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Bronchitis und Husten –Antibiotika für alle?

Eine Patientin möchte bei Ihnen ein Rezept über Roxithromycin-Tabletten einlösen. Sie holen das Antibiotikum und legen es vor sich auf den HV-Tisch. "Der Arzt hat Ihnen ein Antibiotikum verordnet", beginnen Sie mit Ihrer Beratung. Aber bevor Sie mit den Einnahmehinweisen beginnen können, unterbricht Sie die Kundin: "Wie bitte? Ein Antibiotikum? Ich habe dem Arzt doch gesagt, dass ich kein Antibiotikum möchte! Es ist doch nur ein Husten – den habe ich doch ständig. Ich kann doch nicht immer gleich ein Antibiotikum einnehmen!" Ihre Patientin ist sichtlich aufgeregt. Beim Sprechen ist ihre Stimme immer lauter geworden. Ihre Bemerkungen enden in einem Hustenanfall. Ihr Husten ist trocken in kurzen heftigen Stößen, sie legt beim Husten schützend eine Hand auf ihre Brust.

Die Abgabe von Antibiotika gehört zu unserem Tagesgeschäft. Gerade im Winter steigt die Zahl der Atemwegsinfektionen und damit steigt auch die Zahl der verordneten Antibiotika. In der aktuellen Tagespresse lesen wir zeitgleich immer wieder davon, dass viele Antibiotika unnötigerweise verordnet werden. Wie ist eine solche Verordnung tatsächlich zu bewerten? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, lassen sich die aktuellen Therapieleitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie heranziehen.

Husten – ein Symptom und tausend Ursachen

Husten ist ein physiologischer Schutzreflex der Atemwege. Er tritt als Symptom fast aller pulmonaler und einiger extrapulmonaler Erkrankungen auf. Zur Beurteilung des Hustens wird der Arzt zunächst nach der Dauer der Beschwerden fragen. Als akut gilt ein Husten, wenn die Symptome erst seit wenigen Wochen bestehen. Die meisten akuten Erkrankungen mit dem Hauptsymptom Husten sind in drei bis vier Wochen ausgeheilt. In einigen Fällen kommt es im Anschluss an eine akute Erkrankung zu einem postinfektiösen Husten, der bis zu acht Wochen anhalten kann. Deshalb wird erst ein Husten, der seit acht Wochen oder länger anhält als chronisch bezeichnet (siehe Tab. 1).

Gerade ein chronischer Husten ohne Begleitsymptome wird von den Patienten häufig als banal eingestuft. Es besteht die Möglichkeit, sich in der Selbstmedikation über lange Zeit selbst zu versorgen und eine Diagnose und nötige Therapie zu verzögern. Bei jeder Selbstmedikation von Husten in der Apotheke ist deshalb von uns abzuklären, wie lange diese Symptome bereits bestehen und ob eine ärztliche Diagnose vorliegt.

Bei einem chronischen Reizhusten, der meist nur nachts stört und tagsüber kaum Probleme macht, ist in der Apotheke immer an eine Nebenwirkung durch ACE-Hemmer zu denken. Circa 10% aller Hypertoniker, die mit ACE-Hemmern behandelt werden, entwickeln im Laufe ihrer Therapie einen Reizhusten, der in der ganzjährig aktuellen Erkältungssaison durch den Patienten und auch durch den Arzt schnell als Erkältungshusten angesehen und behandelt wird.

Die häufigste Ursache für einen chronischen Husten ist jedoch die chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD). Hier kommt es meist in Folge des Rauchens zu einer irreversiblen Atemwegsobstruktion mit einer Störung der mukoziliären Clearance.

Die akute Bronchitis

Die Patientin hatte vor ungefähr zwei Wochen erste Erkältungssymptome. Tagelang litt sie unter Halsschmerzen. Es folgten einige Tage mit Kopf- und Gliederschmerzen und einem allgemeinen Krankheitsgefühl. In dieser Zeit entwickelten sich ein Schnupfen und später auch ein produktiver Husten. Bis dahin hatte sie sich mit einem Sekretolytikum in der Selbstmedikation versorgt und hatte das Gefühl, die schlimmsten Beschwerden überwunden zu haben. Vorgestern wurde das Krankheitsgefühl jedoch wieder schlimmer. Der Schnupfen war wieder stärker geworden, tagsüber schnupfte sie zähen gelblichen Schleim aus, nachts bekam sie keine Luft mehr durch die Nase, morgens war sie mit starken Kopfschmerzen aufgewacht. Die letzten beiden Nächte hatte die Frau wegen ihres Hustenreizes nicht geschlafen. Das hatte sie schließlich zum Arzt geführt.

