Schwerpunkt Erkältung

C. BruhnSenioren bei einer Erkältung richtig berate

Bei der Beratung älterer Menschen mit Erkältungssymptomen sollten nicht nur die physiologischen Veränderungen des höheren Lebensalters berücksichtigt werden, die die Pharmakokinetik und -dynamik beeinflussen können. So kann die Säureproduktion des Magens vermindert sein, was Konsequenzen für die Resorptionsgeschwindigkeit und die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen hat. Beim alten Menschen kann auch infolge einer eingeschränkten Nierenfunktion die Elimination von Arzneistoffen eingeschränkt sein. Vor der Empfehlung eines Präparats ist außerdem eine eventuelle Dauermedikation zu erfragen, um Wechselwirkungen vorzubeugen.

Wie bei allen anderen Altersgruppen so gilt auch für Senioren, dass bei bestimmten Symptomen von einer Selbstmedikation dringend abzuraten und stattdessen ein Arztbesuch zum Ausschluss einer schwerwiegenden Erkrankung (Influenza, bakterielle Superinfektion) zu empfehlen ist. Dies sind:

  • Fieber > 39°C über 48 Stunden
  • starke Kopf-, Glieder- oder Ohrenschmerzen
  • Schmerzen beim Atemholen oder Husten, Atemnot, eitriger Auswurf
  • Symptome seit mehr als sieben Tagen
  • keine Besserung der Sym–ptome trotz Selbstmedikation oder Verschlimmerung der Beschwerden.

In allen anderen Fällen kann eine symptomatische Therapie erfolgen, wobei einige Besonderheiten des höheren Lebensalters zu berücksichtigen sind.

Berücksichtigung physiologischer Veränderungen Die physiologischen Besonderheiten des höheren Lebensalters sollten sowohl bei der Auswahl der Wirkstoffe als auch der Arzneiformen berücksichtigt werden. Dazu zählen insbesondere:

  • Einschränkungen des Hör- und Sehvermögens
  • verminderte Speichelsekretion
  • eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit

Einschränkungen des Hörvermögens oder der kognitiven Leistungsfähigkeit können dazu führen, dass der ältere Mensch die Erläuterungen des Apothekers zu den abgegebenen Präparaten nicht richtig versteht, daher empfiehlt sich ein entsprechendes Nachfragen. Auch die häufig sehr kleine Schrift der Beipackzettel bereitet älteren Menschen Mühe. Sinnvoll ist, die empfohlene Dosierung deutlich lesbar auf die Umverpackung oder das Gefäß zu übertragen.

Ältere Menschen leiden oft an Mundtrockenheit (Xerostomie). Bei Einnahme fester oraler Arzneiformen kann es daher häufiger zu Reizungen der Mundschleimhaut oder Schluckbeschwerden (große Kapseln!) kommen. Orale Liquida (Säfte, Brausetabletten) sollten deshalb bevorzugt empfohlen werden. Bei Zubereitungen, die in Tropfenform appliziert werden, ist wiederum zu prüfen, ob das manuelle Geschick des Patienten nicht nur für die Öffnung des Behältnisses, sondern auch für die richtige Anwendung ausreichend ist, gegebenenfalls sind zusätzliche Erklärungen notwendig (z. B. der Hinweis: Zentraltropfer senkrecht halten).

Probleme bei chronisch Erkrankten Ältere Menschen, die an den Folgen eines Schlaganfalls, an Arthrose, Gicht oder rheumatischen Erkrankungen leiden, haben oft Schwierigkeiten bei der Entnahme von Tabletten aus Blistern oder dem Öffnen von Gefäßen mit Kindersicherung, was bei der Auswahl des Präparats berücksichtigt werden sollte.

Darüber hinaus nehmen chronisch Erkrankte oft bereits mehrere Medikamente ein. Vor der Empfehlung eines Präparates im Rahmen der Selbstmedikation sollten diese erfragt werden, da Wechselwirkungen mit den Inhaltsstoffen der Erkältungsmittel auftreten können. Kombinationspräparate mit mehreren chemisch definierten Wirkstoffen (z. B. Wick® MediNait, Aspirin3 complex) sollten älteren Patienten wegen der großen Zahl möglicher Interaktionen nicht empfohlen werden. Auch Erkältungsbäder sind wegen der Gefahr unerwünschter Kreislaufreaktionen für ältere Menschen eher ungeeignet.

