DAZ aktuell

Wettbewerbsrecht: Apotheker zu 15.000 Euro Geldbuße verurteilt

HERTEN (tmb). In vielen Apotheken gelten die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller als Preise für OTC-Arzneimittel. Angesichts der großen Bedeutung der OTC-Margen für die Rentabilität der Apotheken sollte dies eigentlich nicht verwundern. Doch wenn Apotheker untereinander über ihre Preise sprechen, kann dies als Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht geahndet werden. Dies musste kürzlich ein Apotheker im westfälischen Herten schmerzlich erfahren, der vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu einer Geldbuße von 15.000 Euro verurteilt wurde.

Gerd Frettlöh ist Besitzer der Distel-Apotheke in Herten und war Ende 2003, als die Apotheker mit dem GMG und der Freigabe der OTC-Preise konfrontiert wurden, Sprecher der 20 Kollegen am Ort. Damals wusste er noch nicht, was ihm heute nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Kartellrecht klar ist: "Unternehmer, die am Markt konkurrieren, dürfen gar nicht über Preise sprechen und nicht einmal sagen, was sie tun." Sein Resümee klingt wie eine Warnung an Kollegen, denen die kartellrechtliche Seite ihres Handelns noch nicht so bewusst geworden ist.

Vom Testkauf zum Urteil Wie es zu seiner Verurteilung kam, schilderte Frettlöh gegenüber der DAZ: Anfang 2004 war die Öffentlichkeit durch Berichte über die damalige Gesundheitsreform auf den möglichen Preiswettbewerb bei Arzneimitteln aufmerksam geworden. So habe sich wenige Tage nach der Preisfreigabe ein Kunde in der Distel-Apotheke nach den Preisen verschiedener Arzneimittel wie Salviathymol und Dolo-Dobendan erkundigt. Er habe das Apothekenpersonal so interpretiert, als würden in allen Hertener Apotheken die unverbindlichen Preisempfehlungen verlangt, und wandte sich daraufhin an die lokale Presse. Eine Redakteurin der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) habe daraufhin in verschiedenen Apotheken nach Preisen gefragt und stets die unverbindlichen Preisempfehlungen genannt bekommen. Der Redakteurin Sibylle Raudies habe Frettlöh von einer Versammlung der Apothekerkollegen berichtet, bei der er ein Meinungsbild zur Preisbildung abgefragt habe. Dies wurde dann auch in der WAZ vom 10. Januar 2004 unter dem Titel "Apotheker verweigern den Preiskampf" berichtet.

Offensichtlich habe ein Leser diesen Artikel später dem Bundeskartellamt zugeleitet, das daraufhin die Landeskartellbehörde informiert habe. Daraufhin habe das Amtsgericht Recklinghausen im Mai 2004 einen Durchsuchungsbefehl für die Apotheke erlassen. Bei der Durchsuchung im Juli 2004 hätten die Beamten eine Einladung zu der erwähnten Versammlung der Apotheker gefunden, in der die Preisgestaltung ausdrücklich als wichtiges Thema genannt worden sei. Dies habe nach Einschätzung von Frettlöh wohl den Ausschlag für die spätere Verurteilung gegeben. Heute bedauert er die blauäugige Formulierung ebenso wie seine unkritische Frage an die Kollegen, wie sie zur neuen Preisfreiheit stehen.

Im Mai 2005 wurde gegen Frettlöh zunächst ein Bußgeldbescheid über 25.000 Euro erlassen, gegen den er mit Unterstützung des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, aber ohne Erfolg vorgegangen sei. Daraufhin fand am 13. September 2006 die Verhandlung vor dem OLG Düsseldorf statt. Dort habe Frettlöh erfahren müssen, dass im Kartellrecht schon der Vorsatz einer Preisbeeinflussung zur Verurteilung ausreicht, auch wenn gar keine Absprache stattfindet. Die Absicht sei ihm durch die Einladung mit der Erwähnung der Preisgestaltung nachgewiesen worden. Schon die Erhebung eines Meinungsbildes sei als abgestimmtes Verhalten gewertet worden. Der vorsitzende Richter habe dem Apotheker erklärt, er hätte dies anhand seines Rechtsempfindens erkennen müssen. Maßgeblich für das Urteil ist § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.

Immerhin minderte das Gericht das Bußgeld auf 15.000 Euro, als Belastung kommen aber noch die bei Kartellverfahren beträchtlichen Gerichtskosten hinzu. Gegen das Urteil hat Frettlöh auf Drängen seines Anwalts erst einmal Widerspruch eingelegt, um es umfassend prüfen zu können. Damit ist es noch nicht rechtskräftig, aber Frettlöh hat jetzt die Regeln des Kartellrechts verstanden und möchte eigentlich nicht mehr dagegen ankämpfen. In seinem Schlusswort als Angeklagter habe er darum gebeten, die anderen Teilnehmer der Apothekerversammlung nicht anzuklagen, denn er habe mit seiner Einladung die Initiative ergriffen.

Schweigen ist Gold Zu seinen Gunsten wurde vom Gericht anerkannt, dass er sich nicht selbst bereichern, sondern die bestehenden Apotheken sichern wollte. Daher wurde auch kein Gewinn abgeschöpft, der durch überhöhte Preise zustande gekommen wäre. Gleichwohl gilt es einige Hintergründe hervorzuheben, die aus Apothekersicht erstaunen mögen. So fanden die Anfragen des Kunden und der Journalistin bereits im Januar 2004 statt und betrafen zumindest teilweise Arzneimittel, denen keine Indikatorwirkung für Preise nachgesagt werden kann. Noch kaum ein Apotheker dürfte zu dieser Zeit eine klare Strategie für den Umgang mit freien Preisen gehabt haben. Die Anwendung der unverbindlichen Preisempfehlungen sollte daher nicht erstaunen, zumal die Journalistin diese Preise auch in der einzigen Hertener Apotheker gefunden hatte, die bei der fraglichen Versammlung nicht vertreten war. Diese Aspekte seien aber vor Gericht nicht bedeutsam gewesen, meint Frettlöh. Die Konsequenz aus diesem Verfahren ist für ihn darum einfach: "Es verstößt bereits gegen das Kartellrecht, wenn ich einem Kollegen nur sage, was ich vorhabe."

Für die meisten Apotheker dürfte das Kartellrecht eine relativ fremde Materie sein, doch der Fall aus Herten zeigt, wie wichtig es für den Apothekenalltag sein kann, sich auch mit diesem Rechtsgebiet zu beschäftigen.

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