Die Krankengeschichte der Patientin passt in das Bild einer akuten Bronchitis, einer Entzündung der Bronchien, manchmal auch gleichzeitig der Luftröhre (Tracheobronchitis). Zu 95% ist die Ursache dieser Art der Bronchitiden eine Infektion durch Viren, meist Influenza- oder Parainfluenza-Viren, bei Kindern Reoviren, gefolgt von Adeno- Coxsackie- und ECHO-Viren. Nur selten finden sich Mykoplasmen oder Chlamydien als Auslöser.

Im Verlauf einer solchen Virusinfektion kommt es jedoch in einigen Fällen zu bakteriellen Superinfektionen. Hier spielen Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae), Staphylococcus aureus und Hämophilus influenza eine Rolle. Virale und bakterielle Bronchitiden lassen sich in der Klinik nur schlecht unterscheiden. Sichtbares Symptom einer bakteriellen Infektion ist gelb oder gelb-grün gefärbtes Sputum, bei einer Infektion der Nasennebenhöhle (Sinusitis) des Schnupfensekrets. Aus den Schilderungen der Patientin geht hervor, dass sie unter einer Sekundärinfektion leidet. Zudem berichtet sie von einem Schnupfen, einer verstopften Nase und starken Kopfschmerzen. Diese Symptome weisen darauf hin, dass auch die Nasennebenhöhlen von der Infektion betroffen sind.

Hilfe durch altbekannte Hausmittel

In den meisten Fällen einer akuten Bronchitis reicht eine symptomatische Behandlung aus. Bei Fieber oder Gliederschmerzen kommen Antipyretika zum Einsatz. Bei erheblichem Hustenreiz werden Antitussiva vor allem zur Nacht eingesetzt. Bei produktivem Husten sind Antitussiva jedoch kontraindiziert. Hier kann die Mukolyse mit Acetylcystein oder Ambroxol unterstützt werden.

Gleichzeitig wird körperliche Schonung empfohlen, um die Abwehrkräfte zu entlasten. Eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr z. B. durch heißen Tee hilft zur Schleimverdünnung und Linderung von Beschwerden im Rachenraum. Inhalationen und Einreibungen mit ätherischen Ölen dienen ebenfalls der Schleimverflüssigung. Alles zielt darauf ab, den Husten schneller abklingen zu lassen. Der Verzicht auf Rauchen sollte selbstverständlich sein.

Antibiotika – nur bei bakteriellen Infektionen!

Die akute Bronchitis eines ansonsten gesunden Patienten braucht nicht mit antimikrobiellen Substanzen behandelt zu werden.

Verschlimmern sich die Beschwerden jedoch nach einigen Tagen statt nachzulassen, spricht viel für eine bakterielle Sekundärinfektion. Bei akutem Fieberanstieg, Verschlechterung des Allgemeinzustands und vermehrtem eitrigen Auswurf ist eine bakterielle Superinfektion oder eine beginnende Pneumonie wahrscheinlich.

Indikationen für eine Antibiotikatherapie bei akuten Atemwegsinfekten hat die Deutsche Atemwegsliga festgelegt (siehe Kasten "Indikationen für eine Antibiotikatherapie").

Für unsere Patientin besteht nach diesen Kriterien tatsächlich eine Indikation für eine antibiotische Therapie. Denn bei ihr liegt ein zusätzlicher Infekt im Nasennebenhöhlenbereich vor.

Einen weiteren Grund für die Antibiotika-Verordnung erfährt man, wenn man sich auf ein Gespräch mit der Patientin einlässt. Auf Nachfrage erzählt sie, dass sie seit über 20 Jahren Raucherin sei. Normalerweise rauche sie ca. 20 Zigaretten pro Tag. In den letzten Tagen habe sie ihren Zigarettenkonsum aber stark eingeschränkt. Gleich zu Beginn hatte die Patientin erzählt, dass sie Husten nicht ernst nehme, weil sie schließlich so oft welchen habe. Fragen wir hier weiter nach, erfahren wir, dass sie morgens in der ersten halben Stunde nach dem Aufstehen regelmäßig zähes Sekret abhustet. Daran habe sie sich gewöhnt. Das sei quasi schon immer so gewesen. Der Arzt könnte auch nichts dagegen machen. Im Alltag würde es sie auch nicht stören.

