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Positivliste streichen: BAH: Negativliste erweitern

BONN (im). Zur Einsparung bei den Arzneimittelkosten der gesetzlichen Kassen solle die Bundesregierung die geplante Arzneimittel-Positivliste kippen und stattdessen auf eine erweiterte Negativliste setzen. Das bringe ein Einsparvolumen von rund 818 Millionen Euro und stärke zugleich die Eigenverantwortung der Bürger, geht aus einem Konzeptpapier des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hervor, das der Deutschen Apotheker Zeitung vorliegt. Am 29. April trafen sich Vertreter des BAH, des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) und des deutschen Generikaverbands zu einem Austausch mit dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Franz Müntefering sowie weiteren SPD-Repräsentanten wie der Vizechefin Gudrun Schaich-Walch in Berlin.

Wie berichtet, will Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die Liste erstattungsfähiger Medikamente ("Positivliste") durchs Parlament bringen, sie soll im Juli in Kraft treten. Diese soll künftig die Präparate aufführen, die die Kassen noch erstatten. Anders angelegt ist die so genannte Negativliste: Diese grenzt bisher Arzneimittel gegen geringfügige Gesundheitsstörungen aus, zum Beispiel Laxanzien, Erkältungsmittel oder Husten- und Rachentherapeutika, wobei die Krankenkassen die Kosten für Kinder unter 18 Jahren auch hier übernehmen.

Mehrausgaben durch Positivliste

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) in Bonn schlägt die moderate Ausweitung der bestehenden Negativliste vor, da dadurch mehr gespart werde und im Gegensatz zur Positivliste kein Austausch von ausgegrenzten Medikamenten durch andere stattfinde. Die Substitution durch zumeist teuere Verordnungsalternativen sei aber bei der Positivliste zu erwarten, was voraussichtlich sogar zu Mehrausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung führe.

So habe das Institut für medizinische Statistik in einer vom BAH in Auftrag gegebenen Studie im April 2002 ermittelt, dass durch die Positivliste ein Fünftel des Arzneiumsatzes aus der Erstattung durch die Kassen herausfalle. Die von Ministerin Ulla Schmidt erhofften 800 Millionen Euro an Einsparung könnten nur erreicht werden, wenn bei höchstens 40 Prozent der ausgeschlossenen Arzneimittel ein Präparate-Austausch stattfinde. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass 60 Prozent der heutigen Verordnungen ersatzlos gestrichen werden müssten, was laut BAH nicht vorstellbar ist.

Alles indikationsbezogen

Dieser Industrieverband plädiert für die sozialverträgliche Ausgrenzung weiterer Arzneimittelgruppen durch eine aktualisierte Negativliste. Werde diese indikationsbezogen angelegt, würden einzelne Wirkstoffe nicht stigmatisiert. Das Einsparvolumen lasse sich exakt vorhersagen, da Substitution wie bei der Positivliste nicht stattfinde.

Nach den bisherigen Erfahrungen mit dem Ausschluss der Erkältungspräparate und Co. sei die Ausgrenzung bestimmter Präparate gesundheitspolitisch unbedenklich. Sie berücksichtige auch die Bereitschaft des Einzelnen, mehr Eigenverantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen, so der BAH. Denn bei bisher ausgegrenzten Bagatellarzneimitteln könne ein Bürger zum Beispiel selbst entscheiden, ob er anstelle eines ausgeschlossenen Abführmittels (nach § 34 Abs. 1 Nr. 3 SGB V), das er selbst kaufen könne, stattdessen auf ballaststoffreiche Ernährung setzt.

Bereits 1982 seien für die Schaffung einer Indikations-Negativliste viele Indikationsgruppen definiert worden. Selbst unter Nichtberücksichtigung des "Ausnahmetatbestands Kinder und Jugendliche" bleibe (mit 818 Millionen Euro) ein höheres Einsparvolumen als die 800 Millionen Euro, die Ulla Schmidt unter Berufung auf nicht näher erläuterte "Schätzungen aus Fachkreisen" durch die Positivliste erwarte.

Im übrigen erneuerte der BAH seine grundsätzliche Kritik an der Positivliste, die weder zur Qualitätsverbesserung in der Arzneiversorgung führe noch die Arzneiausgaben senke, stattdessen aber das Arzt-Patientenverhältnis belaste und Arbeitsplätze in der Industrie gefährde.

Zur Einsparung bei den Arzneimittelkosten der gesetzlichen Kassen solle die Bundesregierung die geplante Arzneimittel-Positivliste kippen und stattdessen auf eine erweiterte Negativliste setzen. Das bringe ein Einsparvolumen von rund 818 Millionen Euro und stärke zugleich die Eigenverantwortung der Bürger, geht aus einem Konzeptpapier des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hervor, das der Deutschen Apotheker Zeitung vorliegt.

Arznei-Listen – wo steht's?
  • Positivliste: Noch im parlamentarischen Verfahren ist die Liste erstattungsfähiger Arzneimittel (siehe AZ Nr.16/17 vom 14. 4., S. 1). Die Bundesgesundheitsministerin hofft auf ein Inkrafttreten zum ersten Juli dieses Jahres. In dem Entwurf des Gesetzes der Bundesregierung über die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung ist die Positivliste angelegt.

  • Negativliste: Den Ausschluss bestimmter Arzneimittel aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es schon seit längerem, die Negativliste wurde zwischenzeitlich mehrfach ergänzt. Per Gesetz sind ausgeschlossen: – Präparate gegen Erkältungskrankheiten oder grippalen Infekten inklusive der hier angewendeten Schnupfen-, Schmerzmittel, husten-dämpfenden oder -lösenden Mitteln – Mund- und Rachentherapeutika – Abführmittel – Arzneimittel gegen Reisekrankheit
Seit Juli 1991 sind durch Rechtsverordnung unwirtschaftliche Arzneimittel mit nicht erforderlichen Bestandteilen, einer Vielzahl von Wirkstoffen oder mit nicht nachgewiesenem therapeutischem Nutzen ausgeschlossen (§ 34 Absatz 1 Nummer 2 und 3 Sozialgesetzbuch V).

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