Fortbildung

Erkältungskrankheiten wirksam therapieren

Mit Beginn der kühlen und regnerischen Jahreszeit geben sich erkältete Patienten in den Apotheken und Arztpraxen wieder die Klinke in die Hand. Grund genug für die Apothekerkammer Berlin und die Ernst-von-Bergmann-Akademie für ärztliche Fortbildung in der Ärztekammer Berlin, auf einer Fortbildungsveranstaltung das Thema "Erkältungskrankheiten" aus apothekerlicher und ärztlicher Sicht abzuhandeln.

 

Meist nur symptomatische Behandlung möglich

Erkältungssymptome wie Schnupfen, Husten, Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen sind in den meisten Fällen durch Viren verursacht und lassen sich daher nur symptomatisch behandeln. Mehr als 200 Virentypen sind heute bekannt – die größte Bedeutung haben die Rhinoviren aus der Familie der Picornaviren, auch Parainfluenza-, RS-, Corona-, Adeno- und Rheoviren spielen eine Rolle.

Das wichtigste Therapieziel beim Schnupfen besteht darin, die Ventilation und Drainage der Nasennebenhöhlen wiederherzustellen. Dies gelingt am besten mit lokal anzuwendenden langwirksamen α-Sympathomimetika wie Xylometazolin und Oxymetazolin sowie Nasentropfen oder -sprays auf der Basis von isotonischer Meer- oder Kochsalzlösung. Bei den Sympathomimetika sollte bei der Abgabe unbedingt auf die begrenzte Anwendungsdauer (5 – 7 Tage) sowie die Dosierung (zweimal täglich ist meist ausreichend) hingewiesen werden.

Auch die gegen Erkältungssymptome wie Kopf- und Gliederschmerzen eingesetzten Wirkstoffe Acetylsalicylsäure und Ibuprofen können auf Grund ihrer antiödematösen Eigenschaften mit dazu beitragen, die Nasenatmung zu verbessern. Allerdings ist diese Wirkung noch nicht wissenschaftlich belegt.

Einige Substanzen sind dagegen bei Schnupfen nur eingeschränkt oder gar nicht empfehlenswert, beispielsweise

  • Phenylephrin (die Wirkung ist nur bei lokaler, nicht aber bei peroraler Anwendung belegt),
  • Antihistaminika (nur indiziert bei nicht stillbarem Fließschnupfen),
  • Ephedrin (Negativ-Monographie),
  • Nasenöle (verkleben z. B. die Flimmerhärchen).

Ein Arztbesuch ist anzuraten bei chronischem Schnupfen, Verdacht auf eine Allergie oder gelb-grünlichem schleimigem Nasensekret. Bedacht werden sollte auch, dass einige Arzneistoffe zum Symptom der verstopften Nase sowie anderen eigentlich erkältungstypischen Symptomen wie Husten, Hals- und Kopfschmerzen führen können (siehe Tab. 1).

Tab. 1: Arzneistoffe, die "Erkältungsymptome" hervorrufen.

ArzneistoffSymptom
Doxepin, Clonidinverstopfte Nase
ACE-Hemmer (z. B. Captopril)Husten
Trizyklische Antidepressiva, NeorleptikaHalsschmerzen
Nitrate, Calciumantagonisten, Hormone (Kontrazeptiva), Ergotamin, CoffeinKopfschmerzen

Wirksamkeit nicht immer nachgewiesen

Bei Husten handelt es sich zunächst einmal um einen sinnvollen Reflex, der nicht sofort "wegzutherapieren" ist. Wird er jedoch als sehr störend empfunden – z. B. weil er den für die Genesung wichtigen Nachtschlaf stört – können Antitussiva empfohlen werde, die zentral am Hustenzentrum im Stammhirn und an sensiblen Rezeptoren im Bronchialtrakt angreifen. Sie sollten eine halbe bis eine Stunde vor dem Schlafengehen eingenommen werden. Ihre Anwendung ist nur in den ersten zwei bis drei Tagen sinnvoll, wenn sich der Schleim in den Bronchien noch nicht gelöst hat; eine spätere Anwendung – vor allem in Kombination mit schleimlösenden Wirkstoffen – würde zum unerwünschten Sekretstau führen.

