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ABDA: Eckpunkte sind Frontalangriff auf die Apotheke

BERLIN (ks). Die acht "Eckpunkte zur Modernisierung des Gesundheitswesens", die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt in der vergangenen Woche vorgestellt hat, haben ein geteiltes Echo ausgelöst. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) und die pharmazeutische Industrie kritisierten die Pläne Schmidts heftig. AOK und Angestellten-Krankenkassen begrüßten den Weg der Ministerin hingegen grundsätzlich. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kann einigen Eckpunkten Positives abgewinnen.

ABDA-Präsident Hans Günter Friese erklärte, die Eckpunkte der Ministerin seien "ein Frontalangriff auf die unabhängige öffentliche Apotheke". Sie zielten auf eine weitgehende Ablösung der privatwirtschaftlich geführten Einzelapotheke durch Kapitalgesellschaften. Zudem seien sie ein weiterer Angriff auf den Mittelstand, der im Widerspruch zu der von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) angekündigten Mittelstandsoffensive stehe. Es sei nicht nachvollziehbar, so Friese, warum Schmidt an der Einführung des Arzneimittel-Versandhandels und der Zulassung von Kettenapotheken festhalte, obwohl beide Systeme belegt hätten, dass sie weder zur Kostenreduzierung noch zur Steigerung der Qualität beitragen.

"Offenkundig geht es darum, das System der Versorgung durch unabhängige, wohnortnahe Apotheken zu zerschlagen, für dessen Erhalt sich gerade im vergangenen Jahr mehr als 7,7 Millionen Menschen mit ihrer Unterschrift ausgesprochen haben", sagte Friese. Selbst Krankenkassen setzten mittlerweile auf moderne Ansätze der Versorgung gemeinsam mit den Apothekern, erklärte der ABDA-Chef weiter. So hätten z. B. die niedersächsischen Betriebskrankenkassen mit dem Apothekerverband Niedersachsen das Modellprojekt der "Hausapotheke" gestartet.

Friese forderte die Ministerin auf, den Dialog mit den Apothekern zu intensivieren, um die Arzneimittelversorgung zukunftsgerichtet weiterzuentwickeln und dabei die Kompetenz der Apotheker mehr zu nutzen. Er kündigte eigene Eckpunkte der Apotheker zur Arzneimittelversorgung an. Friese erinnerte zudem an die Auswirkungen des Beitragssatzsicherungsgesetzes: Hier seien die Apotheken mit "existenzvernichtenden Sonderopfern" belegt worden, welche die vom Ministerium genannten 350 Millionen Euro um weit mehr als das Doppelte überstiegen. Neben einer Vielzahl von drohenden Apothekenschließungen habe dies auch massive Auswirkungen auf die rund 135 000 Apothekenmitarbeiter. Friese kündigte an, entsprechende Zahlen für den Januar Ende Februar vorzulegen.

BPI: Schmidt auf dem Holzweg

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Henning Fahrenkamp, sieht Schmidt "auf dem Holzweg der Staatsmedizin". Vor allem das "Institut für Qualität in der Medizin" ist dem BPI ein Dorn im Auge: "Wir brauchen nicht noch ein Institut und damit noch mehr Bürokratie" – schließlich bestehe im Bereich der Arzneimittel bereits das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Zudem warf Fahrenkamp der Ministerin vor, sie steigere die Verunsicherung aller Beteiligten, da sie erneut nur Eckpunkte nach der "Salami-Taktik" präsentiere. Damit schwänden die letzten Reste an Planungssicherheit für die Pharmaindustrie. Aus den Denkzettel-Wahlen in Niedersachsen und Hessen habe Schmidt nichts gelernt.

KBV: Dialog-Angebot an die Ministerin

Wenig Überraschung lösten die Eckpunkte bei der KBV aus: "Sie sind allerdings wenig konkret und lassen keine Systematik erkennen", sagte der Erste Vorsitzende der KBV, Manfred Richter-Reichhelm. Dennoch bot er der Ministerin "einen kritisch-konstruktiven Dialog" an. Der Chef der Kassenärzte erklärte, auch die KBV stehe für Wettbewerb im Gesundheitswesen. So sei man bereit, neben den Kollektivverträgen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und Krankenkassenverbänden auch Einzelverträge abzuschließen: So könnten Kassen und KVen gemeinsam Versorgungsverträge ausschreiben, an denen Ärzte nur unter der Erfüllung von Qualitätskriterien teilnehmen könnten.

