Arzneimittel und Therapie

Periphere arterielle Verschlusskrankheit: Wachstumsfaktoren gegen die Schaufenst

An der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), im Volksmund auch als "Schaufensterkrankheit" bezeichnet, leiden in Deutschland etwa 4,5 Millionen Menschen. Weltweit sucht man nach neuen Therapiemöglichkeiten. Ein vielversprechender Ansatz ist die Applikation von Wachstumsfaktoren zur Anregung der Angiogenese, wie kürzlich veröffentlichte Daten der TRAFFIC-Studie zeigen.

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit wird nach Fontaine in vier Stadien eingeteilt (siehe Kasten). Bereits im Stadium I liegen krankhafte Gefäßveränderungen wie Stenosen und Verschlüsse vor, die jedoch noch keine Beschwerden verursachen. Im Stadium II, auch als Claudicatio intermittens bezeichnet, treten die ersten Symptome auf, zum Beispiel in Form von Schmerzen bei längerem Gehen oder kalten Füßen. Ab Stadium III sind die Extremitäten gefährdet, in schweren Fällen muss eine Amputation vorgenommen werden. In Deutschland sind 35 000 Beinamputationen pro Jahr durch eine periphere arterielle Verschlusskrankheit bedingt.

Kastentext: Stadieneinteilung der pAVK nach Fontaine

  • Stadium I – Beschwerdefreiheit - keine Symptome - keine Extremitätengefährdung
  • Stadium II – Claudicatio intermittens - verkürzte schmerzfreie Gehstrecke, kalte Füße - keine Extremitätengefährdung
  • Stadium III – Ruheschmerz - Fußverfärbung - beginnende Extremitätengefährdung
  • Stadium III/IV – Ruheschmerz/Gangrän - schmerzfreie Gehstrecke < 50 m, Ruheschmerzen, Nekrosen, Gewebstod höchste Extremitätengefährdung

Kastentext: Claudicatio intermittens:

– so genanntes intermittierendes Hinken, – Auftreten heftiger Wadenschmerzen nach dem Gehen einer bestimmten Wegstrecke

Risiko eines Myokardinfarktes erhöht

Bei der medikamentösen Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit kommen unter anderem Thrombozytenaggregationshemmer, Vasodilatatoren und ACE-Hemmer zum Einsatz. Für den in den USA, England und Japan zugelassenen Wirkstoff Cilostazol konnte bei Patienten im Stadium II in großen randomisierten, plazebokontrollierten Studien eine Verbesserung der Symptomatik gezeigt werden. Bei weniger als 10% der Patienten sind Bypässe oder gefäßchirurgische Maßnahmen (Angioplastie) möglich.

In den anderen Fällen wird versucht, die Symptome durch regelmäßiges Gehtraining (progressives Intervalltraining, jedoch kontraindiziert in den Stadien III und IV) und vor allem durch ein gezieltes Risikofaktoren-Management zu verbessern oder wenigstens zu stabilisieren. Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil pAVK-Patienten ein erhöhtes Risiko für einen akuten Myokardinfarkt und einen Schlaganfall besitzen. Risikofaktoren der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit sind das Rauchen, Übergewicht, hoher Blutdruck, hohe LDL- und Triglycerid-Werte sowie Diabetes.

Neues Therapieprinzip

Ein neuartiges Therapieprinzip ist die so genannte "Therapeutische Angiogenese". Mittels Verabreichung von Wachstumsfaktoren oder Genen, die diese Faktoren kodieren sowie autologen Knochenmarkszellen soll die Angiogenese auf künstlichem Wege initiiert und als Folge davon der Blutfluss in den Extremitäten verbessert werden.

Unter den Wachstumsfaktoren scheinen insbesondere FGF-2 (Fibroblast growth factor 2), VEGF (Vascular endothelial growth factor) und HGF (Hepatocyte growth factor) ein großes Potenzial zu besitzen. FGF-2 erwies sich in in-vitro-Studien als potentes Mitogen, das die Migration und Proliferation verschiedener vaskulärer Zelltypen stimuliert.

In ischämischen Tiermodellen verbesserte sich nach intraarterieller Injektion von FGF-2 der kollaterale Blutfluss. Für die Anwendung des Wachstumsfaktors am Menschen ist noch zu klären, welche Applikationswege und Dosierungsintervalle eine maximale Effektivität und Sicherheit bieten.

Vielversprechende Daten aus der TRAFFIC-Studie

In der multizentrischen, randomisierten, plazebokontrollierten Phase-II-Doppelblindstudie TRAFFIC (TheRapeutic Angiogenesis with FGF For Intermittent Claudication) sollte überprüft werden, ob eine oder zwei Dosen von rekombinantem FGF-2 (rFGF-2) bei Patienten mit moderater bis schwerer Claudicatio intermittens die Bewegungskapazität erhöhen können. 190 Patienten wurden in die Studie einbezogen.

