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Jahresversammlung des BAH: Der BAH im Jahre 2001: Eine Standortbestimmung

BERLIN (ks). Strukturreformen im Gesundheitswesen sind nach Auffassung des Bundesfachverbandes der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH) dringend und schnell notwendig. Die von der Regierung geplanten Maßnahmen hält der BAH-Vorsitzende Johannes Burges jedoch nur für bedingt tauglich, um den drohenden Beitragsanhebungen bei den gesetzlichen Krankenkassen entgegenzuwirken. Anlässlich der 47. Jahresversammlung des BAH am 18. und 19. September in Berlin nahm Burges eine Standortbestimmung des Verbandes vor.

Für eine grundlegende Strukturreform muss nach Ansicht des BAH der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen auf versicherungsfremde Leistungen hin überprüft werden. Zudem spricht sich der Verband für die Einführung privatversicherungsrechtlicher Elemente in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus, wie z. B. Beitragsrückgewähr und -reduzierung sowie Selbstbehalte. Nachdem sich Selbstbeteiligungsmodelle in der Rentenversicherung bereits etabliert haben, stellen sie nach Auffassung des BAH-Vorsitzenden auch im Bereich der GKV keinen Tabubruch mehr dar.

Klare Absage an die Positivliste

Eine klare Absage erteilte Burges den Plänen im Bundesgesundheitsministerium, eine Positivliste einzuführen. Eine solche Liste würde zu erheblichen Ausgrenzungen, insbesondere bei den Kombinationspräparaten und den Phytopharmaka führen. Hierdurch werde nicht nur die individuelle Therapie eingeschränkt und so mancher - insbesondere mittelständische - Arzneimittelhersteller vor erhebliche ökonomische Probleme gestellt.

Infolge des Zwanges zur Substitution nicht mehr verordnungsfähiger Arzneimittel sei vor allem auch mit einem Anstieg der Arzneimittelkosten zu rechnen. Die Liste sei daher gesundheitspolitisch und gesundheitsökonomisch verfehlt, so Burges. Der BAH zeigt sich jedoch zuversichtlich, dass die Positivliste zumindest im letzten Stadium mit Hilfe des Bundesrates verhindert werden kann.

Neue Festbetragsregelung vertretbar

Wenn auch die Absenkung der Festbeträge nach dem bislang üblichen Prinzip vorerst nur durch die vom BAH beim Bundeskartellamt eingelegte Beschwerde gestoppt werden konnte, so sei die nunmehr erfolgte Regelung für den Verband noch vertretbar. Krankenkassen und Pharmaindustrie haben sich darauf geeinigt, Festbeträge mittels einer neuen Methode zu berechnen und hierdurch ein Einsparvolumen von 650 Mio. Mark zu erreichen. Diese Festsetzung erfolgt einmalig - festgeschrieben bis zum Jahre 2003 - durch Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Bislang ist sie noch nicht durch die Selbstverwaltung vollzogen. Ob die Selbstverwaltung Festbeträge künftig wieder in eigener Verantwortung festsetzen kann, werden nun der Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden haben.

Der BAH begrüßt das angestrebte Ziel, das hinter der Abschaffung der Arzneimittelbudgets steht. Allerdings äußerte Burges rechtliche Zweifel an der Art und Weise, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Wenn nun Ärzte und Kassen alleine Empfehlungen zur Arzneimittelsteuerung vereinbaren können, bestünden die gleichen Bedenken wie bei der ursprünglichen Festbetragsfestsetzung. Soweit der Industrie in diesem Punkt kein politisches Gehör verschafft werden kann, wird der BAH sich auch hier gezwungen sehen, rechtliche Schritte einzuleiten.

Probleme der Nachzulassung

Angesichts der genannten gesetzgeberischen Aktivitäten befürchtet Burges, dass das Problem der Nachzulassung in den Hintergrund tritt. Die Mitgliedsunternehmen der Verbandes haben ihren Beitrag zu einer positiven und zügigen Nachzulassung geleistet - Verschärft wurde die ohnehin angespannte Situation dadurch, dass am 1. Januar 2001 - kurz vor Ablauf der Ex-ante-Frist - die elektronische Einreichungsverordnung in Kraft trat. Dies machte die zusätzliche elektronische Einreichung von Teilen der Ex-ante Unterlagen erforderlich. Nun bleibe abzuwarten, "ob auch das BfArM pragmatisch und inhaltlich akzeptabel seinen Teil zum erfolgreichen Abschluss der Nachzulassung beiträgt", sagte Burges.

