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In Vorbereitung: Gemeinsames Statement der DGPT und DPhG zu aut idem

MAINZ (diz). Auf einer Podiumsdiskussion zur Aut-idem-Regelung, die am 14. März 2002 im Rahmen der 43. Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie (DGPT) in Mainz stattfand, fassten DGPT und die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) spontan den Beschluss, sich gemeinsam in einem Statement zur Aut-idem-Regelung an die Politik zu wenden. Man wolle gemeinsam Empfehlungen abgeben, welche Bedingungen für die Aut-idem-Regelung im Sinne des Patienten nötig sind, um sie ordnungsgemäß auszuführen.

Unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Dr. Ernst Mutschler diskutierten die Pharmakologen Prof. Dr. Kay Brune, Erlangen, Prof. Dr. Peter Dominiak, Lübeck, Prof. Dr. Peter Lemmer, Mannheim und Dr. Martin Schulz, Zentrum für Arzneimittelinformation und pharmazeutische Praxis der ABDA, Eschborn, über die Machbarkeit der Aut-idem-Regelung.

Dass die Aut-idem-Regelung vom Bundesgesundheitsministerium unter falschem Vorzeichen gesehen werde, zeige die anlaufende Werbung des Ministeriums, bei der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt der Bevölkerung erklärt, dass bei Medikamenten der Wirkstoff wirke, nicht der Name. Vehement hielt Mutschler dagegen, dass ein Arzneistoff noch kein Arzneimittel sei, sondern auch die Galenik einen großen Anteil an der Wirkung eines Arzneimittels habe.

Die Leitlinie der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft zur guten Substitutionspraxis (GSP) könne dazu beitragen, "den Pulverdampf" herauszunehmen. Von der Leitlinie könnten Arzt und Apotheker profitieren, nicht zuletzt habe die Leitlinie die Arzneimittelsicherheit und die berechtigten Interessen der Patienten im Auge, wie aus der Präambel hervorgehe, so Mutschler.

Brune wies darauf hin, dass Gesundheitsleistungen bereits rationiert würden, da das Geld fehle. Zu den möglichen Vorteilen einer Aut-idem-Regelung zählte Brune, dass der Arzt den Wirkstoff kennen muss, dass sich der Arzt Gedanken über die beste galenische Formulierung machen muss, dass der Patient den generischen Namen seiner Medikamente lernt und dass sich der Patient auch über unerwünschte Wirkungen der Therapie informieren kann, z. B. im Internet, da er über den generischen Namen leicht Zugang zur Art seiner medikamentösen Therapie hat.

Akute und chronische Therapie unterscheiden!

Dominiak plädierte dafür, bei einer Aut-idem-Regelung zwischen einer akuten und einer chronischen Therapie zu unterscheiden. Aut idem könne nach seiner Meinung allenfalls bei einer Verordnung für eine Akuttherapie in Frage kommen, massive Schwierigkeiten sehe er bei einer Verordnung für eine chronische Medikation, insbesondere für ältere Menschen. Die Compliance leide darunter, wenn der Patient heute eine rote und morgen eine grüne Tablette bekomme. Aber auch die Therapie selbst könne unter einer Aut-idem-Regelung leiden, wenn beispielsweise Wirkstoffe ausgetauscht würden, die therapeutisch nicht äquivalent seien. Dominiaks Fazit: So lange die gesetzlichen organisatorischen Voraussetzungen nicht gegeben sind, kann die Aut-idem-Regelung nicht durchgeführt werden.

Gemeinsam gegen aut idem

Die Aut-idem-Regelung ist nicht wirtschaftlich, wissenschaftlich ungeeignet und nicht begründet - diese Meinung vertrat Professor Lemmer in der Podiumsdiskussion. Das Arzneimittel sei mehr als ein Molekül, die Galenik spiele bei vielen Präparaten eine besondere Rolle, so z. B. bei Retardpräparaten oder Geräten zur inhalativen Applikation, wobei diese nach seiner Auffassung nicht austauschbar seien. Voraussetzung für eine Austauschbarkeit sei nach seiner Ansicht vor allem eine vergleichbare Pharmakokinetik. Würden alle Arzneimittel, für die keine Evidenz der Wirksamkeit vorliege, nicht mehr bezahlt, würde man wohl mehr einsparen als mit dieser Aut-idem-Regelung, so Lemmer. Außerdem dürfe die Aut-idem-Regelung nicht dazu führen, dass Apotheker gegen Patienten und Ärzte ausgespielt würden. Man sollte vielmehr gemeinsam gegen die Aut-idem-Regelung vorgehen.

Chance für die Heilberufe

Die Position des Apothekers vertrat Martin Schulz. Er sehe sehr wohl, dass es bei Generika Galenikprobleme gebe, gleichwohl könne der Apotheker nicht alle Generika vorrätig halten, dies sei nicht zumutbar. Im Prinzip sei die Aut-idem-Regelung nichts Neues, verordnete der Arzt schon bisher lediglich einen Wirkstoff, war es Aufgabe des Apothekers, ein preisgünstiges Generikum auszusuchen.

Bereits in fünf Staaten von Europa werde eine Aut-idem-Regelung ohne Probleme praktiziert. Auch im Nacht- und Notdienst ist es dem Apotheker erlaubt, zu substituieren, falls er das gewünschte Präparat nicht vorrätig hat, Probleme sind bisher nicht bekannt geworden. Damit sich die Compliance nicht verschlechtere und für den Patienten eine kontinuierliche Therapie gewährleistet sei, sollten Arzt und Apotheker verstärkt zusammen arbeiten. Darin liege auch eine Chance für beide Heilberufe.

Transparenzdatenbank fehlt

In der Podiumsdiskussion wies Mutschler erneut deutlich darauf hin, dass bei bestimmten Patienten, bei denen im Beratungsgespräch deutlich wird, dass bei eine Substitution die Compliance gefährdet, auf einen Austausch von Präparaten verzichtet werden sollte. Brune beklagte, dass es man es bisher nicht geschafft habe, deutlich zu machen, dass viele Arzneimittel und Phytopharmaka nicht wirksam seien und trotzdem von den Krankenkassen bezahlt würden: "Wenn jemand "humulus lupulus" in Form von Bier einnimmt, sei das noch in Ordnung, aber als Arzneimittel ..."

Zur DPhG-Leitlinie merkte Schulz kritisch an, dass sie in der jetzt vorliegenden Form noch nicht in die Praxis umsetzbar sei, denn als Voraussetzung müsste es auch eine Transparenzdatenbank geben, um anhand von vorliegenden Bioverfügbarkeits- und Bioäquivalenzdaten entscheiden zu können. Eine solche Transparenzdatenbank werde allerdings von der Industrie zur Zeit verhindert, die Daten würden nicht zugänglich gemacht.

Dem hielt Mutschler entgegen, dass man als Apotheker von der Industrie verlangen könne, die Daten zur Bioverfügbarkeit zu bekommen. Der Apotheker sollte gegenüber der Industrie selbstbewusst auftreten und anmerken, dass bei nicht Herausgabe der Daten das Präparat in der Apotheke nicht mehr geführt werde.

Lemmer schlug vor, dass es sinnvoll und hilfreich sein könnte, wenn beide pharmakologischen Gesellschaften, die DGPT und die DPhG, gemeinsam ein Statement verfassten, das sich kritisch zu aut idem äußere und als Rat an die Politik verstanden werden sollte. Ein solches Statement werde es geben, versicherte Brune, man wolle damit ein Zeichen setzen, es könnte eine Option sein für eine bessere, wissenschaftlichere Arzneimitteltherapie.

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