Kritik an Gesundheitsreform: Wirtschaftsexperten fordern Systemwechsel

BERLIN (ks). Die deutsche Wirtschaft wächst wie schon lange nicht mehr: Die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren für 2006 einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um 2,3 Prozent - das ist die zweithöchste Wachstumsrate der vergangenen zehn Jahre. Für 2007 rechnen die Experten allerdings nur noch mit einem Anstieg um 1,4 Prozent. Die Perspektiven sähen rosiger aus, würde die Bundesregierung ihre großen Reformprojekte beherzter anpacken.

Die Wirtschaftsexperten üben in ihrem aktuellen Herbstgutachten deutliche Kritik an ihrem Auftraggeber, der Bundesregierung: Die bisherigen Entwürfe zur Reform der Unternehmenssteuern und zur Gesundheit blieben "weit hinter dem zurück, was zur deutlichen Verbesserung der Wachstums- und Beschäftigungsbedingungen erforderlich wäre", heißt es in dem am 19. Oktober vorgestellten Gutachten. Grund für dieses pessimistische Urteil sei, dass sich die Bundesregierung offenbar nicht dazu durchringen könne, die Eingriffe des Staates dort zurückzuführen, wo der Marktprozess bessere Lösungen liefert.

Auch mit der Zulassung von mehr Eigenverantwortung tue man sich schwer. Dies zeige sich exemplarisch an der geplanten Gesundheitsreform. Nach wie vor sehe es die Regierung als wesentliche Aufgabe des Staates, die Ausgaben der Privaten bürokratisch zu lenken und durch diverse Eingriffe, wie die Deckelung der Ausgaben und die Fixierung von Preisen, zu begrenzen. Die Wirtschaftsforscher halten hingegen einen Systemwechsel für erforderlich. Den Bürgern müsse es mehr als bisher selbst überlassen sein, die Entscheidungen über Art und Umfang der Versicherung selbst zu fällen.

Dabei hat die Reform in den Augen der Wirtschaftsforscher durchaus gute Ansätze: Würde sie - wie in den Eckpunkten angekündigt - tatsächlich zu mehr Transparenz und Wettbewerb sowie zu weniger Bürokratie führen, wäre dies für Wachstum und Beschäftigung von Bedeutung. Könnte man auch die Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen zunehmend aus Steuermitteln finanzieren, könnten die Beiträge zur GKV sinken. Aber die Institute sind skeptisch, ob die skizzierte Konzeption wirklich zu mehr Effizienz und Transparenz führen wird. So verursache schon die Einrichtung des Gesundheitsfonds Kosten. Bürokratischer Aufwand entstehe zudem, wenn der Beitragseinzug zunächst durch die Kassen erfolgt, die die Beiträge an den Fonds abführen, um dann einen Pro-Kopf-Betrag unter Berücksichtigung eines Risikostrukturausgleichs zu erhalten. Die Verwaltung des Zusatzbeitrags, der auf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens beschränkt wird, bringe nicht nur mehr Aufwand, sondern mindere auch den Wettbewerb.

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