Arzneimittel und Therapie

HIV-Therapie: Die Behandlung wird individuell auf den Patienten abgestimmt

Noch vor einigen Jahren gab es für Patienten nach der Diagnose "HIV-positiv" kaum Perspektiven. Mit der Einführung zahlreicher neuer antiretroviraler Arzneimittel, vor allem der Proteaseinhibitoren, änderte sich die Situation grundlegend. Zwar ist es auch heute noch nicht möglich, das Virus endgültig auszurotten, aber infizierte Menschen können dank der modernen Kombinationstherapien mit den 15 in Deutschland zugelassenen antiretroviralen Arzneimitteln länger leben, ohne dass die Krankheit AIDS ausbricht. Während im Jahr 1994 in Deutschland noch 1000 HIV-Infizierte an AIDS starben, sank diese Zahl 1999 auf 300.

Mit den ersten sehr guten Therapieerfolgen stellten sich jedoch neue Probleme ein. Ging es zu Beginn der antiretroviralen Therapie vor allem um das Überleben, rückt heute die Frage nach der Lebensqualität zunehmend in den Vordergrund. Wenn Infizierte jahrelang mit ihren Arzneimitteln leben müssen, sollten diese so einfach wie möglich einzunehmen sein und auch bei langer Therapiedauer möglichst wenig Nebenwirkungen auslösen.

Verschiedene Optionen

In der Therapie der HIV-Infektion ist die Strategie von entscheidender Bedeutung. Substanzen, die für den ersten Schritt im Therapieregime gewählt werden, bestimmen über den Erfolg für die nachfolgenden Behandlungen. Dabei gibt es heute verschiedene Optionen, hingegen keine eindeutigen Empfehlungen. Die Behandlung muss immer individuell auf die Situation des Patienten abgestimmt werden.

Virus-Eradikation ist heute nicht möglich

Für den Beginn der Therapie gilt heute die Devise "hit hard and early" als überholt. Bisher ließ sich nicht beweisen, dass durch eine frühzeitige Therapie zum Zeitpunkt der Infektion das Immunsystem geschützt, das Virus eradiziert und die Behandlung dann sogar beendet werden kann. Mit den zunehmend feiner werdenden Nachweismethoden lässt sich nach jeder Behandlung immer noch Virus-RNA bzw. -DNA nachweisen. Bei einem Großteil der Patienten vermehrt sich das Virus auch auf einem sehr niedrigen Niveau weiter, unter anderem auch in den Lymphknoten.

Therapiebeginn individuell bestimmen

Da also eine Eradikation des Virus nach heutigem Wissen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht möglich ist, muss der Therapiebeginn bei einer Infektion differenziert beurteilt werden. Eindeutig ist die Situation, wenn es zu klinischen AIDS-Symptomen wie Hautreaktionen, Fieber oder einer Enzephalitis kommt. Hier sollte sofort mit einer antiretroviralen Behandlung begonnen werden.

Viruslast und CD4-Zellzahl beachten

Bei asymptomatischen Patienten sind Viruslast und CD4-Zellzahl entscheidend: Bei einer hohen Viruslast (>20000 Kopien/ml) und/oder deutlich erniedrigten Helferzellzahlen (<500/ml) ist eine Therapie empfehlenswert. Bei einer Helferzellzahl zwischen 350 und 500 Zellen pro ml und einer geringen Viruslast kann die Therapie etwas aufgeschoben werden, weil die Geschwindigkeit, mit der die Infektion voranschreitet, vermutlich gering ist. Beginnt der Patient sehr früh mit der Therapie, hat er zwar die Chance, die HIV-spezifischen CD4-Zellen zu retten. Andererseits muss er damit rechnen, dass er unter Umständen nach fünf Jahren alle Therapieoptionen verbraucht hat und nicht weiß, ob seine Erkrankung ohne Therapie nicht einen ganz langsamen, milden Verlauf gehabt hätte. Der Patient muss jahrelang behandelt werden, obwohl er asymptomatisch ist. Hier fallen die Nebenwirkungen der Therapie und Complianceprobleme besonders ins Gewicht.