66 von ihnen (Einzeldosis-Gruppe) erhielten am ersten Tag eine bilaterale, intraarterielle Infusion von 30 µg/kg rFGF-2 und am 30. Tag eine Infusion mit Plazebo. 61 Patienten einer weiteren Gruppe (Doppeldosis-Gruppe) wurde sowohl am ersten als auch am 30. Tag eine entsprechende rFGF-2-Dosis infundiert. 63 Patienten erhielten am ersten und am 30. Tag ein Plazebo. Die Patienten hatten zu Beginn der Studie sowie nach 90 und 180 Tagen eine standardisierte Intervall-Gehübung (Gardner-Protokoll) zu absolvieren.

Die maximale Gehzeit wurde definiert als der Zeitraum bis zum Erreichen der individuellen Belastungsgrenze. Hauptkriterium für die Wirksamkeit war die Veränderung der maximalen Gehzeit nach 90 Tagen im Vergleich zum Ausgangswert. Weitere Kriterien waren unter anderem die Veränderung der maximalen Gehzeit nach 180 Tagen, der Knöchel-Arm-Index und die Verbesserung der Lebensqualität, ermittelt durch einen standardisierten Fragebogen.

Wirksamkeit nach Einzeldosis signifikant erhöht

174 Patienten beendeten die Studie. In der Plazebogruppe erhöhte sich die maximale Gehzeit um 0,6 min, in der Einzeldosis-Gruppe um 1,77 min und in der Doppeldosis-Gruppe um 1,54 min gegenüber dem Ausgangswert. Dies entspricht einer Zunahme um 14% in der Plazebogruppe, um 34% in der Einzeldosis- und um 20% in der Doppeldosis-Gruppe.

Ein paarweiser statistischer Vergleich zeigt einen signifikanten Unterschied zwischen Plazebo und Einzeldosis (p = 0,026), jedoch keinen signifikanten Unterschied zwischen Plazebo und Doppeldosis. Auch der Unterschied zwischen der Einzeldosis- und der Doppeldosis-Gruppe war statistisch nicht signifikant.

Knöchel-Arm-Index zur Früherkennung

In der TRAFFFIC-Studie wurde auch der Knöchel-Arm-Index (ankle-brachial blood pressure index, ABI) zur Beurteilung der Wirksamkeit herangezogen. Der ABI ist der Quotient aus den Blutdrücken oberhalb der Fußknöchel und der Oberarme. Bei gesunden Patienten ist der Knöchel-Blutdruckwert höher als der höchste an einem der beiden Arme gemessene Wert. ABI-Werte von 0,9 und darunter gelten als pathologisch.

Amerikanische Kardiologen befürworten eine routinemäßige Bestimmung des Knöchel-Arm-Index bei älteren Patienten, da hiermit eine arterielle Verschlusskrankheit selbst dann identifiziert werden kann, wenn noch keine Symptome vorliegen. In der TRAFFIC-Studie zeigte sich in beiden Behandlungsgruppen eine geringfügige Erhöhung des Knöchel-Arm-Index nach 90 Tagen, die auch nach 180 Tagen noch anhielt.

Daten zur Sicherheit

Die ein- oder zweimalige Applikation von FGF-2 wurde von den Studienteilnehmern in der Regel gut vertragen. Einige Nebenwirkungen wie vorübergehende akute Hypotension und Proteinurie traten in den Behandlungsgruppen etwas häufiger auf, wobei keine Angaben zur statistischen Signifikanz dieser Unterschiede gemacht wurden. Die Nebenwirkungen instabile Angina pectoris und Myokardinfarkt traten mit gleicher Häufigkeit in den Plazebo- und Behandlungsgruppen auf. Es gab keine Hinweise auf eine Tumorgenese oder toxische Wirkungen auf die Retina.

Weitere Studien abwarten

Völlig überraschend war ein Befund in der Untergruppe der Raucher. Sowohl unter Plazebo als auch nach Gabe des Wachstumsfaktors zeigte sich bei Rauchern eine größere Zunahme der maximalen Gehzeit als bei Nichtrauchern und ehemaligen Rauchern. Dieses unerwartete Ergebnis sowie weitere ungeklärte Fragen werden Gegenstand zukünftiger Studien sein. Die bisherigen Daten lassen vermuten, dass die Therapeutische Angiogenese eine Option für pAVK-Patienten mit hohem ischämischen Risiko oder drohender Amputation darstellt.

Quelle

Lederman, R. J., et al.: Therapeutic angiogenesis with recombinant fibroblast growth factor-2 for intermittent claudication (the TRAFFIC study): a randomised trial. Lancet 359 2048-2049, 2053-2058 (2002). www.aerztezeitung.de, www.vascular.de

An der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), im Volksmund auch als "Schaufensterkrankheit" bezeichnet, leiden in Deutschland etwa 4,5 Millionen Menschen. Ein neuartiges Therapieprinzip ist die so genannte "Therapeutische Angiogenese", die Applikation von Wachstumsfaktoren zur Anregung der Angiogenese. Kürzlich veröffentlichte Daten der TRAFFIC-Studie zeigen, dass die Angiogenese auf künstlichem Wege initiiert und als Folge davon der Blutfluss in den Extremitäten verbessert werden kann.

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