Bei trockenem Reizhusten wurden beispielsweise Clobutinol, Pentoxyverin, Dropropizin und Codein positiv bewertet. Wirkstoffe wie Ambroxol, Bromhexin und Acetylcystein werden wegen ihrer sekretolytischen und sekretomotorischen Eigenschaften bei Husten vielfach empfohlen, ihr Nutzen ist jedoch noch nicht ausreichend wissenschaftlich belegt. Ambroxol und Bromhexin sollen über ihre sekretolytische Wirkung hinaus auch die Immunantwort fördern, indem sie den Übertritt von Immunglobulin A aus dem Blut in den Bronchialschleim stimulieren. Acetylcystein wird zusätzlich eine antioxidative Wirkung nachgesagt, daher ist dieser Wirkstoff beispielsweise in den USA in Vitaminpräparaten enthalten.

Bei der Abgabe von Hustenmitteln ist es sinnvoll, die Patienten auf reichliche Flüssigkeitszufuhr (zwei Liter pro Tag) und ausreichende Luftfeuchtigkeit hinzuweisen. Auch ein Hinweis auf die mögliche Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit durch zentral wirksame Antitussiva ist angebracht. Ein Arztbesuch ist anzuraten bei chronischer Bronchitis oder Dauerhusten (länger als zwei Wochen), älteren Patienten oder solchen mit chronischen Krankheiten, Schwangeren und Stillenden. Bei den beiden letztgenannten Patientengruppen liegen für die meisten Wirkstoffe keine ausreichenden Anwendungserfahrungen vor, sie sind daher für die Selbstmedikation ungeeignet. Nicht empfehlenswert bei Husten sind Antihistaminika, Guaifenesin und feste Kombinationen aus Expektoranzien und Antibiotika.

Bei hohem Fieber zum Arzt

Halsschmerzen sind relativ schwer zu therapieren, da die Erreger nicht oberflächlich, sondern tief im Gewebe lokalisiert sind. Chlorhexidin und Dequaliumchlorid wirken antibakteriell, ihre Anwendung ist bei viraler Infektion daher nicht sinnvoll. Lidocain und Polidocanol eignen sich auf Grund ihrer lokalanästhetischen Eigenschaften zur kurzfristigen Betäubung der Halsschmerzen, auch Ambroxol soll nach neueren Untersuchungen diese Eigenschaft besitzen. Ein Arztbesuch ist anzuraten bei Fieber über 38,5 °C, das länger als zwei Tage andauert, stark geschwollenen Lymphknoten und Mundgeruch.

Bei Kindern liegt bei Halsschmerzen und einem Ausschlag am Körper der Verdacht auf Scharlach nahe. Kommen zu den genannten Symptomen noch Kopf- und Gliederschmerzen, können Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Ibuprofen empfohlen werden, Phenazon und Propyphenazon sind Wirkstoffe zweiter Wahl. Nach dem Motto "Weniger ist mehr" sollten generell Monopräparate und keine "Schrotschusstherapie" mit fixen Kombinationen verschiedener Wirkstoffe zum Einsatz kommen.

Geprüfte Extrakte bevorzugen

Viele Patienten wenden bei Erkältungssymptomen gern Phytopharmaka an. Tatsächlich besitzen pflanzliche Extrakte nachweislich eine Vielzahl von positiven Wirkungen bei Erkältungssymptomen: Sie wirken beispielsweise sekretolytisch, sekretomotorisch, bronchospasmolytisch, entzündungshemmend und antitussiv. Geeignete Drogen bei trockenem Husten sind u.a. Wollblume, Spitzwegerich und Malve, bei produktivem Husten dagegen Efeu, Primel und Thymian. Relativ neu unter den modernen Phytopharmaka ist Umckaloabo, ein Extrakt aus einer südafrikanischen Pelargonium-Art mit antibakteriellen, schleimlösenden und immunstimulierenden Eigenschaften. Für die Empfehlung in der Apotheke sind am besten standardisierte Fertigarzneimittel geeignet, deren Wirksamkeit in klinischen Untersuchungen nachgewiesen worden ist.

