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Apotheken-Strategie-Wirtschaftsforum 2002: Zukunftsperspektiven: Lieber europäi

OBERHAUSEN (tmb). Wettbewerb mag für das Gesundheitssystem manche Gefahren bergen, doch bietet er auch Chancen. So stellte Karl-Rudolf Mattenklotz, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, auf dem Apotheken-Strategie-Wirtschaftsforum am 9. Mai in Oberhausen einen Ansatz vor, wie europäischer Wettbewerb auf der Ebene des Apothekeneinkaufs möglicherweise die Finanzen der Krankenkassen entlasten und die Struktur der Apotheken retten könnte. Demnach wäre eine europäische Angleichung der Industrieabgabepreise anzustreben.

Wahlkampfaussagen der Parteien

Mattenklotz verglich zunächst die Wahlkampfaussagen der Parteien zum Gesundheitswesen. Demnach fordern SPD, CDU und FDP übereinstimmend mehr Wettbewerb, CDU und FDP zusätzlich eine Trennung von Grund- und Wahlleistungen in der GKV. Während CDU und FDP für Vertragswettbewerb durch Einzelverträge stünden, setze sich die SPD für eine Mischung aus Einzel- und Kollektivverträgen ein und propagiere zudem den Arzneimittelversandhandel.

Doch habe der Runde Tisch auf seiner jüngsten Sitzung vier Bedingungen für den Versandhandel formuliert, deren Tragweite noch unterschätzt werde. So müssten die Arzneimittel in Deutschland zugelassen und verkehrsfähig sein, das ganze Sortiment müsse zeit- und ortsnah verfügbar sein, und Wettbewerbsverzerrungen müssten verhindert werden. Dazu seien das Apothekenrecht, das Sozialrecht und die Preisbildung anzupassen. Außerdem müssten zuvor auf europäischer Ebene Regelungen über Sicherheitsstandards und faire Wettbewerbsbedingungen erlassen werden.

Mattenklotz beklagte die einseitige Berichterstattung über Apotheken in vielen Medien. So seien Filmaufnahmen über gute Beratungen in Apotheken bekannt, die nie gesendet wurden. Andererseits würden Versandapotheken offen mit ihrer "Rosinenpickerei" werben und dennoch immer wieder positiv hervorgehoben. Doch immerhin werde die Politik durch die Unterschriftenaktion "Pro Apotheke" hellhörig.

Europaweit einkaufen – für Apotheken statt für Patienten

Neben dieser öffentlichkeitswirksamen Kampagne empfahl Mattenklotz insbesondere zwei Maßnahmen zur Sicherung des bestehenden Apothekensystems. So sollten die gespaltenen Preise zwischen ambulantem und stationärem Sektor abgeschafft werden, um den grauen Arzneimittelmarkt auszutrocknen. Außerdem sollten die Apotheken europaweit einkaufen dürfen. Anstatt die Patienten "auf Einkaufstour durch Europa" zu schicken, sollten die Apotheken dies übernehmen. Hier sei Wettbewerb gefragt.

Durch die staatlichen Eingriffe in die Preisbildung der Arzneimittelhersteller in vielen europäischen Ländern sind die Preise dort niedriger als in Deutschland. Gängige Apothekeneinkaufspreise in vielen EU-Ländern seien oft weit niedriger als die DocMorris-Einkaufspreise für deutsche Ware. Wenn den deutschen Apotheken erlaubt würde, bei Großhandlungen in Frankreich oder den Niederlanden einzukaufen, könnten sie im europäischen Wettbewerb mithalten. Dafür wäre § 73 (3) AMG zu ändern.

Als Alternative wäre zu fordern, dass die Preisfestsetzungen in den anderen Ländern entfallen. Dann könnten sich die Industrieabgabepreise angleichen. Denn für die Industrie bestünde dann kein Anreiz mehr, die in vielen anderen Ländern entgangenen Margen in Deutschland zu verdienen. In jedem Fall würden geringere Apothekeneinkaufspreise auf einem EU-Durchschnittsniveau bei den bestehenden Handelsspannen das System weit mehr entlasten können als jede Änderung der Apothekenmargen oder der Vertriebswege.

Große Gefahren durch Einzelverträge

Auch Karin Wahl, Präsidentin der Apothekerkammer Baden-Württemberg, beklagte die oft fehlerhafte Darstellung des Arzneimittelmarktes in den Medien. Teilweise würden die gesamten Aufwendungen für Arzneimittel mit den Handelsspannen der Apotheken verwechselt. Zudem sei es "lächerlich", dass die Medien die Mehrwertsteuerdifferenzen in der EU nicht wahrhaben wollten.

Wahl warnte vor den Gefahren einzelvertraglicher Vereinbarungen für Apotheken. So würden Ärztenetze gern die "Eintrittsgelder" von Apotheken annehmen, dann aber Lieferungen zu Konditionen unter den Einkaufspreisen fordern. Ärzte seien inzwischen mehr Kaufleute als Apotheker und würden Umsatzprovisionen und Beteiligungen verlangen. Noch Schlimmeres sei zu befürchten, wenn Einzelverträge mit Krankenkassen zugelassen würden. Apotheker, die sich einzeln einer Krankenkasse andienen würden, müssten befürchten, dass sie "ausgequetscht" werden wie manche Lieferanten von Lebensmitteldiscountern.

Die Apothekerschaft müsse deutlich auf dem Kontrahierungszwang bestehen. Wer Arzneimittel liefern wolle, müsse dann auch alle Arzneimittel anbieten. Dann könne Versandhandel nicht rentabel arbeiten. Doch müssten die Apotheker auch das leisten, was sie immer wieder als ihre Besonderheiten hervorheben. Auch wenn nur in wenigen Apotheken schlecht beraten werde, würde dies auf alle zurückfallen. Außerdem sollten Apotheker nicht fordern, den Notdienst einzuschränken.

Versäumnisse der Apotheker

In einer Diskussionsrunde am Ende des Veranstaltungstages in Oberhausen äußerten teilnehmende Apothekerinnen und Apotheker aber auch Kritik an der Arbeit der Standesorganisationen. So hätte das Bild der Apothekerschaft durch eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit mit mehr Präsenz in den Massenmedien verbessert werden können. Die ABDA-Politik habe zudem verhindert, dass Apotheken sich differenziert darstellen und mit besonderen Leistungen öffentlichkeitswirksam werben dürfen. Wahl und Mattenklotz kündigten an, hierzu würden künftig mehr Möglichkeiten eingeräumt.

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