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Aus einer Fragestunde im Deutschen Bundestag: Apotheken dürfen Großhandelsrech

(diz). Höchst aufschlussreich liest sich das Protokoll der Fragestunde im Deutschen Bundestag vom 19. Februar 2003. Die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, Marion Caspers-Merk, beantwortete unter anderem Fragen des Abgeordneten Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU) und der Abgeordneten Barbara Lanzinger zu den Auswirkungen des Beitragssatzsicherungsgesetzes. Wir zitieren nachfolgend auszugsweise aus dem Protokoll.

Auf die Frage von Dr. Wolf Bauer, welche Erkenntnisse die Bundesregierung über die Auswirkungen des zum 1. Januar 2003 mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz in Kraft getretenen Rabatteinzugsverfahrens insbesondere auf die wirtschaftliche Situation der Apotheken habe, antwortete Caspers-Merk:

"... Die Einzelheiten der Umsetzung der Abschlagsregelungen werden von den beteiligten Verbänden im Rahmen von Verträgen geregelt. Bisher ist nicht bekannt, ob diese Abschläge bereits in den Abrechnungen für den Monat Januar vollständig berücksichtigt worden sind. Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass die endgültige Höhe der Abschläge in den folgenden Abrechnungen nachträglich ermittelt wird. Der Herstellerabschlag soll von den Apothekenrechenzentren direkt mit Herstellern einerseits und Krankenkassen andererseits abgerechnet werden. ...

Der Herstellerabschlag bezieht sich auf den Herstellerabgabepreis und nicht auf den Apothekenabgabepreis. Er vermindert damit nicht die Handelsspanne der Apotheken. Den Großhandelsabschlag erhalten die Krankenkassen im Rahmen der Apothekenabrechnungen über die Apothekenrechenzentren. Der Großhandel ist vom Gesetzgeber verpflichtet worden, den Abschlag bereits bei Lieferung der Arzneimittel an die Apotheken zu gewähren.

Damit wird sichergestellt, dass die Apotheken den gesetzlich vorgeschriebenen Abschlag auch tatsächlich erhalten. Sollte der Großhandel den Apotheken diesen Abschlag bei den Abrechnungen nicht gewähren, ist die Apotheke befugt, die Rechnung des Großhändlers um diesen Betrag zu kürzen. Der Herstellerabschlag und der Großhandelsabschlag sind gesetzliche Vorgaben.

Die Beteiligten haben zugesagt, die entsprechenden Angaben in die Preislisten der Apotheken für die Arzneimittel aufzunehmen. Hierfür sind allein die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und die Verbände der pharmazeutischen Industrie verantwortlich. Die Eintragungen in die Preisliste und die Gestaltung dieser werden von ihnen in Selbstverantwortung eigenverantwortlich und eigenständig auf privatwirtschaftlicher Grundlage vorgenommen ..."

Vereinbartes nicht mit gesetzlichen Rabatten verrechnen

Wolf Bauer merkt dazu an, dass diese Abwicklung einen gewaltigen bürokratischen Apparat erforderlich mache, der auch Kosten nach sich ziehe. Er wollte von der Regierung wissen, ob diese Kosten überhaupt schon einmal ermittelt worden seien und wer diese Kosten übernehmen solle.

Marion Caspers-Merk hierzu: "Herr Kollege, die Apothekenrechenzentren existieren bereits. Ich glaube, mittlerweile sind alle Apotheken in Deutschland an die Apothekenrechenzentren angeschlossen. Bereits jetzt gibt es Rabattierungen auf die Abschläge, die über die Apothekenrechenzentren ermittelt werden. Insoweit entsteht kein neuer Aufwand, sondern es ist lediglich eine neue Rabattregelung vereinbart worden, die über die bewährten Strukturen der Apothekenrechenzentren abgewickelt werden."

Dies allerdings, so Bauer, könne er nicht nachvollziehen, denn bisher seien die Rechenzentren nur für die Abrechnung im Innenverhältnis zwischen Krankenkassen und Apotheke verantwortlich gewesen. Nun erstrecke sich dies vom Hersteller über den Großhandel bis hin zur Apotheke, was zusätzliche Kosten erfordere. Man müsse sich über die Höhe der Kosten, und wer diese tragen solle, Gedanken machen, ließ er nicht locker.

