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Friedrich-Ebert-Stiftung: SPD-nahe Wissenschaftler unterbreiten Reformvorschläg

BERLIN (ks). "Eckpunkte einer neuen Gesundheitspolitik" lautet der Titel eines Positionspapiers, das Wissenschaftler der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) erarbeitet haben. Das Papier, das am 11. April in Berlin auf einer Tagung der FES in Berlin vorgestellt wird, wurde bereits eine Woche zuvor veröffentlicht und zog umgehend die Kritik der Ärzte und der Opposition auf sich. Die SPD-nahen Wissenschaftler schlagen u. a. vor, den Sicherstellungsauftrag auf die Krankenkassen übergehen zu lassen.

Als Eckpunkte für eine Strukturreform des Gesundheitssystems nennt das Papier Solidarität, Qualität, Wettbewerb und Prävention. Die konsequente Ausrichtung auf diese Prinzipien werde notwendigerweise zu einer Neudefinition der Rollen, Aufgaben und Arbeitsweisen aller am Gesundheitswesen Beteiligten führen. Auch die Politik müsse eine Richtungsänderung vornehmen und sich aus der bisherigen bürokratischen Steuerung der Institutionen zurückziehen. Stattdessen habe sie sich auf den Verbraucherschutz und die Sicherung eines qualitätsorientierten Wettbewerbs zu konzentrieren.

Keine Aufteilung des GKV-Leistungskatalogs

Das Prinzip der solidarischen und paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie der einheitliche Leistungskatalog sind nach Auffassung der FES unbedingt zu erhalten. Allerdings könne die Finanzierung des Systems weiterentwickelt werden.

So ließen sich neue Einnahmequellen erschließen, wenn neben dem Lohn auch andere Einkommensarten für die Beitragsberechnung berücksichtigt werden. Zudem könnten Versicherungspflichtgrenze und Beitragsbemessungsgrundlagen neu geregelt, versicherungsfremde Leistungen aus dem GKV-Katalog gestrichen und ein morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich geschaffen werden.

Neue Institute zur Qualitätssicherung

Zur Steigerung der Qualität im deutschen Gesundheitswesen schlagen die Experten eine neue Aufgabenverteilung vor. Der Wettbewerb müsse auf die Interessen der Patienten ausgerichtet sein. Der Aufbau eines staatlichen Instituts für Qualität in der Medizin, das auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse die Qualitätsstandards für den Wettbewerb definiert, sei hierbei notwendig.

Nur wer die Standards – spätestens nach einer Übergangszeit – erfülle, dürfe am Wettbewerb teilhaben. Die derzeit bestehenden Qualitätsdefizite in der medizinischen Versorgung seien auch auf das Versagen der Selbstverwaltung zurückzuführen.

Auch für die Aufnahme neuer Arzneimittel in die Erstattungspflicht der Kassen müsse eine neue Institution geschaffen werden. Ähnlich dem englischen "National Institute of Clinical Excellence (NICE)" müssten Medikamente nach dem Zulassungsverfahren einer weiteren Kosten-/Nutzenrelation unterzogen werden.

Aktivere Rolle der Krankenkassen

Eine moderne, solidarische Wettbewerbsordnung steht für die Wissenschaftler der FES im Mittelpunkt der Reformen. Dazu gehöre auch die Übertragung des Sicherstellungsauftrags von den Kassenärztlichen Vereinigungen auf die Krankenkassen. Die Leistung müsse wie in jedem wettbewerblichen System von demjenigen garantiert werden, der auch die Kosten dafür trage. Dieser Verantwortung entledigten sich die Kassen derzeit dadurch, dass sie ihren Auftrag pauschal an einen Monopolanbieter weitergebe.

In Zukunft sollten die Kassen einen Rollenwechsel vom "payer" zum "player" vornehmen. Auch der Fortfall des Kontrahierungszwangs zwischen Leistungserbringern und Kassen soll den Wettbewerb beflügeln. Heute seien Kassen verpflichtet, auch mit nicht qualitätsgesichert arbeitenden Einrichtungen Verträge zu schließen.

Um den Wettbewerb um mehr Qualität für den Patienten zu steigern, sollen die Kassen freie Verträge mit einzelnen Anbietern oder Anbietergruppen schließen können.

Ausbau der Prävention

Als weitere zentrale Aufgabe der Gesundheitspolitik nennt das Positionspapier den Ausbau der Prävention. Vorsorgeprogramme in Schulen, Betrieben und der breiten Öffentlichkeit sollen Krankheiten vermeiden helfen und auf diese Weise auch die Finanzen der Kassen entlasten. Dazu sollten konkrete Gesundheitsziele mit allen Beteiligten im Gesundheitswesen vereinbart werden, die ehrgeizig, aber realistisch formuliert und laufend erfolgskontrolliert sein müssten.

Zuspruch und Kritik

Unterstützt werden die Vorschläge der FES von einer Vielzahl von Wissenschaftlern aus den Bereichen Sozialpolitik und Ökonomie, u. a. von dem Bremer Pharmakologen Prof. Dr. Gerd Glaeske und dem Sachverständigenrat-Mitglied Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach. Für eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze sowie die Ausweitung der Beitragspflicht auf Einkünfte aus Immobilien- und Kapitalvermögen sprach sich in der vergangenen Woche auch die Gesundheitsexpertin der Grünen Katrin Göring-Eckardt aus.

Kritik ernteten die Vorschläge der FES seitens der Ärzteschaft (siehe nachfolgender Bericht) und der Opposition. Annette Widmann-Mauz (CDU) erklärte, das Papier verheiße nichts Gutes für den Patienten, der "nicht in seiner persönlichen Lage gesehen, sondern auf Standardmaße reduziert" werde. Die SPD setze weiter "auf Gängelung der Patienten und Einschränkungen der ärztlichen Therapie", so die Unions-Politikerin.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat sich hingegen noch nicht konkret zum Inhalt des FES-Papiers geäußert. Ein Sprecher der Ministerin äußerte jedoch, dass es Kritikpunkte gebe, etwa hinsichtlich der Ansiedlung des Sicherstellungsauftrags bei den Krankenkassen. Auch die Beitragsbemessungsgrenze soll unangetastet bleiben. Im Gespräch ist jedoch eine Anhebung der Versicherungspflichtgrenze, sodass der Wechsel zur privaten Versicherung erschwert wird. Schmidt will ihre eigenen Reformvorschläge ebenfalls bei der Tagung der FES am 11. April unterbreiten.

Eckpunkte einer neuen Gesundheitspolitik" lautet der Titel eines Positionspapiers, das Wissenschaftler der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) erarbeitet haben. Das Papier, das am 11. April in Berlin auf einer Tagung der FES in Berlin vorgestellt wird, wurde bereits eine Woche zuvor veröffentlicht und zog umgehend die Kritik der Ärzte und der Opposition auf sich. Die SPD-nahen Wissenschaftler schlagen u. a. vor, den Sicherstellungsauftrag auf die Krankenkassen übergehen zu lassen.

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