Arzneimittel und Therapie

Onkologie: Pharmakogenomische Studien für eine individualisierte Krebstherapie

Auf dem 39. Symposium der American Society of Clinical Oncology (ASCO) wurde aus allen Bereichen der Onkologie ein umfangreiches wissenschaftliches Programm präsentiert. Im Mittelpunkt standen unter anderem die molekulare Onkologie sowie die Möglichkeiten, die die Integration von genetischen Tests für Therapieentscheidungen bieten kann.

Da ein komplettes pathologisches Ansprechen auf eine neoadjuvante Chemotherapie ein anerkannter Marker für ein verlängertes rückfallfreies Überleben nach Chemotherapie bei Brustkrebs ist, wäre es sehr hilfreich, eine Voraussage darüber treffen zu können, bei welchem Patienten mit welcher Chemotherapie die Wahrscheinlichkeit für ein komplettes Ansprechen am größten ist. Die Analyse von tumorspezifischen genetischen Polymorphismen könnte möglicherweise schon bald eine Hilfe für solche Entscheidungen sein. Untersucht wurde, inwieweit bestimmte genetische Polymorphismen individueller Brustkrebszellen ein Ansprechen auf eine neoadjuvante Chemotherapie voraussagen können.

Die Forscher benutzten die Microarray-Technologie, um Tausende Gene von 24 Brustkrebspatientinnen mit frühem Brustkrebs zu bestimmen. Diese verglichen sie mit den genetischen Mustern von Patientinnen, deren Tumore durch eine sequenzielle Chemotherapie von wöchentlichem Paclitaxel und anschließender Polychemotherapie mit den Zytostatika 5-Fluorouracil, Adriamycin und Cyclophosphamid (FAC) ein komplettes Ansprechen gezeigt hatten. Dadurch konnten fünf Gene identifiziert werden, die offensichtlich auf ein gutes Ansprechen der Chemotherapie hindeuteten.

Anschließend wurde an 21 weiteren Patientinnen getestet, inwieweit die angestrebte Voraussagbarkeit des Ansprechens wirklich funktionierte. Von diesen 21 Patientinnen wiesen vier die zuvor definierten Marker auf, und von diesen vier erfuhren drei (75%) eine komplette histologische Remission nach der neoadjuvanten Chemotherapie. Diese Zahl muss verglichen werden mit einem nur 25- bis 30%igen Ansprechen auf die gleiche Chemotherapie bei unselektierten Patientinnen.

Weiterentwicklung in der Antiangiogenese-Therapie

Schon lange werden große Hoffnungen in eine Unterbindung der Blutzufuhr zu Tumoren und dadurch auf eine neue therapeutische Option bei malignen Erkrankungen gesetzt. Vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktoren (VEGF) sind mit verantwortlich für die Neubildung und das Wachstum solcher Blutgefäße. Rezeptoren, deren Aktivierung diese Prozesse fördern, sind bei den meisten malignen Erkrankungen überexprimiert, noch bevor es zu der eigentlichen Gefäßbildung kommt.

Bisher konnte nur in wenigen Studien ein Überlebensvorteil unter einer Behandlung mit Angiogenese-Hemmstoffen gezeigt werden, und mit einer Monotherapie konnte bisher in großen Studien noch kein Überlebensvorteil nachgewiesen werden. Nun wurde eine Phase-III-Studie mit einer Antiangiogenese-Strategie in der Krebsbehandlung vorgestellt, die einen deutlichen Überlebensvorteil zeigte: Getestet wurde die Kombination des VEGF-Rezeptorenblockers Bevacizumab mit Zytostatika: 925 Patienten mit metastasierten kolorektalen Karzinomen wurden in drei Studienarmen randomisiert und erhielten als First-line-Behandlung entweder

  • als Bolus die Kombination aus Irinotecan + 5-Fluorouracil (5-FU) + Folinsäure (FA) und ein Plazebo
  • als Bolus die Kombination aus Irinotecan + 5-FU + FA und Bevacizumab 5 mg/kg alle zwei Wochen
  • als Bolus 5-FU + FA und 5 mg/kg Bevacizumab

Bei Progression der Erkrankung wurde die Verblindung aufgehoben, und die Patienten konnten Bevacizumab in Kombination mit einer Second-line-Behandlung weiter nehmen. Primärer Endpunkt war das Überleben; sekundäre Endpunkte waren progressionsfreies Überleben, Ansprechrate, Dauer des Ansprechens und die Lebensqualität.