Unterstützung fand auch Schmidts Vorschlag, Krankenhäuser nur eingeschränkt und nicht generell für die ambulante Versorgung zu öffnen. Das geplante "Institut für Qualität in der Medizin" stößt hingegen auch bei der KBV auf Ablehnung.

Krankenkassen weitgehend einverstanden

Die Vorsitzende des Verbands der Angestellten-Krankenkassen (VdAK), Margret Mönig-Raane, sieht die Ministerin "auf dem richtigen Weg". Allerdings müssten sich die politisch Verantwortlichen noch um einiges mehr kümmern, so etwa um die Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen oder die Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel. Kritisch zu hinterfragen seien auch noch einige Details der Eckpunkte, "insbesondere die drohende Bürokratisierung des Gesundheitswesens durch die Einrichtung eines Instituts für Qualität in der Medizin", so Mönig-Raane. Genauso sieht es Hans Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands: Hier sei es wichtig, eine staatsferne und unbürokratische Lösung zu schaffen.

Insgesamt bewertet Ahrens die Vorschläge der Ministerin jedoch als "praktisch machbar und sozial verantwortlich". Er zeigte sich überzeugt, dass Patienten von den Reformen profitieren werden und das Gesundheitswesen effizienter werde.

Die acht "Eckpunkte zur Modernisierung des Gesundheitswesens", die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt in der vergangenen Woche vorgestellt hat, haben ein geteiltes Echo ausgelöst. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) und die pharmazeutische Industrie kritisierten die Pläne Schmidts heftig. AOK und Angestellten-Krankenkassen begrüßten den Weg der Ministerin hingegen grundsätzlich. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kann einigen Eckpunkten Positives abgewinnen.

Eckpunkte zur Modernisierung des Gesundheitswesens

1. Stärkung der Patientensouveränität und -rechte – Patienten als Partner:

  • Patienten werden von Betroffenen zu Beteiligten.
  • Die Transparenz der Leistungserbringung wird für die Patienten verbessert – sie wissen besser, "was läuft" und achten selbst mit auf eine gute Versorgung. Gut informierte Patienten werden zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen beitragen.
  • Patienten erhalten Informations- und Anhörungsrechte beim "Zentrum für Qualität in der Medizin" und bei den Bundesausschüssen.
  • Patientenbeauftragter auf Bundesebene.

    2. Verbesserung der Patientenversorgung – Gute Qualität für alle

  • Verpflichtung der Ärzte zur Fortbildung – nur wer sich regelmäßig fortbildet, darf GKV-Patienten behandeln; Verbesserung des Qualitätsmanagements in Arztpraxen.
  • Gründung eines staatsfernen und von Interessengruppen unabhängigen "Deutschen Zentrums für Qualität in der Medizin" – es soll eine Art "Stiftung Warentest im Gesundheitswesen" werden. Die Verantwortung der Selbstverwaltung für die Wirtschaftlichkeit bleibt unberührt.
  • Aufgaben unter anderem: Verbesserung der Patienteninformation, Entwicklung von Behandlungsleitlinien für die wichtigsten Volkskrankheiten, Einführung einer Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln.
  • Verbesserung der Arzneimittelsicherheit.

