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Frühjahrsgutachten: Wirtschaftsinstitute mahnen Reformen an

BERLIN (ks). Das diesjährige Frühjahrsgutachten der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute zeichnet erwartungsgemäß kein rosiges Bild von der deutschen Konjunktur. Seit Jahren verharrt die Wirtschaft in einer Schwächephase Ų die Arbeitslosenzahlen sehen die Wirtschaftweisen bis 2004 weiter steigen. Die Reformen der rot-grünen Bundesregierung genügen noch nicht, diesen Trend aufzuhalten. Die Wirtschaftsforscher fordern daher weitere Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im Gesundheitswesen.

Unter anderem sei für eine erfolgreiche Konsolidierung des Staatshaushalts eine Reform der sozialen Sicherungssysteme erforderlich, heißt es in dem Gutachten, das am 15. April in Berlin vorgestellt wurde. Die Regierung habe in diesem Jahr bislang nur mit "kurzatmigen Aktionismus" auf die angespannte Finanzlage der gesetzlichen Kranken- und Rentenkassen reagiert. Derartige Maßnahmen reichten nicht aus, um die Ausgabendynamik der sozialen Sicherungssysteme nachhaltig zu begrenzen. Angesichts offensichtlich bestehender Effizienzreserven im System müsse deren Ausschöpfung im Mittelpunkt der Reformbemühungen stehen – nicht hingegen eine Beschneidung von Leistungen.

Auf welche Weise die Effizienz gesteigert werden könnte, sparen die Wirtschaftweisen allerdings aus. Sie nehmen lediglich Bezug auf die "Agenda 2010" des Bundeskanzlers: Demzufolge sollen die Kassenbeiträge mit der Ausgliederung von Leistungen aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unter 13 Prozent gesenkt werden. Soweit es dabei darum gehe, Ineffizienzen zu beseitigen und versicherungsfremde Leistungen künftig aus Steuergeldern zu finanzieren, begrüßten die Institute diese Reformen. Auch sehen sie die Möglichkeit, bestimmte Leistungen aus der GKV auszugliedern und sie in die private Absicherung zu überführen.

Fraglich sei allerdings, ob dies etwa beim Krankengeld angeraten sei: Stelle man die "großen" Lebensrisiken ins Belieben der einzelnen Arbeitnehmer, bestehe die Gefahr einer Unterversicherung. Die Folge: Der Staat müsse wiederum einspringen. Gustav Horn vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sprach bei der Vorstellung des Gutachtens in diesem Zusammenhang gar von einem "Skandal".

Weiterhin beklagen die Forschungsinstitute, dass vor allem mangelnder Wettbewerb in vielen Bereiche zu beträchtlichen Monopolrenten geführt habe. Diese abzubauen, würde Kosten senken, ohne dass Leistungseinschränkungen nötig würden. Dabei haben die Wirtschaftsweisen vor allem die Monopolstellung der Kassenärztlichen Vereinigungen und die in einigen Marktsegmenten kaum einem Wettbewerb ausgesetzte pharmazeutische Industrie im Auge.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt sieht die Gesundheitspolitik der Regierung von den Wirtschaftsforschern missverstanden: So gehe es nicht um eine Privatisierung des Krankengeldes, sondern lediglich um eine Finanzierung innerhalb der GKV ohne Arbeitgeberanteil. Zudem sehe der Gesetzentwurf zur Modernisierung des Gesundheitswesens bereits vor, den Wettbewerb zu fördern, Monopole abzubauen und den Arzneimittelmarkt zu liberalisieren. "Damit sind wir erheblich weiter als es die Wirtschaftsforscher bisher wahrgenommen zu haben scheinen", sagte Schmidt.

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