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DPhG: Stammzellforschung

Die Möglichkeiten und Grenzen der Stammzellforschung werden zurzeit intensiv diskutiert. Zu diesem aktuellen Thema fand daher am 3. Juli 2001 im Institut für Pharmazie der Humboldt-Universität zu Berlin im Rahmen des Vortragsprogramms der DPhG, Landesgruppe Berlin-Brandenburg, ein Vortrag von Frau PD Dr. A. M. Wobus mit dem Thema "Embryonale Stammzellen Ų Potenzial, Perspektiven und Probleme" statt.

Warum Interesse an der Stammzellforschung?

Die Erwartungen der Medizin an die Stammzellen sind groß. In ihnen steckt ein ungeheures Potenzial. Stammzellen, ob adult, pluri- oder totipotent, gelten als die Hoffnungsträger in der medizinischen Forschung. Es könnte Patienten geholfen werden, bei denen Zelltypen stark geschädigt sind. Stammzellen könnten zugrundegegangene Zellen ersetzen, wie z.B. Herzmuskelzellen nach einem Herzinfarkt oder neuronale Zellen im Gehirn bei der Parkinsonschen Krankheit oder nach Verletzungen des Rückenmarks. Ausgereifte Zellen sind dazu ungeeignet, da sie sich, anders als Stammzellen, nicht (mehr) in das Gewebe eines Organs einfügen und die notwendigen Funktionen übernehmen können.

Die Referentin, Leiterin der Arbeitsgruppe In-vitro-Differenzierung am Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben, forscht seit etwa 20 Jahren mit pluripotenten embryonalen Stammzellen der Maus.

Kultivierung von Stammzellen

Frau Dr. Wobus stellte im ersten Teil ihres Vortrages Methoden vor, mit denen diese Zellen kultiviert und differenziert werden können. Die Kultivierung erfolgt zunächst in Embryo-ähnlichen Aggregaten, so genannten embryoid-bodies. Nach wenigen Tagen können die Stammzellen in Gewebekulturschalen überführt werden und dort beispielsweise zu Herz-, Skelettmuskel-, Nerven- oder Knorpelzellen differenzieren.

Frau Dr. Wobus ging am Beispiel der Herzzelldifferenzierung ausführlicher auf Ergebnisse ihrer Arbeitsgruppe ein. Es wurde beispielsweise erkannt, dass die embryonalen Stammzellen in einem kontrollierten zeitlichen Muster herzspezifische Gene exprimieren, Proteine strukturell organisieren sowie Rezeptoren und Ionenkanäle ausprägen.

Anwendungsmöglichkeiten der Stammzellforschung

Für die Forschung mit humanen embryonalen Stammzelllinien ergeben sich zahlreiche Perspektiven. Beispielsweise könnte die frühe Embryonalentwicklung in vitro analysiert werden, daraus ließen sich Strategien für die Therapie von Entwicklungsstörungen ableiten. Screening-Tests mit embryonalen Stammzellen für embryotoxische und teratogene Substanzen könnten Tierversuche in der Embryotoxikologie ersetzen. Des Weiteren wären nach der Differenzierung der embryonalen Stammzellen in die verschiedenen Zelltypen Tests zur pharmakologischen Wirksamkeit von potenziellen Arzneistoffen möglich. Die auch in der Laienpresse am ausführlichsten diskutierte Perspektive ist der Zell- und Gewebeersatz in der Transplantationsmedizin. Es ist prinzipiell möglich geworden, Gewebeersatz-Therapien bei degenerativen Erkrankungen des Nervensystems, bei Herzerkrankungen oder Diabetes mellitus anzuwenden. Am Tiermodell wurden dabei bereits beeindruckende Erfolge erzielt.

Vor der Übertragung der bisherigen Erkenntnisse auf die Humantherapie sind allerdings noch zahlreiche Probleme einerseits technischer, andererseits ethisch-rechtlicher Natur zu lösen. In technischer Hinsicht sind noch viele Fragen zur genetischen Stabilität, Gewebeverträglichkeit und langfristigen Funktion der transplantierten Zellen im Organismus zu lösen. Aus ethisch-rechtlicher Sicht ist die Verwendung menschlicher Embryonen umstritten und in Deutschland aufgrund des Embryonenschutzgesetzes die Etablierung humaner Stammzelllinien verboten. Alternativ verwenden die Forscher daher fetale und adulte Stammzellen, beispielsweise Stammzellen aus Dünndarmepithel oder Nabelschnurblut. Auch diese eignen sich für den Zellersatz, da sie eine viel höhere Plastizität als früher angenommen besitzen. Doch auch dabei existieren noch zahlreiche offene Fragen hinsichtlich der Kontrolle von Vermehrung und Entwicklung.

Im Gegensatz zu den "normalen" Körperzellen haben Stammzellen keine feste Funktion. Sie können sich teilen und vermehren und bilden neue Zellen, die im Körper gebraucht werden, wenn z.B. Reparaturen nötig sind. Erwachsene Menschen haben etwa zwanzig verschiedene Stammzelltypen. Diese sind organspezifisch und heißen auch adulte Stammzellen. Stammzellen des Knochenmark bilden so immer frische Blutbestandteile nach. Eine eben befruchtete Eizelle dagegen ist ein "Alleskönner". Bei diesen totipotenten Zellen ist noch nichts über Funktionen und Spezialisierungen entschieden. Die Zelle kann sogar noch einen vollständigen zweiten Menschen hervorbringen. Mit diesen Zellen darf in Deutschland und in vielen Ländern der Erde nicht geforscht werden.

Die aktuelle Diskussion kreist um pluripotente Stammzellen, Vielkönner. Sie haben nicht die Einzigartigkeit einer totipotenten Zelle, stehen ihr aber an Fähigkeiten kaum nach. Sie stammen aus Embryonen im Acht-Zell-Stadium, teilen sich unbegrenzt und können noch jeden der rund 210 Zelltypen eines Menschen ausbilden, jedoch nicht ein ganzes Individuum bilden. Gewonnen werden sie aus überzähligen Embryonen, die bei einer künstlichen Befruchtung erzeugt wurden, oder aus abgetriebenen Föten. In Deutschland ist es verboten, pluripotente Zellen für die Forschung herzustellen. Das Embryonenschutzgesetz verbietet aber nicht, sie aus dem Ausland zu importieren.

Kastentext: Ausgewählte Links und Literatur zur Stammzellenforschung

A. M. Wobus: Entwicklungspotenz embryonaler Stammzellen – gegenwärtige und zukünftige Anwendungen. Nova Acta Leopoldina NF 83 (318), 59–77 (2000). www.dfg.de www.ipk-gatersleben.de www.bundesaerztekammer.de ("Richtlinien zur Verwendung fetaler Zellen und fetaler Gewebe") www.bmgesundheit.de

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