Ja zur AMpreisV

Burges erklärte, man werde sich erst dann aktiv in die Diskussion einschalten, wenn zwei Grundvoraussetzungen geklärt seien: Zum einen müssen für über das Internet bestellte Medikamente die gleichen Sicherheitsstandards gelten, wie für in bundesdeutschen Apotheken abgegebene Präparate. Zum anderen verlangt der BAH Aufklärung darüber, wie man sich bei der Einbeziehung des Internethandels für Arzneimittel die zukünftige Abgabesituation vorstelle.

Er machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass der BAH voll und ganz hinter der Arzneimittelpreisverordnung (AMpreisV) und den sie rechtfertigenden gesundheitspolitischen Überlegungen stehe. Eine Abschaffung der AMpreisV führe dazu, dass nicht mehr alle Arzneimittel in jeder Apotheke erhältlich wären und unterschiedliche Preise gelten. Sollten die Arzneimittelausgaben der GKV infolge einer Mehrverordnung hochpreisiger Innovationen inakzeptabel ansteigen, so müsse sich zunächst die Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen mit der Lösung des Problems auseinandersetzen - so wie es auch das Arzneimittelbudget-Abschaffungsgesetz vorsieht. Nicht gerechtfertigt seien gesetzgeberische Maßnahmen, die einseitig zu Lasten der Industrie gingen. Ebenso wenig hält der BAH davon, teure Medikamente künstlich zu verbilligen und im Gegenzug niedrigpreisige Medikamente zu Lasten der Selbstmedikationsindustrie zu verteuern.

Europäische Rahmenbedingungen

Die Entwicklung der Rahmenbedingungen für Arzneimittel in der Europäischen Union vollzieht sich aus Sicht des BAH sachorientiert und vorausschauend. Zentrale Punkte seien die Überprüfung des zentralen und dezentralen Zulassungsverfahrens, die Schaffung einer einheitlichen Schutzfrist für Unterlagenschutz für Arzneimittel, die Klarstellung der Zulässigkeit des Mitvertriebes und die Streichung des Krankheitenkatalogs in der EG-Werberichtlinie. Dies seien Forderungen, die auch der BAH und der europäische Dachverband der Arzneimittelhersteller AESGP stellen. Ebenso unterstützt der BAH die Schaffung eines eigenständigen Komitees für pflanzliche Arzneimittel bei der europäischen Arzneibehörde EMEA (European Agency for the Evaluation of Medicinal Products).

Stärkung der Selbstmedikation

Der BAH-Vorsitzende bekräftigte die Forderung seines Verbandes, das Heilmittelwerberecht zu lockern. Allerdings schätzt er dieses Unterfangen als schwierig ein - insbesondere da nach dem Fall Lipobay zu hören war, Arzneimittelwerbung solle gänzlich verboten werden. Burges begrüßte allerdings die zu beobachtende Tendenz, gewisse Substanzen aus der Rezeptpflicht zu entlassen. Im Auftrag der Kommission führe der Brüsseler Dachverband der Arzneimittelhersteller AESGP eine Untersuchung durch, die feststellen soll, welche weiteren Indikationsgebiete aus der Rezeptpflicht in die Rezeptfreiheit überführt werden können. Burges verwies in diesem Zusammenhang auf des vom BAH initiierte Internet-Arzneimittel-Portal, das Patienten die Möglichkeit bietet, sich über rezeptfreie Medikamente und deren Anwendung zu informieren.

BAH unterstützt universitäre Forschung und Weiterbildung

Da das Thema Selbstmedikation auch wissenschaftliche gestärkt werden müsse, hat der BAH der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden einen Lehrstuhl für Wirkstoffforschung mit Schwerpunkt Prävention gestiftet. Dieser Lehrstuhl biete eine gute Möglichkeit, etwa die Anwendung rezeptfreier Vitamine, Mineralstoffe, Arzneipflanzen und Pflanzeninhaltsstoffe wissenschaftlich zu untersuchen, so Burges. Die Forschungsergebnisse werden auch für den BAH von besonderem Interesse sein. Weiterhin verwies Burges auf den Weiterbildungsstudiengang "Consumer Health Care" an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dieser wurde vor einem Jahr auf Initiative des dortigen Instituts für Pharmazie mit Unterstützung des BAH eingerichtet.

Der ergänzende Studiengang ist an die im Bereich des Consumer Health Care tätigen Mitarbeiter der Arzneimittelindustrie, der Krankenkassen, aber auch die im niedergelassenen Bereich Tätigen gerichtet. Hier werden Entwicklungen im Gesundheitsmarkt, speziell der Selbstmedikation, analysiert, um daraus Schlussfolgerungen für die jeweiligen Tätigkeitsbereiche zu ziehen.

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