Berücksichtigt man diese zusätzlichen Informationen, so ist diese scheinbar banale akute Bronchitis als akute Exazerbation einer chronischen Bronchitis zu bewerten. Hier besteht auf jeden Fall eine Indikation für eine intensive Therapie, um eine Verschlechterung der Lungenfunktion zu vermeiden.

Auswahl des Antibiotikums

Die Auswahl des Antibiotikums erfolgt im Normalfall ohne Erregernachweis. Die Kosten einer mikrobiologischen Untersuchung stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen. Aus dem Anamnesegespräch mit dem Patienten ergeben sich zahlreiche Hinweise, die auf das Erregerspektrum schließen lassen:

  • Hat der Patient in den letzten Tagen und Wochen bereits eine Antibiotikatherapie durchgeführt (eventuell Infektionen der Harnwege), besteht ein erhöhtes Risiko für eine Infektion durch resistente Erreger.
  • Nach einer Reise in ein Land mit hohem Legionellose-Vorkommen ist eine Legionellen-Infektion zu bedenken.
  • Bei älteren Patienten über 65 Jahren werden vermehrt gramnegative Erreger gefunden. Komorbidität und vorangegangene Hospitalisierung sind Kofaktoren.
  • Bei Exazerbationen von strukturellen Lungenerkrankungen, wie der chronisch-obstruktiven Bronchitis, treten vermehrt Infektionen durch Hämophilus influenza auf. Bei fortgeschrittener COPD, Mukoviszidose oder Bronchiektasen sind S. aureus und P. aeruginosa zu berücksichtigen.
  • Bei Kontakt zu Vögeln ist C. psittaci , bei Kontakt zu Schafen C. burnetti zu berücksichtigen.
  • Bei einer Steroidvortherapie von mindestens 10 mg/d Prednisonäquivalent über eine Dauer von mindestens vier Wochen ist ein gehäuftes Auftreten von P. aeroginosa und Legionellen ssp. beschrieben worden.

Bei den klassischen Erregern von tiefen Atemwegsinfektionen haben weltweit Resistenzen zugenommen. Verstärkt werden die Resistenzbildungen durch den großzügigen Einsatz von Antibiotika ohne Indikation, durch subtherapeutische Dosen und zu kurze Therapieintervalle.

Je nach vermutetem Erregerspektrum wird schließlich ein Antibiotikum ausgesucht und in ausreichender Dosierung ausreichend lange angewendet. Die Tabelle 3 zeigt die empfohlenen Antibiotika gegen ambulant erworbene Pneumonien. Amoxicillin ist in der ambulanten Therapie das Mittel der ersten Wahl. Es wirkt gegen alle häufigen Pneumonie-Erreger, auch gegen H. influenza Durch Kombination von Amoxicillin mit Clavulansäure erweitert sich das Wirkspektrum, so dass auch Pseudomonas-aeruginosa -Infektionen behandelt werden können. Ein ähnlich breites Wirkspektrum haben die Fluorchinolone. Beim Verdacht auf Legionellosen werden Ciprofloxacin oder Makrolide eingesetzt.

Antibiotikatherapie – wenn schon, denn schon!

In unserem Fall hat der Arzt unserer gemeinsamen Patientin Roxithromycin verordnet. Wie beschrieben gibt es eine Reihe von Indikationen für ein Antibiotikum bei einer Bronchitis. Mit unserer Patientin sind wir ins Gespräch gekommen und haben die Gründe für die antibiotische Therapie erfahren. Das wird uns nicht bei jedem unserer Patienten gelingen.

Die Entscheidung für eine antibiotische Therapie liegt in der Verantwortung des Arztes. Sobald sich der Arzt dafür entschieden hat, ist es nicht unsere Aufgabe, die Entscheidung zu hinterfragen oder anzuzweifeln.

