Arzneimittel und Therapie

Fusionshemmer gegen HIV: Das Eindringen des Virus verhindern

Nach nukleosidalen und nicht-nukleosidalen Inhibitoren der reversen Transkriptase und den Protease-Inhibitoren existiert mit den Fusionshemmern nun eine dritte Klasse von Medikamenten für HIV-Betroffene und AIDS-Patienten. Das Schweizer Pharmaunternehmen Hoffmann-La Roche hat in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Unternehmen Trimeris mit Enfuvirtid (Fuzeon®) ein Präparat auf den Markt gebracht, das die Fusion der Membran der HI-Virushülle mit der der Wirtszelle hemmt und so die Replikation des Virus verhindert. Seit Mai 2003 ist Enfuvirtid für die hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) von bereits vorbehandelten HIV-Patienten zugelassen, bei denen die bisherigen Mittel nicht mehr helfen oder nicht vertragen werden.

In den vergangenen Jahren hat die Pharmakotherapie von HIV/AIDS mit Präparaten wie beispielsweise Zidovudin (AZT, Retrovir®) als reverse Transkriptase-Hemmer (Nukleosidanalogon), Saquinavir (Fortovase®, Invirase®) als Protease-Hemmer und Nevirapin (Viramune®) als nicht-nukleosidalem Inhibitor der reversen Transkiptase große Fortschritte erzielt.

Nun steht mit Enfuvirtid (Fuzeon®, früher T 20) eine neue Art von Wirkstoff zur Verfügung, ein so genannter Fusionshemmer (Entry-Inhibitor). Anders als die sonstigen Inhibitoren setzt dieses Medikament bei der Bekämpfung des HI-Virus viel früher an und verhindert bereits den Versuch, in die Wirtszelle zu gelangen.

Fusion von viraler und zellulärer Membran verhindert

Nähert sich ein solches HI-Virus einer Zelle, die über einen so genannten CD4-Rezeptor und auch über Co-Rezeptoren verfügt, dockt es an dieser Stelle an. Daraufhin reagiert das Oberflächenprotein gp120 des Virus mit dem Rezeptor. Dieses Glykoprotein besteht aus mehreren Komponenten. Eine davon ist gp41, das in der Virushülle verankert ist.

Nachdem das Oberflächenprotein an CD4 gebunden ist, nähert es sich der Zellmembran. Dadurch wird das Transmembranprotein gp41 freigelegt und verhakt sich wie eine Harpune in der Membran. Dabei verändert es seine Konformation und bringt auf diese Weise die Membran der Wirtszelle und der Virushülle in direktem Kontakt. Dann verschmelzen die zwei Membranen und das Virus kann in die Zelle eindringen. Enfuvirtid greift in diesen Prozess ein, bindet an eine Intermediärstruktur des gp41 und verhindert ein weiteres Annähern von Zelle und Virus. Auf diese Weise hemmt das Peptid die Fusion. Damit wirkt Enfuvirtid extrazellulär.

Präparat muss selbst gespritzt werden

Das neue Medikament ist ein relativ großes Peptid, das aus 36 Aminosäuren besteht. Daher gestaltet sich die Herstellung laut Hoffmann-La Roche als aufwändig und umfasst im Ganzen 106 Produktionsschritte, von der Peptidsynthese bis zur Verpackung. Ähnlich wie Insulin muss es vom Patienten subkutan gespritzt werden.

Die Dosierung beträgt zweimal täglich 90 mg. Der Wirkstoff wird dosisabhängig absorbiert und erreicht auf diese Weise einen Maximalspiegel von 4,59 µg/ml nach 6,9 Stunden. Als Peptid wird der Wirkstoff durch einen enzymatischen Abbau mit einer Halbwertszeit von 3,8 Stunden eliminiert.

Die klinischen Studien TORO-1 und TORO-2 belegen Wirksamkeit

Die klinischen Zulassungsstudien T-20 versus Optimized Regimen Only (TORO) belegen die hohe Wirksamkeit von Enfuvirtid bei Patienten mit resistenten Viren. In der TORO-1-Studie wurden 491 Patienten aus Nordamerika und Brasilien untersucht; bei TORO-2 504 Patienten in Europa und Australien. Nachdem für jeden einzelnen mit Genotyp- und Phänotyp-Analysen die optimale Therapie ermittelt worden ist, wurden sie in je zwei Gruppen geteilt: Die eine wurde mit einer hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) behandelt; bei der anderen wurde HAART mit Enfuvirtid gekoppelt.

Nach 48 Wochen zeigte sich im Durchschnitt der gemeinsamen Analyse: Verglichen mit den Patienten der Studiengruppe, die nur eine HAART erhalten haben, zeigen die, die HAART plus Enfuvirtid injiziert bekommen hatten, ein etwa doppelt so hohes virologisches Ansprechen. Ihre CD4-Zellenzahl stieg ebenfalls um den zweifachen Wert an.

Die Studien wiesen vor allem darauf hin, dass Enfuvirtid seine besondere Wirkung zusammen mit der Kombinationstherapie HAART entwickelt. Aber HIV-Erkrankte, die noch eine relativ geringe Anzahl von Viren aufweisen, können bei HAART bleiben und brauchen kein Enfuvirtid. Dieser Fusionshemmer ist für Patienten gedacht, bei denen die herkömmlichen Methoden kaum mehr Hilfe bringen. Für die Zukunft wäre es vorstellbar, dass eine Kombination aus verschiedenen Fusionsinhibitoren die HIV-Replikation effektiver hemmt als es mit herkömmlicher HAART der Fall ist. Das Enfuvirtid-Nachfolgepräparat T 1249, das in der Entwicklung noch etwa vier bis fünf Jahre zurückliegt, lässt hoffen.

Quelle

Dr. Heribert Knechten, Aachen; Prof. Dr. Dr. Michael Kurowski, Berlin; Dr. Karl H. Schliengensief, Grenzach-Whylen, Prof. Dr. Schlomo Staszewski, Frankfurt/M.: Einführungspressekonferenz "Fuzeon gibt neue Hoffnung, Meilensteine für eine erfolgreiche AIDS-Therapie", Frankfurt/M., 28. Mai 2003; veranstaltet von der Hoffmann-La Roche AG, Grenzach-Whylen.

Nach nukleosidalen und nicht-nukleosidalen Inhibitoren der reversen Transkriptase und den Protease-Inhibitoren existiert mit den Fusionshemmern nun eine dritte Klasse von Medikamenten für HIV-Betroffene und AIDS-Patienten. Enfuvirtid (Fuzeon) hemmt die Fusion der Membran der HI-Virushülle mit der der Wirtszelle. Es ist für die hochaktive antiretrovirale Therapie von bereits vorbehandelten HIV-Patienten zugelassen, bei denen die bisherigen Mittel nicht mehr helfen oder nicht vertragen werden.

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