DAZ aktuell

Apotheker – angekommen im Kartellrecht

HERTEN (tmb). Ein Apotheker im westfälischen Herten wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht zu einer Geldbuße von 15.000 Euro verurteilt (siehe auch unseren Bericht in DAZ Nr. 43/2006, S. 24). Daraus ergeben sich für Apotheker viele Fragen, welche Beschränkungen ihnen das Kartellrecht auferlegt, was alles als rechtswidrige Absprache ausgelegt werden kann und worüber sie überhaupt noch miteinander sprechen können.

Obwohl das Urteil gegen Apotheker Gerd Frettlöh nicht rechtskräftig ist und der Fall noch vor den Bundesgerichtshof kommen könnte, mag die Begründung des OLG Düsseldorf zumindest eine mögliche Interpretation der Rechtslage bieten. Das Urteil stützt sich auf § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbs–beschränkungen (GWB). Danach sind "nicht nur Vereinbarungen oder Beschlüsse, sondern auch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Wettbewerbern verboten, die eine spürbare Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken", wie es in der Urteilsbegründung heißt.

Abgestimmtes Verhalten Da die Hertener Apotheker keine Vereinbarungen oder Beschlüsse getroffen haben, war die Auslegung des Begriffes "abgestimmtes Verhalten" für die juristische Würdigung des Falles entscheidend. Das Gericht hat sich dabei an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes orientiert, zumal das "abgestimmte Verhalten" mit dem Ziel der Angleichung des nationalen an das europäische Recht 1998 in das Kartellverbot eingefügt wurde. Dazu heißt es in der Urteilsbegründung: "Eine abgestimmte Verhaltensweise liegt dementsprechend bei jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Konkurrenten vor, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines Wettbewerbers zu beeinflussen oder einen Konkurrenten über das eigene beabsichtigte oder in Erwägung gezogene Marktverhalten ins Bild zu setzen. Typisches Mittel einer verbotenen Verhaltensabstimmung ist der Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern mit dem Ziel, von vornherein die Ungewissheit über das zukünftige Wettbewerbsverhalten auszuräumen."

Nach Auffassung des Gerichtes ist es für die Rechtswidrigkeit nicht erforderlich, dass das "abgestimmte Verhalten" tatsächlich praktiziert worden sei und die Apotheker die angestrebte Koordinierung des Preisverhaltens umgesetzt hätten. Vielmehr genüge es, "wenn durch die abgestimmte Verhaltensweise eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt wird. Der Eintritt der bezweckten Wettbewerbs–beschränkung ist darüber hinaus nicht notwendig". Ein überzeugendes Argument, dass gerade dies beabsichtigt worden sei, hatte der Apotheker Gerd Frettlöh selbst formuliert. In seiner Einladung zu einem Treffen Hertener Kollegen im Oktober 2003 hatte er über die Themen der Versammlung geschrieben: "Das wichtigste ist wohl unsere Preisgestaltung ab 1. Januar 2004 im OTC-Bereich."

Mildernde Umstände? Das Gericht wertete die angestrebte Beschränkung des Wettbewerbs als spürbar, weil die OTC-Arzneimittel einen nicht unerheblichen Anteil am Umsatz der Apotheken ausmachen. Dabei wurden die nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel in ihrer Gesamtheit und nicht etwa nur einzelne Produkte betrachtet. In der Urteilsbegründung wird dagegen nicht berücksichtigt, dass die Preisfreigabe für die Apotheker einen geradezu historischen Einschnitt dargestellt hat und während des Apothekertreffens, zu dem Frettlöh eingeladen hatte, noch die Preisbindung galt, sodass sich ein Unrechtsbewusstsein hinsichtlich der kartellrechtlichen Konsequenzen wohl kaum entwickelt haben konnte. Rechtsanwalt Dr. Peter Altenburger, Düsseldorf, der Apotheker Frettlöh vor Gericht vertreten hat, stellt zudem in Frage, ob in einer solchen Ausnahmesituation von einem Vorsatz auszugehen ist, wie er in dem Urteil angenommen wurde.

Was ist erlaubt? Gegenüber der DAZ äußerte Dr. Altenburger die Empfehlung für alle Apotheker, beim Informationsaustausch unter Kollegen, soweit es um wettbewerbsrelevante Themen geht, vorsichtig und zurückhaltend zu sein. Veranstaltungen, in denen über die Preisgestaltung geredet wird, seien nicht zulässig. Über die rein juristische Bewertung hinaus würden auch Presse und Öffentlichkeit zunehmend sensibel auf diese Thematik reagieren. Andererseits gehöre es zum Wesen eines freien Berufes, dass ein fachlicher Austausch zwischen Apothekern möglich sein muss. Altenburger mahnte aber auch zur Vorsicht, das Urteil des OLG Düsseldorf ohne weiteres als Anlass für allgemeine Bewertungen zu nehmen, weil stets der Einzelfall zu berücksichtigen sei, hier insbesondere die Einladung zu einem Apothekertreffen, in der die Preisgestaltung ausdrücklich als Thema genannt worden sei.

Im Urteil gegen den Apotheker Frettlöh wurde der im Jahr 2003 gültige Bußgeldrahmen angewendet. Durch die Verdopplung des Bußgeldrahmens zum 1. Juli 2005 könnten bei späteren Verstößen möglicherweise noch höhere Beträge festgesetzt werden. Absprachen über den Preis werden als besonders schwerwiegende Eingriffe in den Wettbewerb bezeichnet.

Somit liege ein "überdurchschnittlicher Unrechtsgehalt" vor, was wiederum eine hohe Geldbuße begründe. Demnach stellen Preisabsprachen eine besonders bedeutsame, aber keineswegs die einzige Möglichkeit wettbewerbsbeschränkender Absprachen im Sinne des § 1 GWB dar. Damit stellt sich für Apotheker die Frage, über welche Themen sie auf lokaler Ebene überhaupt noch sprechen können, ohne mit dem Wettbewerbsrecht in Konflikt zu geraten. Doch in dem Urteil aus Düsseldorf bleibt offen, inwieweit etwa pharmazeutische Dienstleistungen, Notdienstregelungen oder Öffnungszeiten als wettbewerbsrelevant eingestuft werden können.

Ein Apotheker wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht zu einer Geldbuße von 15.000 Euro verurteilt. Daraus ergeben sich für Apotheker viele Fragen, welche Beschränkungen ihnen das Kartellrecht auferlegt, was als rechtswidrige Absprache gilt und worüber sie noch miteinander sprechen können.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (neue Fassung)

§ 1 Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigun–gen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken, sind verboten.

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