Marion Caspers-Merk dazu: "... auch bisher wurde den gesetzlichen Krankenkassen von Seiten der Apotheken ein Rabatt gewährt. Dieser Rabatt ist nochmals angehoben worden, insbesondere für die hochpreisigen Arzneimittel. Insofern wurden keine neuen Tatbestände geschaffen, sondern es wurde praktisch auf bestehende Rabattierungs- und Abschlagsstrukturen aufgesattelt. Natürlich ist jede Umstellung mit einem Aufwand verbunden. Das will ich nicht bestreiten. Ich kann aber nicht erkennen, dass völlig neue Tatbestände geschaffen worden wären.

Probleme gibt es in der Tat bei den Großhandelsrabatten. Sie wissen, dass der Großhandel versucht, keinen eigenständigen Beitrag zu leisten. Aus diesem Grunde haben wir mit Phagro Gespräche geführt. Es geht nicht, dass man vereinbarte Rabatte mit dem gesetzlichen Rabatt, den der Großhandel zu leisten hat, verrechnet. Ich bin froh, dass in die Gespräche zwischen Apotheken und Großhandel wieder Bewegung gekommen ist."

Wie hoch werden nun Apotheken belastet?

Barbara Lanzinger (CDU/CSU) fragte nach den tatsächlichen Belastungen der Apotheken durch die Rabattumstellungen. So gebe es einen internen Vermerk mit der Aussage, dass die Apotheken durch diese Umstellung mit 50 000 Euro belastet würden. Äußerungen der Bundessozialministerin stünden dagegen, die lauteten, die Apotheken würden mit nur 16 000 Euro jährlich belastet.

Die Parlamentarische Staatssekretärin beantwortete diese Nachfrage wie folgt: "Es handelt sich hierbei um Durchschnittszahlen. Diese Zahlen besagen, dass der Durchschnittsumsatz der deutschen Apotheke bei 1,3 bis 1,4 Mio. Euro liegt. Daraus errechnet sich – auch das geschieht nach bestimmten Listen – ein durchschnittlicher Gewinn. Anhand dessen haben wir ausgerechnet, wie hoch die finanziellen Auswirkungen im Durchschnitt für die Apotheken sind, und sind auf die Größenordnung von 16 000 Euro gekommen, die Sie eben genannt haben.

Das sagt aber nichts darüber aus, wie hoch die Auswirkung für die Apotheke vor Ort ist, weil der Anteil von Medikamenten, die über die GKV abgerechnet werden, von Apotheke zu Apotheke so unterschiedlich ist. Eine Größenordnung von 50 000 Euro ist allerdings nicht korrekt. Sie würde nur dann zutreffen, wenn am Ende die Apotheken alle Rabattierungsvorgänge zu tragen hätten. Damit das nicht geschieht, wurde dafür gesorgt, dass jede Stufe ihre Rabattstrukturen selber tragen muss.

Jens Spahn (CDU/CSU) gab sich mit dieser Antwort noch nicht zufrieden. Er wollte von der Parlamentarischen Staatssekretärin wissen, wie man sich die große Diskrepanz zwischen dem internen Vermerk im Gesundheitsministerium erkläre, der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens erstellt worden sei und in dem offensichtlich schon davon ausgegangen werde, dass die Belastung aus den Rabatten vom Großhandel an die Apotheker durchgegeben würden – es werden 50 000 Euro genannt –, und den Äußerungen der Frau Ministerin gegenüber der Öffentlichkeit in der Presse, aber auch gegenüber dem Parlament und den Abgeordneten der Partei, die ganz offensichtlich – das zeigten 59 Erklärungen von Abgeordneten der SPD – zu anderen Entscheidungen geführt hätten.

Marion Caspers-Merk: "Ich kenne diesen internen Vermerk. Er wurde nicht zutreffend wiedergegeben. In diesem Vermerk wird von dem Worst-Case-Szenario ausgegangen, dass alle Rabatte am Ende von den Apotheken zu tragen sind. Dem ist durch Veränderungen, die wir während des Gesetzgebungsverfahrens unternommen haben, und durch Absprachen mit den Beteiligten begegnet worden. Dieses Szenario wird also nicht zutreffen. Insofern ist die Durchschnittszahl, die ich eingangs genannt habe und die die Ministerin öffentlich genannt hat, korrekt ..."

