Ökonomen kritisieren Reform-Eckpunkte

BERLIN (ks). Führende Gesundheitsökonomen haben die Eckpunkte zur Gesundheitsreform scharf kritisiert: Sie seien in keiner Weise geeignet, zukunftsweisende Antworten auf die Herausforderungen im Gesundheitswesen zu geben, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von 18 Wissenschaftlern. Anders als im Koalitionsvertrag von Union und SPD angekündigt, würden die Beiträge und Arbeitskosten kurzfristig wieder steigen. Von einer nachhaltigen Stabilisierung der Finanzgrundlagen könne "keine Rede sein". Auch die Spielräume für einen qualitäts- und effizienzsteigernden Wettbewerb würden eher kleiner statt größer.

Der Aufruf aus der Wissenschaft wurde von den Mitgliedern des Ausschusses für Gesundheitsökonomie beim "Verein für Socialpolitik" verfasst. Unterzeichner sind unter anderem die Wirtschaftsprofessoren Friedrich Breyer (Konstanz), Jürgen Wasem (Essen) und Gert Wagner (Berlin) sowie der Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen Klaus Jacobs. In ihrer Stellungnahme vom 12. Juli appellierten sie an die Politik, die Eckpunkte "auf keinen Fall so" zu beschließen. "Diese "Reform" kann keine Probleme lösen, sondern wird sie weiter verschärfen", warnten die Ökonomen. Doch sie wurden nicht gehört - einen Tag später passierten die Eckpunkte das Bundeskabinett.

Wunschdenken bemängelt

Konkret bemängeln die Ökonomen, dass sich durch den Gesundheitsfonds "praktisch nichts" an den derzeitigen Finanzierungsgrundlagen ändere. Nach wie vor sollen mindestens 95 Prozent der Gesundheitsausgaben durch die einheitlichen Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen werden. Geschaffen werde lediglich einen neue zentrale Beitragseinzugbürokratie. Besonders kritisch sehen es die Wissenschaftler, dass die Wachstumsschwäche der beitragspflichtigen Einnahmen - zentraler Grund für die Beitragssatzsteigerungen der Vergangenheit - unverändert bestehen bleibt. Gegen künftige Beitragserhöhungen aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts und der demographischen Entwicklung habe man keine Vorkehrungen getroffen - staatlich verfügte Erhöhungen seien somit "vorprogrammiert".

Kritisiert wird zudem der geplante Zuschlag, den die Kassen von ihren Versicherten erheben können, wenn ihnen die Zuweisung aus dem Fonds nicht reicht. Dies führe zu mehr Bürokratie und verhindere, dass sich Kassen im Wettbewerb um die Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit bemühten. Die angedachten Strukturreformen gehen den Wissenschaftlern ebenfalls nicht weit genug. Abermals werde es unterlassen, "die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern in allen Versorgungssektoren konsequent wettbewerblich zu öffnen und durchgängig tragfähige Optionen für Selektivverträge zu schaffen".

"Wertlose Kompromisse"

Die Wirtschaftsexperten räumen zwar ein, dass die Politik - im Gegensatz zur Wissenschaft - Kompromisse schließen müsse. Treten dabei jedoch die zentralen Reformziele in den Hintergrund, seien diese Kompromisse nichts wert: "Es geht nicht um den Nachweis politischer Kompromissfähigkeit, sondern um die Lösung von drängenden Problemen im Interesse eines funktionsfähigen Gesundheitssystems", mahnen die Ökonomen.

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