Bestätigen Sie also stattdessen die Entscheidung des Arztes. "In einigen Fällen ist ein Antibiotikum notwendig. Es wird Ihnen helfen, schnell wieder gesund zu werden." Unterstützen Sie die Compliance des Patienten, indem Sie ihm die notwendigen Anwendungshinweise zur Dosierung und Behandlungsdauer geben. Roxithromycin wird üblicherweise in Dosierungen von zweimal 150 mg oder einmal 300 mg täglich für sieben bis zehn Tage gegeben. Die Einnahme erfolgt auf nüchternen Magen, am besten eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit mit einem großen Glas Wasser. Der Wirkstoff ist im Allgemeinen sehr gut verträglich. Gelegentlich kann es jedoch wie bei allen Antibiotika zu Magen-Darm-Beschwerden kommen, manchmal zu Magenschmerzen, manchmal zu leichten Durchfällen. Diese unerwünschten Nebenwirkungen sind meist erträglich; die Therapie ist fortzuführen. Kommt es jedoch während der Therapie oder einige Tage danach zu schweren, lang anhaltenden Durchfällen ist ein Arzt aufzusuchen.

Üblicherweise spürt der Patient eine Besserung der Beschwerden innerhalb von drei bis vier Tagen. Sollte das nicht der Fall sein oder eine erneute Verschlechterung auftreten, ist ein erneuter Arztbesuch notwendig.

Rundum-Versorgung des Antibiotika-Patienten

Unsere Patientin kennen wir in der Zwischenzeit so gut, dass wir wissen, was sie noch braucht, damit es ihr bald wieder besser geht.

Gegen die HNO-Infektion ist ein abschwellendes Nasenspray und eventuell ein Sekretlöser erforderlich. Wenn wir sie darauf ansprechen, wird ihr einfallen, dass ihr der Arzt ein grünes Rezept mitgegeben hat. Sie wollte das Geld sparen und zunächst nur das rosa Rezept einlösen. Das macht in ihrem Fall jedoch keinen Sinn. Zur symptomatischen Behandlung der Bronchitis ist der Einsatz von Expektorantien möglich. Die wichtigste Maßnahme ist jedoch die reichliche Flüssigkeitszufuhr von zwei bis drei Litern. Am besten empfehlen wir ihr Husten- und Bronchialtee.

Noch intensiver wirkt die Flüssigkeit natürlich, wenn sie direkt in der Lunge ankommt. Eine Inhalation mit isotonischer Kochsalzlösung ist hilfreich.

Ein letzter Hinweis betrifft das Rauchen. In dem Moment, in dem Bronchialbeschwerden vorliegen, sind Raucher offen für die Empfehlung, mit dem Rauchen aufzuhören. Da die Patientin ihren Zigarettenkonsum in den letzten Tagen stark eingeschränkt hat, könnte sie sich dazu entscheiden, ganz mit dem Rauchen aufzuhören. Aber das ist ein anderes Thema.

Quelle

www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/0020-003.htm:

Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie "Diagnostik und Therapie von Patienten mit akutem und chronischem Husten", 2004.

www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/082-001.htm:

Leitlinie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie "Epidemiologie, Diagnostik, antimikrobielle Therapie und Management von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbenen tiefen Atemwegsinfektionen (akute Bronchitis, akute Exazerbation einer chronischen Bronchitis, Influenza und andere respiratorische Virusinfektionen) sowie ambulant erworbener Pneumonie", 2005

Lennecke, K. et al.: Therapie-Profile für die Kitteltasche. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2006.

Rebhandl, E. et al.: Evidence based Medicine-Guidelines für Allgemeinmedizin. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, 2006.

www.p-e-g.de:

Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V.

www.pneumologie.de:

Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin

www.capnetz.de:

Kompetenznetzwerk CAPNetz Deutschland.

Dr. Kirsten Lennecke

Bochumer Str. 61A

45549 Sprockhövel

Indikationen für eine Antibiotikatherapie bei akuten bakteriellen Atemwegsinfektionen


  • Kleinkinder bis zum Ende des 1. Lebensjahres
  • Kinder mit Lungenvorerkrankungen, Herzfehlern, Abwehrschwäche
  • Patienten mit chronischer Bronchitis im akuten Schub
  • Ältere Patienten (> 60 Jahre)
  • Patienten mit kardialen, respiratorischen oder nephrologischen Grunderkrankungen sowie Leberzirrhose
  • Patienten mit zusätzlichen bakteriellen Infekten im HNO-Bereich
  • Patienten mit Immunschwäche oder unter immunsuppressiver Therapie
(Quelle: Deutsche Atemwegsliga)

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