Kommentar

Mindestbeitragssatz kommt: Kassenwechsel wird erleichtert

Bonn (im). Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt will den Wechsel innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erleichtern. Sie verständigte sich zudem in der vergangenen Woche mit den Kassenverbänden auf ein neues Konzept des Finanzausgleichs der Kassen untereinander. Neu ist, dass ein Mindestbeitragssatz von 12,5 Prozent ab Januar 2002 kommen soll.

Den Eckpunkten zufolge, die Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder am 28. März in Berlin vorstellte, können Pflichtversicherte künftig wie die freiwilligen GKV-Mitglieder mit einer Frist von sechs Wochen zum Monatsende ihrer Kasse kündigen. In der neuen Kasse muss ein Mitglied jedoch mindestens 18 Monate bleiben. Da der bislang geltende Stichtag, der 30. September, wie ein Aufruf zum Wechsel gewirkt habe, soll er durch ein Vorschaltgesetz möglichst schnell gekippt werden.

Programme für Chroniker

Die Ministerin drängt darüber hinaus auf einen Mindestbeitragssatz von 12,5 Prozent des Bruttolohns, den die Landesverbände der Kassen zunächst freiwillig möglichst zum ersten Januar 2002 erreichen sollen. Kommt dieser "Solidarausgleich" genannte Hebesatz nicht, will Ulla Schmidt die 12,5 Prozent notfalls per Gesetz durchsetzen. Die Mittel aus der Anhebung auf den Mindestbeitragssatz, der vor allem viele günstige Betriebskrankenkassen trifft, sollen in neue Disease-Management-Programme zur Bekämpfung chronischer Krankheiten fließen. Konkret ist an sieben Erkrankungen gedacht, die einbezogen werden sollen. Nimmt ein Patient an einem solchen Sonderprogramm teil, trägt seine Kasse die Behandlungskosten nur zu einem Drittel (30 Prozent), den überwiegenden Anteil der Kosten (70 Prozent) teilen sich alle Kassen.

Risikopool kommt

Zum ersten Januar 2003 ist demnach ein Risikopool geplant, durch den jährliche Ausgaben für Arzneimittel, die Behandlung in Kliniken und das Krankengeld von über 40.000 Mark zum Teil ausgeglichen werden. Höhere Summen werden zu 60 Prozent aus dem Pool finanziert, 40 Prozent trägt die Krankenkasse des jeweiligen Versicherten. So sollen sich die Kassen künftig die Kosten für Patienten mit teurer Behandlung teilen.

2007 endgültige Lösung

Das jetzige Konzept sei eine Übergangslösung, die ab 2007 durch einen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (RSA) der Kassen abgelöst werden soll. Dadurch soll erstmals die Erkrankungshäufigkeit in der Bevölkerung (Morbidität) berücksichtigt werden. Aus dem Risikopool soll dann ein Hochrisikopool für sehr teure Krankheiten werden. Durch den RSA werden knapp 24 Milliarden Mark jährlich zwischen den Kassen umverteilt.

Reaktionen auf das Konzept

Nach Angaben von Staatssekretär Schröder haben die Verbände der gesetzlichen Kassen Zustimmung zu diesem Kompromiss signalisiert, nachdem sie vorher völlig unterschiedliche Vorschläge je nach Kassenart unterbreitet hatten. Dr. Hans Jürgen Ahrens vom AOK-Bundesverband begrüßte die Eckpunkte, da sich dadurch auch die Kassen mit überwiegend gesunden Mitgliedern an der Behandlung von Kranken beteiligen müssten. Herbert Rebscher von den Ersatzkassenverbänden sprach von einem fairen Kompromiss. Alle Kassen müssten sich zu einem vertretbaren Maß an der Finanzierung der Lasten de GKV beteiligen. Nach Worten von Rebscher stärke die Abschaffung des Kündigungsstichtags die Rechte der Verbraucher und fördere den Wettbewerb. Die vorgesehenen Sonderprogramme nannte er einen wesentlichen Bestandteil zur Verbesserung der Versorgung chronisch Kranker. Bis zuletzt hatte sich der Bundesverband der Betriebskrankenkassen gegen einen Mindestbeitragssatz in der GKV und gegen wettbewerbsfeindliche Vorschläge zur Reform des RSA gewehrt. Die Eckpunkte lehnte der BKK-Bundesverband am 29. März ab, nachdem ein zentraler Bestandteil der Verhandlungen nicht im Text aufgetaucht sei. Alle Beteiligte hätten zuvor zugestimmt, dass die Mittel aus der Anhebung auf 12,5 Prozent Beitragssatz in BKK-Vorsorgeprogramme fließen sollten. Die Verantwortlichkeit der jeweiligen Kassenart werde in den veröffentlichten Eckpunkten aber nicht mehr erwähnt, kritisierte der BKK-Bundesverband in Essen.

Techniker dagegen

Kritik kam auch von der Techniker Krankenkasse (TK) aus Hamburg. TK-Vorstandsvorsitzender Professor Norbert Klusen lehnte den Risikopool ab. Werde durch gutes Leistungsmanagement Kosten eingespart, komme das künftig anderen Kassen zugute. Das vernichte Anreize zur Wirtschaftlichkeit, sagte Klusen. Die geplanten Ausgleichsbeträge für chronisch Kranke, die sich in Disease-Management-Programme einschrieben, seien wenig praxistauglich. Zwar sei das Ziel richtig, die Versorgung chronisch Kranker zu verbessern, aber eine Umverteilung sei nicht das geeignete Instrument. Außerdem sei dies nicht kurzfristig zu etablieren, so der TK-Chef. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hob hervor, dass so der Einstieg in den morbiditätsbezogenen Finanzausgleich vollzogen werde. Krankenkassen sollten nicht dafür bestraft werden, wenn sie sich für eine bedarfsgerechte Versorgung der Kranken einsetzten.

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