, durch eine Behandlung mit Valproinsäure die Zahl der latent infizierten CD4+-Zellen um durchschnittlich drei Viertel zu senken.

Das HI-Virus ist in der Lage, in infizierten CD4+-Zellen in einem replikationsfähigen Zustand zu überleben, so dass eine Eradikation auch mit einer intensiven antiretroviralen Therapie praktisch unmöglich ist. Eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung dieses "Ruhezustandes" spielt die Histon-Deacetylase 1 (HDAC1). Sie vermittelt das Chromatin-Remodeling, unterdrückt die virale Genexpression und hemmt die Produktion von Virionen. Bisherige Untersuchungen hatten gezeigt, dass durch eine Blockade der HDAC1-Aktivität Viren aus ruhenden T-Zellen ausgeschwemmt werden können.

Valproinsäure "schwemmt" die Viren aus

Das Antikonvulsivum Valproinsäure hemmt HDAC1 und war in früheren Untersuchungen in der Lage, bei Patienten mit hochaktiver antiretroviraler Therapie (HAART) ex vivo die HIV-Expression aus ruhenden T-Zellen anzuregen. Um zu prüfen, ob dies auch in vivo möglich ist, wurde eine Pilotstudie mit vier HIV-Patienten durchgeführt. Bei diesen Patienten war es gelungen, die Viruslast mittels HAART über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren unter 50 Kopien/ml zu halten. Die Patienten erhielten nun zusätzlich zu ihrer antiretroviralen Kombinationstherapie über drei Monate zweimal täglich jeweils 500 bis 700 mg Valproinsäure, außerdem zweimal täglich 90 µg Enfuvirtid subkutan drei Wochen vor und während der Valproinsäure-Behandlung. Enfuvirtid sollte die HAART noch weiter intensivieren und speziell zur Elimination der durch Valproinsäure freigesetzten Viren dienen. Um das Ansprechen auf die Therapie zu messen, wurde unter anderem die Zahl der infizierten CD4+-Zellen pro 1 Billion ruhender CD4+-Zellen ermittelt. Bei drei von vier Patienten zeigte sich eine signifikante Reduktion um 68, 72 bzw. über 84%. Beim vierten Patienten lag die Reduktion nur bei 29%. Die Behandlung wurde, abgesehen von leichten Reaktionen an der Stelle der Enfuvirtid-Injektion, gut vertragen. Einer der Patienten, dessen Behandlungsregime Zidovudin enthielt, entwickelte eine Anämie. Dies erklärt man sich damit, dass Valproinsäure die Glucuronidierung von Zidovudin hemmt und damit dessen Bioverfügbarkeit und das Risiko einer Zidovudin-vermittelten Anämie erhöht.

Begrenzte Aussagekraft

Die Autoren der Studie konstatieren, dass ihre Daten nur eine begrenzte Aussagekraft haben können, weitere Untersuchungen notwendig sind und viele Fragen unbeantwortet bleiben. Zum Beispiel die, ob der beobachtete Effekt wirklich auf Valproinsäure zurückzuführen ist – was mit größeren Patientenzahlen geprüft werden müsste.

Die Studie gibt jedoch zu der Hoffnung Anlass, dass AIDS in Zukunft doch heilbar sein könnte. Um diesem Ziel näher zu kommen, schlagen die Autoren ein stufenweises Herangehen vor: zunächst muss die Infektion mit einem antiretroviralen Standard-Regime so früh wie möglich behandelt werden. Wenn die Virusreplikation dann zum Stillstand gekommen ist, sollte versucht werden, die latente Infektion mit HDAC1-Inhibitoren, gegebenenfalls in Kombination mit antiretroviralen Substanzen, komplett zu beseitigen.

Antiretrovirale Wirkstoffe Mehr als 20 antiretrovirale Wirkstoffe aus vier Substanzklassen sind zurzeit zur Therapie der HIV-Infektion zugelassen. Durch die Vielzahl der möglichen Kombinationen ist eine sehr individualisierte Therapie möglich.

  • nukleosidale Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI), z. B. Zidovudin, Lamivudin, Abacavir, Didanosin, Stavudin
  • nicht-nukleosidale Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI), z. B. Efavirenz, Nevirapin
  • Proteasehemmer, z. B. Indinavir, Saquinavir, Ritonavir, Amprenavir, Atazanavir, Tipranavir
  • Fusionsinhibitoren (Enfuvirtid)

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