Der Patient muss bereit sein

Eine Behandlung ist erst dann sinnvoll, wenn der Patient zur Mitarbeit bereit ist. Vorher sollte nicht auf eine Therapie gedrängt werden, eine Panikmache ist unnötig. Damit die Therapie erfolgreich ist, sollte sie gemeinsam mit dem Patienten geplant und an seinen Lebensstil angepasst werden. Der Erfolg einer Behandlung ist stärker gefährdet, wenn der Patient nicht von der Therapie überzeugt ist, als wenn mit deren Beginn etwas abgewartet wird. Das größte Problem bei der Behandlung der HIV-Infektion sind Patienten, die auf Grund ihrer Vortherapien heute resistente Viren beherbergen und nicht mehr auf die verfügbaren Arzneimittel ansprechen. Die Resistenzentwicklung wird vor allem durch eine unregelmäßige Tabletteneinnahme gefördert.

Mehrere Möglichkeiten zur Primärtherapie

Zur Primärtherapie gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Meist werden drei Arzneistoffe miteinander kombiniert, alle wirken bei vorher unbehandelten Patienten vergleichbar gut.

  • Am einfachsten einzunehmen ist eine Kombination von Nicht-Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren und/oder Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren. Hier muss der Patient allerdings auf mögliche schwere Nebenwirkungen achten, wie Hautausschlag oder veränderte Leberwerte. Besonders unkompliziert ist die Kombination aus Zidovudin, Lamivudin und Abacavir. Diese drei Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren können in einer Tablette kombiniert werden, die dann zweimal täglich eingenommen werden muss.
  • Sicherer anzuwenden sind Kombinationen mit Proteaseinhibitoren, die um 1997 einen Durchbruch in der Behandlung der HIV-Infektion bedeuteten. Die Kombination aus einem Proteaseinhibitor und zwei Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren entwickelte sich rasch zum Goldstandard. Heute werden ein oder zwei Proteaseinhibitoren mit zwei Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren oder einem Nicht-Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitor kombiniert. Doch bald zeigten sich die Nachteile der Proteaseinhibitoren: Diese Substanzen gelten heute als Hauptverursacher des entstellenden Lipodystrophiesyndroms und werden daher zurückhaltender eingesetzt als bei ihrer Einführung. Zur Primärtherapie empfohlen werden sie vor allem bei niedrigen CD4-Zellzahlen (<200 Zellen/ml).
  • Es ist auch möglich, mit einer dualen Proteaseinhibitor-Kombination zu beginnen und dann nachfolgend auf ein einfacheres Regime umzusteigen.

Viruslast senken

Das primäre Therapieziel ist es, die Viruslast unter 50 Kopien/ml zu senken. Kann dieses Ziel nach vier bis spätestens zwölf Wochen nicht erreicht werden, sollte die Therapie neu überdacht werden. Häufig beeinträchtigt eine mangelnde Compliance das Therapieergebnis. Wenn der Verdacht auf die Übertragung eines resistenten Stammes besteht, sollten möglichst vor der Therapie und spätestens bei einem Therapieversagen Resistenzen bestimmt werden.

Noch vor einigen Jahren gab es für Patienten nach der Diagnose "HIV-positiv" kaum Perspektiven. Mit der Einführung zahlreicher neuer antiretroviraler Arzneimittel, vor allem der Proteaseinhibitoren, änderte sich die Situation grundlegend. Zwar ist es auch heute noch nicht möglich, das Virus endgültig auszurotten, aber infizierte Menschen können dank der modernen Kombinationstherapien mit den 15 zugelassenen Arzneimitteln länger leben, ohne dass die Krankheit AIDS ausbricht. Während im Jahr 1994 in Deutschland noch 1000 HIV-Infizierte an AIDS starben, sank diese Zahl 1999 auf 300.

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