    3. Verbesserung der Transparenz – Grundlagen für ein modernes Informationsmanagement legen

  • Einführung der Patientenquittung.
  • Elektronische Gesundheitskarte wird schrittweise bis zum 1.1.2006 eingeführt. Künftig werden Behandlungen, Überweisungen durch Ärzte, Rezepte und Notfalldaten hierauf gespeichert. Der Patient ist "Herr seiner Daten". Der Datenschutz bleibt gewährleistet.
  • Empfehlungen des "Zentrums für Qualität in der Medizin" sind auf jeder Stufe transparent und für Patienten abrufbar.
  • Zusammenführung der Leistungs- und Abrechnungsdaten unter Wahrung des Datenschutzes

    4. Entscheidungsfreiheit für Versicherte – Belohnung für rationales Verhalten

  • Wir werden nur solche Entscheidungsmöglichkeiten einführen, von denen Gesunde und Kranke gleichzeitig profitieren, zum Beispiel durch Boni für erfolgreiche Teilnahme an qualitätsgesicherten Präventionsprogrammen oder regelmäßige Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen.
  • Der Hausarzt wird für Versicherte "Lotse" im Gesundheitswesen und Arzt des besonderen Vertrauens sein. Krankenkassen werden verpflichtet, Anreize für freiwillige Inanspruchnahme des Hausarztmodells für die Versicherten anzubieten.
  • Neuregelung der Zuzahlungsmodalitäten – über die Höhe der Zuzahlungen entscheiden nicht mehr Packungsgrößen oder Einkommen, sondern wirtschaftliches und gesundheitsbewusstes Verhalten.

    5. Modernisierung der Versorgung – Erweiterung der freien Arztwahl

  • Gemeinsame Verantwortung von Kassen und Vertragsärzten für die Sicherstellung: Beide Seiten gewährleisten die gute Versorgung der Patienten!
  • Einzelverträge ergänzen Kollektivverträge in bestimmten fachärztlichen Bereichen – Erfahrung und Spezialisierung sorgen für gute Qualität.
  • Krankenhäuser: Teilöffnung für ambulante Versorgung in unterversorgten Regionen und für hochspezialisierte Leistungen.
  • Errichtung von Gesundheitszentren ermöglichen – Chancen für eine gute Versorgung aus "einer Hand" nutzen! Diese Zentren bieten Perspektiven insbesondere für junge Ärztinnen und Ärzte.

    6. Weiterentwicklung des ärztlichen Vergütungssystems – Anreize für bessere und wirtschaftlichere Behandlung

  • Patientenorientierte Vergütung für die hausärztliche Versorgung: Dies wird für die Hausärzte ein Anreiz für eine qualitätsgesicherte Behandlung sein.
  • Fallpauschalen und Komplexgebühren für fachärztliche Leistungen und ambulante Operationen – jeder Leistungskomplex wird seinen festen Preis haben.

    7. Verbesserung der Arzneimittelversorgung – Qualitäts- und Preisbewusstsein stärken

  • Therapienutzen/Kostenbewertung von Arzneimittel durch "Zentrum für Qualität in der Medizin": Weniger "Scheininnovationen", die minimal besser aber maximal teurer sind.
  • Liberalisierung der Preisgestaltung bei Arzneimitteln (Novellierung der Arzneimittelpreisverordnung).
  • Aufhebung Mehrbesitzverbot bei gleichzeitiger Gewährleistung wohnortnaher Versorgung (Liberalisierung des Apothekenrechts).
  • Zulassung von Versandapotheken (e-Commerce – Liberalisierung der Vertriebswege).

    8. Modernisierung der Steuerung – Schaffung eines leistungsfähigen Managements

  • Organisationsstrukturen der Kassenärztlichen Vereinigungen modernisieren – Professionalisierung der Arbeit, Beratungs- und Qualifizierungsangebote für Ärzte.
  • Schnellere Konfliktlösung in der Selbstverwaltung – Konflikte dürfen nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden!
  • Organisationsreform der Krankenkassen umsetzen. Der Qualitätswettbewerb der Kassen wird gestärkt!
  • Publizitätspflicht der Vorstandsgehälter und Aufwandsentschädigungen der Kassen und Kassenärztlichen Vereinigungen.

    Weitere laufende und zukünftige Maßnahmen, die den Reformprozess flankieren:

  • Umsetzung des Fallpauschalengesetzes
  • Einführung der Positivliste im Arzneimittelbereich
  • Einführung eines morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs
  • Einführung von weiteren strukturierten Behandlungsprogrammen für chronisch Kranke
  • Erarbeitung eines Präventionsgesetzes.
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