Großhandel soll Einsparbeitrag erbringen

Mit einer weiteren Frage thematisierte Dr. Wolf Bauer erneut die Probleme bei der Abwicklung des Großhandelsrabattes: "Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um eine Abwälzung des Großhandelsrabatts auf die Apotheken zu unterbinden?"

Hierauf die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Marion Caspers-Merk: "Herr Kollege, der Großhandel ist durch Gesetz verpflichtet worden, den Großhandelsabschlag in Höhe von 3% auf die Apothekenabgabepreise zu gewähren. Der Abschlag hat insgesamt ein Volumen von 600 Mio. Euro.

Damit wird der erkennbar weit überhöhte Großhandelszuschlag der Arzneimittelpreisverordnung korrigiert, durch den der Großhandel bisher nachweislich eine Handelsspanne von rund 1,1 Mrd. Euro pro Jahr mehr zu Lasten der Endverbraucher erhalten hat, als er tatsächlich für die Erfüllung seiner Aufgaben benötigt.

Die Bundesregierung erwartet vom Großhandel, dass dieser seinen Einsparbetrag erbringt. Der Großhandel hat erklärt, dass er einen spürbaren eigenen Einsparbeitrag erbringen werde. Die pauschale Verweigerung eines eigenen Konsolidierungsbeitrags seitens des pharmazeutischen Großhandels gebe es nicht.

Die Schreiben des pharmazeutischen Großhandels vom Dezember 2002 an die Apotheken hinsichtlich der Lieferkonditionen seien nur eine erste kurzfristige Reaktion auf das Beitragssatzsicherungsgesetzes gewesen. Eine Verweigerung von Verhandlungen über Lieferkonditionen sei nicht beabsichtigt. Diese Verhandlungen würden nunmehr mit den Apotheken geführt. Die Verhandlungen sind offenbar noch nicht abgeschlossen, sie sind aber bereits im Januar aufgenommen worden.

Was spart man mit dem Versandhandel?

Dr. Wolf Bauer fragte auch, welche Einsparvolumen die Regierung bei der Einführung eines Arzneimittelversandhandels erwartet. Marion Caspers-Merk: "Zum Thema Versandhandel können wir keine sicheren Abschätzungen geben. … Das hängt von vielen anderen Konditionen ab.

Ich könnte mir vorstellen, dass auch die Apotheken, z. B. durch die so genannten Hausapothekenmodelle, wie sie in Niedersachsen praktiziert werden, die Chance erhalten können, sich an modernen Marketingstrukturen zu beteiligen. Dies könnte für die Apotheken vielleicht die Eröffnung einer neuen Struktur bedeuten."

Der Abgeordnete Andreas Storm (CDU/CSU) brachte das Thema Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes von Apotheken zur Sprache und wollte wissen, ob solche Bestrebungen zutreffend seien. Marion Caspers-Merk: "Zum Mehrbesitzverbot haben wir erste Überlegungen vorgestellt. Sie wissen auch, dass sich das Gesundheitsstrukturgesetz noch in der Diskussion befindet. Wir haben acht Eckpunkte vorgestellt.

Dazu gehören auch die Liberalisierungen im Bereich des Arzneimittelmarktes. Eine mögliche Maßnahme wäre das Mehrbesitzverbot. Ob man einen ,Deckel' einführen wird, wo er gegebenenfalls liegen wird und inwieweit man moderne Hausapothekenmodelle einbeziehen wird, wird das weitere Gesetzgebungsverfahren zeigen."

Höchst aufschlussreich liest sich das Protokoll der Fragestunde im Deutschen Bundestag vom 19. Februar 2003. Die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, Marion Caspers-Merk, beantwortete unter anderem Fragen des Abgeordneten Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU) und der Abgeordneten Barbara Lanzinger zu den Auswirkungen des Beitragssatzsicherungsgesetzes. Hier heißt es: "Sollte der Großhandel den Apotheken diesen Abschlag bei den Abrechnungen nicht gewähren, ist die Apotheke befugt, die Rechnung des Großhändlers um diesen Betrag zu kürzen."

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