Erkältung und Grippe aus ärztlicher Sicht

Auch bei der so genannten banalen Erkältung kann es leicht zu Komplikationen kommen, z. B. zu einer akuten bakteriellen Sinusitis, einer Otitis media oder einer bakteriellen Tonsillitis. Für die antibiotische Behandlung dieser Erkrankungen gibt es klare Leitlinien. So ist beispielsweise bei bakterieller Tonsillitis mit beta-hämolysierenden A-Streptokokken Penicillin das Antibiotikum der ersten Wahl, bei Penicillin-Allergie Erythromycin. Bei der bakteriellen Sinusitis gibt es keinen spezifischen Leitkeim, sie kann z. B. von A-Streptokokken, Haemophilus influenzae oder Staphylococcus aureus hervorgerufen werden. Die Leitlinien empfehlen hier, keine Breitbandantibiotika einzusetzen, sondern – in unkomplizierten Fällen – beispielsweise auf Amoxicillin plus beta-Lactamase-Inhibitor, Sulfonamid plus Trimethoprim oder Doxycyclin zurückzugreifen.

Falls bestimmte Symptome vorliegen, sollte der Apotheker dem Patienten von einer Selbstmedikation abraten. Dazu zählen sichtbare Schwellungen im Halsbereich, Kiefersperre, das Unvermögen zu Schlucken, Stridor, Fieber über 39 °C über mehr als drei Tage, Vorerkrankungen wie chronische Organerkrankungen oder Diabetes mellitus und hohes Alter.

Häufig nicht erkannt: CAP

Durch Symptome wie allgemeine Schwäche und Gliederschmerzen, starke Kopfschmerzen, Schmerzen beim Atmen und Husten mit Auswurf ist die recht häufig vorkommende community acquired pneumonia (CAP) gekennzeichnet, die allerdings häufig nicht erkannt wird. Haupterreger ist Streptococcus pneumoniae. Die Behandlung richtet sich nach dem Alter des Patienten und der Schwere des Krankheitsbildes. Bei mildem Verlauf und/oder jungen Patienten wird eine ambulante Behandlung durchgeführt. Mittelschwere Verläufe und/oder ältere Patienten erfordern eine Behandlung im Krankenhaus, bei sehr schweren Verläufen sogar auf der Intensivstation, da Komplikationen wie z. B. Lungenabszess oder pneumogene Sepsis drohen.

Bei der Antibiotikaauswahl ist zu beachten, dass eine CAP auch im Ausland erworben worden sein kann, wo der Anteil Penicillin-resistenter Pneumokokken höher ist als in Deutschland (z.B. in Westeuropa oder Amerika). In diesen Fällen greift man auf Cephalosporine oder Gyrasehemmer zurück.

Influenza-Impfung empfehlen

Obwohl es sich bei der Influenza um eine Infektionskrankheit mit hoher Letalität (zwischen 5000 und 8000 Menschen sterben pro Jahr daran) handelt, wird sie in der Bevölkerung völlig unterschätzt. Sie ist darüber hinaus nicht leicht zu erkennen, da das klinische Bild sehr variabel sein kann – es umfasst beispielsweise plötzliches hohes Fieber, Husten und Kopfschmerzen. Zur Diagnose ist jedoch ein Influenza-Schnelltest verfügbar. Zur antiviralen Therapie stehen Amantadin (nur bei Influenza A) und die Neuraminidasehemmer Zanamivir und Oseltamivir zu Verfügung. Werden letztere innerhalb von 48 Stunden nach Influenza-Ausbruch verabreicht, können die Erkrankungsdauer um ein bis drei Tage verkürzt und das Risiko ernsthafter Komplikationen reduziert werden.

Die STIKO empfiehlt die Influenza-Impfung Personen über 60 Jahre, Bewohnern von Alters- oder Pflegeheimen, Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens (z.B. Asthma, Diabetes mellitus, Multiple Sklerose, HIV-Infektion) oder infolge ihres Berufs (z.B. medizinisches Personal, Personal in Einrichtungen mit starkem Publikumsverkehr) sowie Kontaktpersonen der o.g. Risikogruppen. Dem gemäß sollten auch Ärzte und Apotheker diesen Personen die Influenza-Impfung empfehlen. Eine Hühnereiweißallergie ist eine Kontraindikation für die Influenza-Impfung.

Dr. Claudia Bruhn, Berlin

Quelle 
Apothekerin Dr. Sabine Schellerer, München; Oberärztin Dr. Bettina Temmesfeld, Charité Berlin. Fortbildungsveranstaltung am 27. Oktober 2004 in Berlin.

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