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Stammzellen als Ersatzteillager für den eigenen Körper - das hört sich an wie aus einem Zukunftsroman, nach Science Fiction. Dass Verwendung und Einsatz von Stammzellen schon heute mehr Science als Fiction ist, zeigt unser Titelbeitrag, der sich mit Nabelschnurblut als Quelle von Stammzellen befasst. Wenn Sie im Biologieunterricht gut aufgepasst haben, dann wissen Sie, dass Stammzellen undifferenzierte Vorläuferzellen für die Gewebe des menschlichen Körpers sind. Stammzellen können sich, angeregt durch bestimmte Differenzierungssignale, zu spezialisierten Zellen entwickeln, beispielsweise zu Blutzellen, Nerven, Muskel, Knorpel oder Knochen.

Embryonale Stammzellen sind totipotent, d. h., aus ihnen können praktisch alle Körpergewebe neu erzeugt werden. Und in diese Richtung denken Wissenschaftler bereits: Aus Embryonen lassen sich totipotente Stammzellen gewinnen, aus denen alle Gewebe regeneriert werden können. Eine neue Leber, eine neue Bauchspeicheldrüse - in Zukunft kein Problem, wenn embryonale Stammzellen vorhanden sind. Allerdings ist die Forschung an Embryonen in Deutschland nicht erlaubt. Man versucht sich daher mit der Gewinnung von Stammzellen aus Nabelschnurblut zu helfen. Diese allerdings besitzen keine totipotenten Eigenschaften mehr, weisen aber dennoch eine sehr große Flexibilität auf.

Und das ist heute schon Realität: Aus Knochenmark gewonnene Stammzellen - hier hat die Natur z. B. eine Reserve von Stammzellen angelegt, die für die Erneuerung von Blutzellen verantwortlich sind - dienen zur Therapie verschiedener Krebsarten. Die Gewinnung dieser Stammzellen ist allerdings mit einem operativen Eingriff und deshalb mit einem gewissen Risiko für den Spender verbunden und zudem schmerzhaft.

Besser erscheint hier die vorsorgliche Gewinnung von Stammzellen aus Nabelschnurblut. Die Methode wird heute bereits angewandt, ist aber bisher noch wenig bekannt: Stammzellen werden nach der Geburt aus der Nabelschnur entnommen und eingelagert, d. h. tiefgefroren. Sollten sie später einmal für therapeutische Zwecke benötigt werden, kann der Eigentümer dieser Stammzellen jederzeit darauf zurückgreifen. Dann hängt es natürlich auch vom medizinischen Fortschritt ab, wozu die aufgetauten Stammzellen eingesetzt werden. So wäre es z. B. denkbar, dass Sie aus Ihren Stammzellen eine neue Leber züchten lassen, falls Sie Ihre vom Krebs befallene Leber ersetzen müssen.

Die private Einlagerung von Stammzellen wirft ethische Fragen auf. Das Neugeborene, dessen Eltern es sich leisten können, für die Einlagerung und 20-jährige Aufbewahrung der Stammzellen 3500 DM aufzubringen, dürfte eine bessere Gesundheitsvorsorge haben als dasjenige, dessen Eltern den Betrag nicht zahlen können. Für weitere 3000 DM kann die Einlagerung lebenslang erfolgen. Diese Stammzellen stehen demjenigen zur Verfügung, für den sie eingelagert wurden. Für die Freigabe der eingelagerten Probe fallen keine weiteren Kosten an. Die individuelle Einlagerung von Nabelschnurblut als biologische Lebensversicherung klingt gut und verheißt viel. Es hängt allerdings auch vom medizinischen Fortschritt ab, was aus diesen Stammzellen letztendlich herangezüchtet werden kann.

Neben den privaten Blutbanken gibt es in Deutschland auch öffentliche Blutbanken, an die z. B. Nabelschnurblut bzw. daraus gewonnene Stammzellen gespendet werden können. Allerdings läuft dies anonymisiert ab. Spender haben im Bedarfsfall kein Recht auf die Herausgabe ihrer Stammzellen, ganz abgesehen davon, dass die Stammzellen aufgrund der Anonymisierung nicht mehr dem Spender zugeordnet werden können. Die Spende des Nabelschnurblutes wird dem Kind im Bedarfsfall also nicht unmittelbar helfen. Die Freigabe einer solchen Probe im Bedarfsfall kostet rund 30 000 DM, getragen werden die Kosten von der Krankenkasse.

Unabhängig davon, wie sich Eltern entscheiden: Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ist Nabelschnurblut zu kostbar, als dass es einfach vernichtet wird. Es sollte entweder gespendet oder für eine private Vorsorge eingelagert werden. Die Medizin wird weitere Fortschritte auf diesem Gebiet machen. Machen Sie werdende Mütter in Ihrer Apotheke auf die Möglichkeit der Nabelschnurblutspende oder privaten Nabelschnurbluteinlagerung aufmerksam. Zur Beratung gibt es auch spezielle Broschüren für werdende Eltern, die diese Thematik verständlich erläutern.

Zum Thema Information und Fortbildung: Ich möchte Sie auf unsere Sonderveranstaltung am Sonntag, 18. März, im Rahmen der Interpharm 2001 in Hamburg aufmerksam machen, die sich mit der Überalterung der Gesellschaft und den daraus entstehenden Problemen für unsere Krankenversicherung befasst. Professor Ulrich, Greifswald, nimmt dazu in seinem Referat "Das Alter - eine unbezahlbare Krankheit?" Stellung. Ein Höhepunkt: Unsere neue Bundesgesundheitsministerium Ulla Schmidt kommt zur Interpharm 2001 nach Hamburg! Sie wird sich mit dem Thema der demografischen Entwicklung (Überalterung der Gesellschaft) vor dem Hintergrund einer neuen Arzneimittelpolitik befassen. Auf dem "weißen Sofa" werden wir differenziert nachfragen. Haben Sie sich schon angemeldet?

Peter Ditzel

Schöne neue Welt

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