Hausmittel sind beliebt Manche ältere Menschen sind sehr skeptisch gegenüber chemisch definierten Wirkstoffen und schwören auf ihre "Hausmittelchen". Andererseits sind Senioren auch häufig durch TV und Printmedien gut informiert und kommen daher mit einem speziellen Präparatewunsch in die Apotheke. Bei beiden Gruppen bietet sich unabhängig von der sonstigen Empfehlung ein Tee oder eine Teemischung als Zusatzverkauf an. Denn Senioren neigen dazu, infolge des im höheren Lebensalter nachlassenden Durstempfindens zu wenig Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Die allgemeine Empfehlung, sich zu schonen und bis zur Besserung der Erkältungssymptome lieber das Bett zu hüten, dürfte von den meisten Senioren leichter anzunehmen sein als von berufstätigen Erwachsenen. Ausgenommen sehr aktive Senioren, die auch – oder vor allem – als Rentner "niemals Zeit haben".

Symptomorientierte Empfehlung Wie bei anderen Altersgruppen auch sollte sich die Empfehlung von Präparaten für ältere Menschen an den Symptomen orientieren.

Schnupfen

Meist beginnt die Erkältung mit häufigem Niesen und Fließschnupfen, später kommt es oft zu einer verstopften Nase. Bei älteren Menschen empfehlen sich vor allem kochsalzhaltige Nasentropfen oder -sprays. Um systemischen Wirkungen vorzubeugen, sollten Nasentropfen mit alpha-Sympathomimetika (Xylometazolin, Oxymetazolin) bei Hypertonikern mit Vorsicht angewendet werden. Besonders empfehlenswert im höheren Lebensalter sind Präparate mit einem Zusatz von Dexpanthenol zur Pflege der gereizten Nasenschleimhaut.

Husten

Zur Bekämpfung von Reizhusten eignen sich vor allem Tees oder andere Zubereitungen aus reizlindernden Drogen (z. B. Eibischwurzel, Isländisch Moos, Malvenblüten) Auch zur Schleimlösung sollten vorwiegend pflanzliche Präparate (z. B. mit Spitzwegerich-, Efeu-, Thymianextrakt) empfohlen werden. Bei chemisch definierten schleimlösenden Wirkstoffen (z. B. Ambroxol) ist Zurückhaltung geboten, da sie bei Personen mit eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion, die im Alter häufiger auftritt, nur mit besonderer Vorsicht oder in verminderter Dosis verabreicht werden dürfen. Sekretolytika sollten wegen der Gefahr eines Sekretstaus nicht mit Antitussiva (z. B. Clobutinol) kombiniert werden. Besonders gilt dies für Patienten mit eingeschränkter Lungenfunktion.

Fieber und Schmerzen

Da bei einer banalen Erkältung das Fieber normalerweise nicht über 39 °C ansteigt, ist eine Fiebersenkung nicht notwendig. Bei der Empfehlung von Analgetika sollten die entsprechenden Wechselwirkungen mit der Dauermedikation beachtet werden (siehe Tab. 1) Halsschmerzen können durch das Lutschen von Salbei-Bonbons oder Halsschmerz-Tabletten (Wirkstoffe z. B. Panthenol, Emser Salz) gemildert werden. Die Empfehlung, mit Tee bzw. entsprechenden Auszügen aus Salbeiblättern oder Kamillenblüten zu gurgeln, wird von Senioren gern angenommen.

Auch an eine Grippeschutzimpfung denken! Obwohl es sich bei Erkältung und Grippe (Influenza) um zwei völlig verschiedene Erkrankungen handelt, werden diese beiden Begriffe gerade von Senioren gern synonym verwendet. Da bei einer Influenza-Welle die meisten schweren Erkrankungsfälle, Komplikationen und Todesfälle unter älteren Menschen zu finden sind, ist das genaue Hinterfragen der Symptome in dieser Altersgruppe besonders wichtig, denn nur dann kann eine Influenza rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Besonders gefährdet sind ältere Menschen mit chronischen Grundkrankheiten (z. B. Herz- oder Lungen-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Immundefekte).

