Arzneimittel und Therapie

EU-Zulassung: Neuer Impfstoff gegen Pneumokokken

Für 15 Länder erteilte die Kommission der Europäischen Union jetzt nach einer Mitteilung der Firma Wyeth-Pharma GmbH die Zulassung für den neuen Impfstoff Prevenar. Prevenar ist nach Chargenfreigabe in Deutschland ab März verfügbar. Prevenar ist der erste und einzige Konjugat-Impfstoff, der invasive Pneumokokken-Erkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern im Alter unter zwei Jahren verhindern kann.

Hierzu zählen Meningitis, Sepsis, Bakteriämie und bakterielle Pneumonie. Der neue Impfstoff schützt vor Infektionen, die durch sieben unterschiedliche Serotypen (4, 6B, 9V, 14, 18, 19F und 23F) des Erregers Streptococcus pneumoniae verursacht werden. Mit der Zulassung folgt die Europäische Kommission jetzt der Empfehlung der europäischen Arzneimittelbehörde (European Medicines Evaluation Agency, EMEA).

Bleibende Schäden und Todesfälle

Mehr als eine Million Kinder sterben jedes Jahr weltweit an den Folgen einer Pneumokokken-Infektion. In Deutschland lag bei Kindern unter zwei Jahren die Häufigkeit dieser Erkrankung zwischen 1997 und 1999 bei 19,5 je 100000 Kinder, aber auch Kinder bis zum fünften Lebensjahr sind noch gefährdet. Insgesamt erkranken jedes Jahr ca. 990 bis 1320 Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren an invasiven Pneumokokken-Erkrankungen. Allein von Pneumokokken-Meningitis sind jährlich 220 bis 300 Kinder und Jugendliche betroffen. Etwa 25% der an Meningitis Erkrankten erleiden bleibende Schäden wie Taubheit, Lähmungen, Epilepsie oder Entwicklungsstörungen. Mindestens 20 Todesfälle bei Kindern sind vor allem auf die Meningitis zurückzuführen.

Schutz vor sieben Serotypen

Prevenar schützt vor invasiven Erkrankungen durch sieben Serotypen von S. pneumoniae (4, 6B, 9V, 14, 18, 19F und 23F). Der Impfstoff schützt vor 71 bis 86% derjenigen Serogruppen, von denen bekannt ist, dass sie invasive Pneumokokken-Erkrankungen bei europäischen Kindern unter zwei Jahren verursachen. Dieser Prozentsatz schwankt in Abhängigkeit von den Serogruppen-Prävalenzen in den einzelnen Ländern. Prevenar kann auch gegen die antibiotikaresistenten S. pneumoniae-Stämme schützen, da etwa 80% der resistenten Bakterienisolate in Europa zu den sieben abgedeckten Serogruppen zählen.

Wirksamkeit und Sicherheit

Mehrere klinische Studien belegen Wirksamkeit und Sicherheit von Prevenar. In einer Studie mit mehr als 37000 Kleinkindern verhinderte Prevenar bei 97,4% der vollständig geimpften Kinder eine serotyp-spezifische invasive Pneumokokken-Infektion. Unabhängig von der Serogruppe waren 89,1% der Kinder gegen alle invasiven Pneumokokken-Infektionen geschützt. Die Häufigkeit und Verteilung der Pneumokokken-Serotypen und -Serogruppen ist länderspezifisch. Die gute Verträglichkeit von Prevenar ist durch klinische Studien in den USA, Frankreich, Deutschland, England und Finnland belegt. An diesen Studien nahmen mehr als 20000 Kinder teil, die über 60000 Dosen des Impfstoffes erhielten. Die meisten Reaktionen wie lokale Reizungen an der Einstichstelle und Fieber verliefen gemäßigt und waren vergleichbar mit den Reaktionen bei anderen Impfungen. Dies belegen auch die Informationen aus den USA, wo die Impfung mit Prevenar bereits in die Grundimmunisierung aufgenommen ist; seit der Zulassung Ende Februar 2000 wurden knapp elf Millionen Dosen dieses Impfstoffes gegeben. Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen waren Reaktionen an der Einstichstelle, Fieber (> 38 Grad Celsius), Reizbarkeit, Müdigkeit, unruhiger Schlaf, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Durchfall und Ausschlag oder Nesselsucht.

Zusätzliche Information in der Fachinformation

Eine andere Studie aus Europa lieferte wichtige Daten, die einen wichtigen zusätzlichen Nutzen von Prevenar belegen: die Verhinderung einer akuten Mittelohrentzündung (Otitis media), verursacht durch die sieben Serotypen von S. pneumoniae, vor denen der neue Impfstoff schützt. Etwa 1600 Kleinkinder nahmen an dieser europäischen Studie teil, und Prevenar reduzierte alle serotypspezifischen Fälle der Otitis media um 57% sowie 34% aller nachweislich durch Pneumokokken verursachten Mittelohrentzündungen. Eine andere Studie zeigte, dass Prevenar die Zahl notwendiger chirurgischer HNO-Eingriffe, den Einsatz von Paukenröhrchen, um etwa 20% senkte. Obwohl erwartet werden kann, dass Prevenar die Häufigkeit der akuten Otitis media bei Kindern senkt, wird allerdings auch nach Einführung des neuen Impfstoffes die Gefahr einer akuten Mittelohrentzündung bestehen bleiben, insbesondere weil auch andere Bakterien und Viren als Verursacher auftreten.

Durch Pneumokokken ausgelöste Erkrankungen

Invasive Pneumokokken-Erkrankungen werden durch das Bakterium Streptococcus pneumoniae hervorgerufen und verursachen beispielsweise Bakteriämie (bakterielle Infektion des Blutes), Sepsis (Blutvergiftung), Meningitis (bakterielle Infektion der Membran des Rückenmarks oder des Gehirns) sowie Lungenentzündung in Verbindung mit einer Infektion des Blutkreislaufs. Diese Erkrankungen können zu Lähmungen, Schädigungen des Gehirns und zum Tod führen, wenn sie nicht behandelt werden oder die Keime therapieresistent sind. S. pneumoniae verursacht außerdem nicht-invasive Infektionen wie Lungenentzündung, Sinusitis (Infektion der Nebenhöhlen) und akute Otitis media (Mittelohrentzündung), die Gehörlosigkeit, Lernstörungen und verzögerte Sprachentwicklung zur Folge haben können.

90 verschiedene Serotypen

Die Entwicklung eines wirksamen Pneumokokken-Impfstoffes war eine große Herausforderung, da 90 verschiedene Serotypen von S. pneumoniae existieren. Darüber hinaus stellt in den meisten Ländern das schnelle Auftreten immer neuer Antibiotika-resistenter Serogruppen ein erhebliches Problem dar und erschwert die Behandlung der durch Pneumokokken ausgelösten Erkrankungen.

Konjugation mit Protein-Carrier

Bislang waren nur 23-valente Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoffe gegen invasive Pneumokokken-Erkrankungen verfügbar. Diese Impfstoffe führen allerdings zu keiner ausreichenden Immunantwort bei Säuglingen und Kleinkindern im Alter unter zwei Jahren. Dies ist bei Prevenar durch die Konjugation jedes einzelnen Kapselpolysaccharides mit einem Protein-Carrier gelöst. Dadurch wird erstmalig eine Immunantwort bei Säuglingen und Kleinkindern ermöglicht, die ein immunologisches Gedächtnis aufbaut und so einen anhaltenden Schutz gewährt.

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