Bei einer guten Verträglichkeit der Kombination aus Irinotecan + 5-Fluorouracil + Folinsäure und Bevacizumab betrug das mediane Überleben 20,3 Mo-nate, in der Gruppe ohne Bevacizumab nur 15,6 Monate (p = 0,00003). Progressionsfreies Überleben (10,6 vs. 6,2 Monate, p < 0,00001), Ansprechrate (45% vs. 35%) und Dauer des Ansprechens (10,4 vs. 7,1 Monate) waren ebenfalls bei der Kombination mit dem Antikörper signifikant besser.

Können Lipidsenker das Krebsrisiko senken?

Bereits einige präklinische Studien lassen vermuten, dass HMG-CoA-Reduktasehemmer eine Rolle in der Krebsbekämpfung spielen könnten. Das Ziel einer vorgestellten Studie war der Vergleich des Krebsrisikos zwischen den Anwendern von Statinen und denen, die andere kardiovaskuläre Medikationen erhielten. Von einer holländischen Datenbank, die die Medikationsdaten von ca. 300 000 Einwohnern aus acht holländischen Städten enthielt, wurden über 14 Jahre alle Patienten, die eine oder mehrere Verschreibungen für ein kardiovaskuläres Medikament erhalten hatten, ausgewertet. Unter ihnen fand man 3219 Krebspatienten.

Abgesehen von den Statinen wurden auch andere mögliche Einflussfaktoren wie Diabetes, Zusatzmedikationen, Gebrauch von Diuretika, ACE-Hemmern, Calciumkanalblockern und anderen Lipidsenkern als Statine untersucht. Letztlich ergab sich, dass der Gebrauch von Statinen statistisch signifikant mit einer 20%igen Reduktion des Krebsrisikos verbunden war.

Weitere Analysen zeigten, dass Statine besonders dann nützlich gewesen waren, wenn sie mehr als vier Jahre angewendet worden waren. Das reduzierte Krebsrisiko glich sich sechs Monate nach Beendigung der Statinmedikation wieder der Normalpopulation an. Die meisten Patienten mit Statintherapie hatten Simvastatin genommen (79,6%), daher können die Ergebnisse dieser Studie nicht auf alle Statine übertragen werden.

Pegfilgastrim für die supportive Therapie auch bei Kindern

Pegfilgastrim (Neulasta) ist die pegylierte Form des Wachstumsfaktors Filgastrim (r-metHuG-CSF), (Neupogen®). Dieses humane Glykoprotein wird eingesetzt, um die Dauer von Neutropenien zu verkürzen und die Häufigkeit neutropenischen Fiebers bei den Patienten zu senken, die wegen einer malignen Erkrankung mit einer zytotoxischen Chemotherapie behandelt werden. Durch die Pegylierung wird die Halbwertszeit des ursprünglichen Moleküls von vier bis sechs Stunden auf 15 bis 80 Stunden verlängert, ohne dadurch die biologischen Eigenschaften zu verändern. Wegen seiner längeren Halbwertszeit muss Pegfilgastrim seltener injiziert werden.

Auf der diesjährigen ASCO-Tagung wurde nun eine Studie vorgestellt, die den Einsatz von Pegfilgastrim bei Kindern untersucht hatte: Kinder entwickeln in der Sarkombehandlung unter dosisintensivierter Chemotherapie oft Neutropenien, die durch die Gabe von Wachstumsfaktoren gelindert werden können. Die absolute Neutrophilenzahl und die Sicherheit unter Chemotherapie plus Filgastrim bzw. Pegfilgastrim wurden in dieser Studie bei Kindern mit Sarkom verglichen. Die Chemotherapie bestand aus Vincristin/Doxorubicin/Cyclophosphamid in den Zyklen 1 und 3 und Ifosfamid/Etoposid in den Zyklen 2 und 4. Nach Beendigung der Chemotherapie bekamen die Patienten der Pegfilgastrim-Gruppe eine Einmaldosis pro Zyklus von 100 µg/kg, die Patienten der Filgastrim-Gruppe 5 µg/kg/Tag jeweils subkutan 24 Stunden nach Beendigung der Chemotherapie.

In dieser Untersuchung erholte sich bei allen Patienten in allen Zyklen jeweils die absolute Neutrophilenzahl bis zum Tag 21. Außer den erwarteten milden bis moderaten Knochenschmerzen kam es nur zu Nebenwirkungen, die mit der Chemotherapie in Verbindung gebracht werden müssen. Diese erste Studie bei Kindern zeigte also im Vergleich zur Standarddosis Filgastrim eine ausreichende Sicherheit und vergleichbare Wirksamkeit von 100 µg/kg Pegfilgastrim einmal per Zyklus.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.