Die ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut in Berlin (STIKO) empfiehlt für Personen ab 60 Jahren eine Grippeschutzimpfung. Als die "idealen Impfmonate" gelten die Monate Oktober und November. Aber auch zu einem späteren Zeitpunkt ist eine Impfung noch sinnvoll. Die volle Ausbildung des Impfschutzes dauert etwa zwei Wochen. Das Robert Koch-Institut empfiehlt, anlässlich der Grippeschutzimpfung auch an die Pneumokokken-Impfung zu denken, die für ältere und chronisch kranke Menschen alle sechs Jahre empfohlen ist und zum selben Termin verabreicht werden kann.

Die Wirksamkeit des Grippe–impfstoffes wird bei gesunden Erwachsenen – je nach Übereinstimmung der Impfstämme mit den zirkulierenden Stämmen – mit 60 bis 90% angegeben. Da die Immunantwort bei älteren Menschen vermindert ist, wird die Schutzwirkung in dieser Bevölkerungsgruppe nur auf 23 bis 70% geschätzt.

Seit einigen Jahren ist für Personen ab dem 65. Lebensjahr ein speziell für diese Altersgruppe entwickelter Impfstoff (Fluad®) auf dem Markt. Er enthält als Zusatz ein Adjuvanssystem, wodurch sowohl im Tierversuch als auch in klinischen Studien höhere Antikörpertiter als bei herkömmlichen Influenza-Impfstoffen erzielt werden konnten. Die Zahl der Nebenwirkungen (vor allem lokale Impfreaktionen) war in den Studien bei Fluad® etwas höher. Gegenanzeigen bestehen bei Überempfindlichkeit gegen Hühnereiweiß oder Formaldehyd.

Trotz der seit langem bestehenden Empfehlungen wird die Durchimpfungsrate bei Senioren und anderen Risikogruppen auf unter 50% geschätzt. In der Apotheke sollte daher in der Erkältungszeit auf die Grippeschutzimpfung verwiesen werden.

Berichtet ein älterer Mensch über Symptome, die schwerer sind als bei einer banalen Erkältung und eher auf eine Influenza schließen lassen (siehe Kasten "Influenza-typische Symptomatik"), so ist das umgehende Aufsuchen des Arztes auch deshalb zu empfehlen, weil innerhalb von 48 Stunden nach Ausbruch der Erkrankung durch Gabe eines Neuraminidasehemmers (z. B. Oseltamivir) eine Milderung der Symptome, eine Verkürzung der Krankheitsdauer und eine Verhinderung von Komplikationen noch erfolgversprechend ist.

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

Durchschnittlich bekommt jeder Mensch zwei- bis viermal im Jahr eine Erkältung, besonders häufig erwischt es uns in den feuchten und kalten Herbst- und Wintermonaten. Kinder und Ältere brauchen dann besondere Aufmerksamkeit und Beratung. Bei der Beratung älterer Menschen sollten nicht nur die physiologischen Veränderungen berücksichtigt werden. Hier gilt es Komedikationen zu erfragen, um Wechselwirkungen vorzubeugen. Wenn es um die Behandlung der akuten Mittelohrentzündung bei Kindern geht, ist der Einsatz von Antibiotika immer noch eine Streitfrage. Doch nicht nur die Antibiotikabehandlung ist umstritten, wie wir Ihnen zeigen.

Influenza-typische Symptomatik:

  • plötzlicher Krankheitsbeginn mit Fieber (> 39 °C)
  • trockener Reizhusten
  • Muskel- und/oder Kopfschmerzen
  • außerdem: allgemeine Schwäche,
  • Schweiß–ausbrüche , Halsschmerzen

Zum Weiterlesen:

Basiswissen Erkältung. Was tun, wenn die Nase läuft und der Hals kratzt? DAZ 2005, Nr. 49, S. 51–65. www.deutsche-apotheker-zeitung.de

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